#Gastbeitrag

Was Gründer wirklich über Family Offices wissen müssen

Auch wenn Family-Offices ihr Vermögen in unterschiedliche Vermögensklassen investieren, nimmt ihr Einfluss immer mehr zu. Family-Offices investieren dabei in der Regel eher in VC-Unternehmen und in Private Equity und nicht direkt in Startups. Es gibt aber auch Ausnahmen.
Was Gründer wirklich über Family Offices wissen müssen
Donnerstag, 16. Mai 2019VonTeam

Der Begriff des Family-Office ist rechtlich weder geschützt noch gesetzlich definiert. Daher kann er von jedem Unternehmen genutzt werden. Eine in der Wissenschaft und Fachwelt anerkannte Definition hat sich auch noch nicht herausgebildet. Die Bundesanstalt  für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versteht unter Family-Offices Unternehmen, die sich bankenunabhängig mit der Verwaltung großer privater Vermögen befassen. Grundsätzlich müssen (echte) Single-Family-Offices und Multi-Family-Offices von anderen Dienstleistern im Bereich der  Vermögensverwaltung abgegrenzt werden.

Auch wenn Family-Offices ihr Vermögen zur Diversifikation in unterschiedliche Vermögensklassen investieren, nimmt ihr Einfluss im Venture Capital (VC)-Bereich und bei Direktinvestments in Startups immer mehr zu. Family-Offices investieren dabei in der Regel eher in VC-Unternehmen und in Private Equity und nicht direkt in Startups. In letzter Zeit hat es aber immer wieder einige direkte Investments von Family-Offices in Startups gegeben, sodass auch Family-Offices als Investoren immer interessanter für Gründer werden. Im Moment scheinen viele Family-Offices im Bereich der Direkt-Investments in Startups Erfahrungen sammeln zu wollen.

Family-Offices investieren normalerweise nicht mehr als fünf bis zehn Prozent ihres Nettovermögens in Risikokapital (VC-Fonds und Startup-Direktinvestments). Der restliche Teil des verwalteten Vermögens wird in traditionelle Private Equity- und Hedge-Fonds, direkte Aktien- und Anleiheportfolios sowie Immobilien und Kunst investiert.

Abgrenzung Single- und Multi-Family-Offices

Für Startups sind meiner Meinung nach die Single-Family-Offices und die „echten“ Multi-Family-Offices am interessantesten.

Single-Family-Offices sind Unternehmen, die das Vermögen (ab ca. 100 Mio. EUR) einer sehr, sehr reichen Einzelperson, einer Familie oder mehrerer Mitglieder einer einzelnen Familie verwalten. Single Family-Offices (auch „Private Family-Offices“ genannt) werden in der Regel von der jeweiligen Familie gegründet und die Mitarbeiter des Family-Offices (z.B. die Vermögensverwalter) werden von der Familie als Angestellte bezahlt. Multi-Family-Offices (auch „Externe Family-Offices“ genannt) verwalten das Vermögen mehrerer sehr reicher Familien und/oder nicht verwandter Einzelpersonen.

Aus Single-Family-Offices entstehen zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen auch Multi-Family-Offices, wenn sich z.B. zwei Familien zur Kompetenzbündelung und wegen der Kostenersparnis zusammenschließen oder eine weitere Familie von einem Single-Family-Office aufgenommen wird.

Da Multi-Family-Offices auch “fremdes” Geld verwalten, neigen sie dazu, formeller zu sein, wenn es um Governance, die Unabhängigkeit ihres Anlageentscheidungsprozesses und der Betreuung der „Assets under Management“ geht. Das Reporting kann daher auch aufwendiger für das Startup sein.

Dr. Peter Schaubach, Honorarprofessor für Family Office an der European Business School in Oestrich-Winkel, schätzte vor ein paar Jahren, dass es rund 400 Single-Family-Offices und 50 Multi-Family-Offices in Deutschland bzw. deutscher Familien gibt.

Die Zahl dürfte deutlich gestiegen sein, da bei der Gründung von Family-Offices fast von einem Boom gesprochen werden könnte.

Im Internet – bei Listenchampion – sind derzeit sehr teure Listen mit z.B. 200 „deutschen“ Single-Family-Offices und 75 Multi-Family-Offices erhältlich. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass ca. 200 Milliarden Euro von den in Deutschland ansässigen Family-Offices verwaltet werden.

