Interview

“Auf einmal telefoniert man mit der Tochter von Al Gore”

"Man erkennt gute Seefahrer dann, wenn die See rau ist. Unsere Crew hat sich in der Zeit als gute Seefahrer erwiesen, die einander vertrauen können, und das ist langfristig wahrscheinlich mehr Wert als ob diese eine Kapitalerhöhung klappt oder nicht", sagt Fabian Kreipl von vanilla bean.
“Auf einmal telefoniert man mit der Tochter von Al Gore”
Mittwoch, 28. Februar 2018VonAlexander Hüsing

Auf vanilla bean finden Onliner nicht weniger als “die besten veganen Restaurants”. Ins Leben gerufen wurde der vegane Restaurantführer, der gerade in die USA expandiert ist, von Chris Hengl, Fabian Kreipl, Tobias Kreß und Bastian Schumacher. “Wir wollten möglichst schnell in die entscheidenden Märkte und uns dort etablieren. Wir machen noch keinen Umsatz. So eine Strategie ist natürlich riskant, weil man es erstmal so lange ohne Umsatz durchhalten muss. Aber wenn man durchhält, kann man dafür auch etwas wesentlich Größeres aufbauen”, sagt Mitgründer Kreipl.

An den Start ging vanilla bean bereits 2015. “Nach unserem USA-Launch jetzt werden wir uns stark auf unser Business konzentrieren. Wir haben uns eine einmalige Chance erarbeitet. Die wollen wir nutzen. Unsere Android- und iPhone-App, sowie unsere Webseite hat bisher knapp 200.000 User angezogen, bei branchenüberdurchschnittlicher Retention und geringen Marketingausgaben”, sagt Kreipl. Als Investoren konnten die Regensburger bereits Ffilipa Venture Capital und die Veganz-Investoren Vegan Angels gewinnen.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht vanilla bean-Mitgründer Kreipl über Massentierhaltung, Bill Clinton und eine geplatzte Finanzierungsrunde.

Wie würdest Du Deiner Großmutter vanilla bean erklären?
vanilla bean ist ein veganer Restaurantführer für bewusste und nachhaltige Konsumenten. Was heißt das? Mit unserer App findet man Restaurants mit veganem Angebot. Zusätzlich erfährt man, welche Lokale regionale und Bio-Produkte verwenden, welche Wert auf Fairtrade legen und wo glutenfreie Speisen auf der Karte stehen.

Bei welcher Gelegenheit entstand die Idee zu vanilla bean?
Beim Essen in einem veganen Restaurant. Und zwar im TaraCafé in Regensburg. Mein Kollege Bastian Schumacher meinte, wir sollen eine App entwickeln, “die etwas Gutes bewirkt”. Am nächsten Tag habe ich ihm das Grundkonzept von vanilla bean vorgestellt. Wir Gründer haben zuvor geholfen, Kupferwerk als die größte App-Agentur Deutschlands zu etablieren. Wir haben dort Projekte umgesetzt für Kunden wie Red Bull, Google oder BMW. Nach mehreren Jahren hat uns der Ehrgeiz gepackt, ein eigenes, größeres Projekt zu entwickeln. Aber nicht irgendwas. Als Entwickler und App-Designer hat man die Chance, das Verhalten von Millionen von Menschen zu beeinflussen. Nachdem unsere Welt ja nicht in erster Linie mehr Softdrinks und Autos mit Verbrennungsmotoren braucht, war es enorm inspirierend, etwas zu erschaffen, was Teil einer Lösung ist. Und zwar für die vielleicht größte Herausforderung unserer Zeit: Wie schaffen wir es, eine enkeltaugliche Welt zu gestalten? Die Art und Weise, wie wir konsumieren, ist so nicht aufrecht zu erhalten. Wir schlittern schnurstracks in die ökologische Krise. Dabei habe ich oft das Gefühl, dass wir gar nicht richtig begreifen, was das bedeutet. Viehhaltung spielt in all dem eine zentrale Rolle. Unsere hochindustrialisierte Massentierhaltung führt nicht nur zu erschreckenden Bedingungen für die Tiere – sie führt auch zu einer ganzen Reihe großer Umweltprobleme. Nach einem Bericht der UN ist unsere Viehhaltung etwa mindestens so stark am Klimawandel beteiligt wie das weltweite Verkehrsaufkommen.

Hat sich Euer Konzept seit dem ersten Gedankenblitz verändert?
Auf jeden Fall. Unsere erste Idee war es, einen nachhaltigen Consumer-Guide allgemein zu entwickeln. Also von Mode über Bio-Läden zu veganen Restaurants. Wir haben aber schnell gemerkt, dass es besser ist, sich auf ein Thema zu konzentrieren.