Nach dem Ernst and Young’s Family Office Guide 2017 gibt es weltweit 10.000 Family-Offices und ein betreutes Vermögen von 5.1 Billionen Dollar.

Abgrenzung von echten Family-Offices und Dienstleistern  

Multi-Family-Offices können auch unabhängig von einem speziellen Kunden oder einer Familie gegründet werden und als Dienstleistungsunternehmen ihre Dienste als Vermögensverwaltung anbieten.

In Banken wird eine Abteilung oder interne Einheit für die Betreuung von sehr reichen Personen teilweise ebenfalls als „Family-Office“ bezeichnet. Diese „Family-Offices“ der Bank, die lediglich bankintern besondere Dienstleistungen wie die Beratung vermögender Kunden erbringen, sind nicht mit der Betreuung von zusammenhängenden Vermögen in einer Gesellschaft als Family-Office zu verwechseln.  

Abgrenzung von Venture Capital

Da Fondslaufzeiten begrenzt sind, beschaffen sich VC-Unternehmen hauptsächlich Fremdmittel mit einem Lebenszyklus von acht bis zwölf Jahren. Eine Startup-Beteiligung wird abhängig vom Zeitpunkt des Invests innerhalb der Fondslaufzeit in der Regel nach fünf bis zehn Jahren wieder veräußert. In dieser Zeit streben VC-Gesellschaften also einen Exit an.

Diesen Zeitdruck haben Family-Offices in der Regel nicht. Sie verfügen über “immergrünes” Kapital (geduldiges Kapital mit unbestimmter Fondslaufzeit) und haben keinen begrenzten Anlagehorizont. Sie stehen unter keinem „technischen“ Zeitdruck, einen Exit aufgrund der Regularien einer VC-Gesellschaft oder Fondsregularien auszuführen.

Die deutschen VC-Gesellschaften investieren in der Regel keine Summen über 20 Millionen Euro. Dies ist bei einigen Family-Offices ggf. anders, da sie auch höhere Investments leisten könnten.

Theoretisch kann ein Family-Office auch ein Käufer eines Startups sein. Eine VC-Gesellschaft ist hingegen ausschließlich ein Investor für eine gewisse Zeitspanne, der nie das gesamte Unternehmen kaufen wird.   

Besonderheiten von Family-Offices als Startup-Investoren

Neben den gerade angeführten Unterschieden gibt es noch einige weitere Besonderheiten.

Family-Offices sind in der Regel sehr diskrete Unternehmen, die oftmals großen Wert darauf legen, nicht öffentlich als Investor aufzutreten und insbesondere nicht die Familie die hinter dem Vermögen steht zu offenbaren.

Deshalb sollten Sie sich die Investmentgesellschaft sehr genau anschauen, wenn im Namen der Gesellschaft die Bezeichnung „Family-Office“ explizit aufgeführt wird. Diese Wahl der Firmenbezeichnung ist nicht als diskret zu bezeichnen. Unter Umständen könnte es sich bei solch einer Gesellschaft auch um eine reine Beratungsgesellschaft handeln, die z.B. ausschließlich ein Investment gegen Provision vermitteln möchte und nicht selbst investiert.

Durch die häufig anzutreffende Diskretion kann ggf. eine Finanzierungsrunde eines Startups nicht für Marketing- oder PR-Zwecke genutzt werden.  

Nach meinen Beobachtungen investieren Family-Offices eher in größere Startups sowie mit einigen Millionen Euro Investment pro Finanzierungsrunde. Da Family-Offices ihre sehr teure Due Diligence immer noch mit den internationalen Top-Anwaltskanzleien durchführen, führt dies allein häufig zu sechsstelligen Beträgen. Außerdem wäre die Betreuung vieler Startups zu aufwendig. Häufig werden ganz erhebliche Summen von wenigen Mitarbeitern betreut und investiert.

Family-Offices investieren daher auch selten in Seed-Runden, sondern häufiger in Series A-, B-, C- oder D- Runden.

Gerne beteiligen sich Family-Offices aber auch bei anderen Finanzierungsrunden, bei denen ein anderes Family-Office oder ein VC-Unternehmen als Lead-Investor auftritt. Family-Offices schließen sich meiner Erfahrung nach in den meisten Fällen einem anderen Lead-Investor an und gehen selten selbst in den Lead, wenn es mehrere größere Investoren gibt.   

Einige Family-Offices könnten auch als professionell organisierte Business Angels bezeichnet werden, die imstande sind, auch größere Finanzierungsrunden zu begleiten. Zudem sind sie sehr flexibel, soweit sie eigenes Geld investieren (Single-Family Office).

Der Investmentprozess im Family-Office variiert sehr stark. Dies hängt von der Historie von und der Erfahrung mit Startup-Investments und der Reife des Family-Offices, seinen Investmentmanagern und den individuellen Persönlichkeiten der Familie selbst ab.

Die Gründer sollten zumindest bei Single-Family-Offices darauf vorbereitet sein, nach einer ersten Überprüfung und einem positiven Screening durch den Investmentmanager, den Familienpatriarchen oder einen Vertreter der Eigentümerfamilie persönlich kennenzulernen.

Im Gegensatz zum formelleren und demokratischeren Prozess von VCs oder Multi-Family-Offices ist der Investmentprozess von Single-Family-Offices stark abhängig von der Meinung von ein oder zwei Personen innerhalb der Familie oder von Vertrauten im “inneren Kreis”.

Family-Offices die bereits direkt in Startups investiert haben.  

Besonders hervorzuheben sind die folgenden Family-Offices, die bereits Direktinvestments in Startups getätigt haben und hierrüber Pressemeldung veröffentlicht haben, sodass die Family-Offices hier genannt werden können. Es gibt eine Vielzahl weiterer Family-Offices, die nicht an die Öffentlichkeit gehen und z.B. auch keine Internetseite haben.

An diese kommen Startup meist nur heran wenn die Gründer weiterempfohlen werden, z..B. von anderen Gründern, in die das Family-Office bereits investiert hat oder durch VC- oder Private Equity-Unternehmen beziehungsweise durch professionelle (zu zahlende) Vermittler wie Investmentbanker und Vermögensverwalter.

ALSTIN Family GmbH
Dieses Multi-Family Office (ALternative STrategic INvestments) von dem Höhle des Löwen Juror Carsten Maschmeyer investiert in Startups vornehmlich aus dem E-Commerce-Bereich.

Astutia Ventures GmbH
Ein Spross der Unternehmerfamilie Rodenstock (Optik und Brillen) hat dieses Single-Family-Office gegründet, das eher einen VC-Ansatz verfolgt. Es investiert in innovative Startups mit herausragendem Wachstumspotenzial aus den Bereichen Smart City, Future of Commerce und Digital Lifestyle.

DVH Ventures GmbH
Der Verleger Georg-Dieter von Holtzbrinck investiert mit seinem unabhängigen VC-Unternehmen in disruptive Startups aus den Bereichen Künstliche Intelligenz, Security, FinTech, InsurTech und Advertising.

Reimann Investors
Die Familie Reimann ist eine der reichsten der Welt. Sie investiert insbesondere in Startups aus den Bereichen digitale Dienstleistungen, Premium-E-Commerce und FinTech, vornehmlich aus der DACH-Region und in der Pre-, A-, B-, und C-Runde.

SKion GmbH
Die BMW-Groß-Aktionärin Susanne Klatten investiert gezielt in Unternehmen im Bereich Wassertechnologie.

Woodman Asset Management AG
Das Multi-Family-Office Woodman Asset Management investiert in Robotics und FinTech.

International hat Crunchbase eine Übersicht über die aktivsten Family Offices im Bereich direkte Startup-Investments erstellt.

Zum Autor
Jan Schnedler ist Autor des Buches Startup-Recht. Rechtsanwalt Schnedler liefert in seinem Werk nicht nur einen umfassenden Überblick in Sachen juristischen Aspekte rund um Startups aller Art, nein, er schriebt dies alles auch noch in lesbarer Form zusammen. Nach der Lektüre sollten Gründer in der Lage sein, informiert Entscheidungen zu treffen, Fehler zu vermeiden oder zumindest zu korrigieren. Die Bandbreite reicht dabei von Gesellschaftsformen über Logofindung bis zum Thema Investoren-Verträge.

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Foto (oben): Shutterstock