Wie hat sich vanilla bean seit der Gründung entwickelt?
vanilla bean ist mittlerweile in mehreren Ländern verfügbar. Wir sind mit 200 veganfreundlichen Restaurants in Österreich gestartet. Mittlerweile haben wir 23.000 und unter anderem die größte Datenbank dieser Art in Deutschland, Großbritannien und ganz neu auch in den USA.

Warum seit ihr in die USA?
Die USA ist der größte Markt in unserer schnell wachsenden Nische. Ein Großteil der einflussreichsten veganen NGOs, Stars und Influencer leben dort. Außerdem gibt es vor allem an den Küsten eine unglaublich tolle vegane Restaurantszene. Unser Launch ist noch ganz frisch, aber wir haben schon in der ersten Woche gemerkt, wie viel größer die Möglichkeiten plötzlich geworden sind. Auf einmal telefoniert man mit der Tochter von Al Gore, Emily Deschanel twittert über einen oder es meldet sich T. Colin Campbell, der vegane Ernährungsberater von Bill Clinton, mit dem Wunsch, langfristig mit uns zu partnern.

Was hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Dass der stärkste Plan A einen starken Plan B und Plan C braucht. Wenn man versucht, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, macht man unweigerlich Fehler und versucht so schnell und so gut es geht zu lernen. Es ist ja wie im Dschungel. Wenn man zu viele Fehler macht, dann wird man vom Tiger gefressen. In der ganzen Zeit sind aber vor allem zwei Dinge passiert, die ich gerne vermieden hätte. Zum einen, dass wir uns auf einem sicher scheinenden größeren Investment ausgeruht haben. Wir hatten sogar schon einen Notartermin. Nachdem aber der Investor plötzlich in finanzielle Schwierigkeiten geriet, ist alles geplatzt. Das ist bitter, aber noch viel bitterer war, dass wir uns nach der ersten scheinbaren Sicherheit einfach nicht mehr um Backups bemüht hatten. Ein paar Wochen später wurden wir vom Apps-Magazin zur besten Restaurantführer-App gewählt und unser Launch in UK war ganz frisch. Die Geschichte mit dem Investor hatte uns jedoch in dieser wichtigen Phase Momentum und Zeit gekostet.

Gab es noch anderen kleine Katastrophen?
Zum anderen haben wir monatelang an einer großen Medienkooperation mit einer NGO in Deutschland gearbeitet. Das war vor unserem Deutschland-Launch. Ganz zum Schluss, nachdem wir sogar den Vertrag schon in der Tasche hatten, ist das ganze Thema trotzdem gescheitert – wegen persönlichen Befindlichkeiten für die wir gar nichts konnten. So ärgerlich das war: Wir konnten aber etwas dafür, dass wir so lange auf diese Karte gesetzt hatten. Im Nachhinein war übrigens beides eine glückliche Fügung. Es ist gut, dass beides nicht zustande kam. Insbesondere das Investment, was eine echte Krise ausgelöst hat, hat das Team auch zusammengeschweisst. Man erkennt gute Seefahrer dann, wenn die See rau ist. Unsere Crew hat sich in der Zeit als gute Seefahrer erwiesen, die einander vertrauen können, und das ist langfristig wahrscheinlich mehr Wert als ob diese eine Kapitalerhöhung klappt oder nicht.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Sich umgeben mit Ressourcen und Menschen, die mehr Erfahrung und Plan haben als man selbst. Das heißt zu Startup-Hilfen gehen, wie z. B. in unserem Fall zu Baystartup, Mentoren suchen und ganz viel Lesen. Webseiten wie Deutsche Startups, aber auch Bücher. Von Management über Marketing zu Startup-Finanzierung – es gibt so viele tolle Ressourcen. Und wenn man nicht gerade ein „Serial Entrepreneur“ ist, der schon alles weiß, gibt es viel zu lernen.

Wo steht vanilla bean in einem Jahr?
Wir haben es geschafft, uns in einem Großteil der Welt als Go-To-Guide für Veganer und Fleischreduzierer zu etablieren. Wir haben einen massiven Zuwachs an Nutzern, die noch mehr Spaß daran haben, vanilla bean zu nutzen. Wir sind noch enger und internationaler mit den NGOs vernetzt, mit denen wir aktuell arbeiten, und wir sind die Nummer 1 in dem Business, das wir vorhaben. Wir können auf einer globalen Ebene zeigen, dass unser Service eine positive Rolle spielt in der Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft.

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Foto (oben): vanilla bean

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.