Gastbeitrag

InsurTech: Die Spreu trennt sich vom Weizen

Die Vorteile der InsurTech-Jungunternehmen gegenüber den etablierten Versicherern bestehen darin, dass sie sich nicht mit überalterter IT plagen müssen und schnell am Markt sind. Doch ihnen fehlen Marktmacht und Vertrieb.
InsurTech: Die Spreu trennt sich vom Weizen
Montag, 19. Februar 2018VonTeam

Mehr und mehr Insurtechs werden Blockchain und Künstliche Intelligenz einsetzen. Der Einfluss der Technologiekonzerne auf den Versicherungsmarkt wird spürbar. Viele Impulse bei Insurtechs kommen aus Schwellenländern. Deutsche Insurtechs müssen ihr Vertriebsproblem lösen.

Die Insurtechs haben nach wie vor den Wind im Rücken, doch die Luft wird auch für sie merklich dünner. Immer häufiger hört man Marktteilnehmer, die vor einem Insurtech-Sterben warnen. Die Investitionen in Insurtechs sind allerdings noch einmal gestiegen. Ersten Berechnungen zufolge flossen weltweit knapp 1,6 Mrd. US-Dollar in den ersten drei Quartalen 2017 in Insurtechs. In den USA waren Finanzierungsrunden im dreistelligen Millionenenbereich keine Seltenheit.

Allerdings scheinen die Investorengelder schneller zu wachsen als die Kundenbasis. Das gilt für Insurtechs in Deutschland genauso wie für Startups aus Großbritannien und den USA. Die Vorteile der Jungunternehmen gegenüber den etablierten Versicherern bestehen darin, dass sie sich nicht mit überalterter IT plagen müssen und schnell am Markt sind. Doch ihnen fehlen Marktmacht und Vertrieb. Versicherungskunden sind träge und dieser Umstand macht den Insurtechs zu schaffen.

Der Aggregator Check24 ist zu einer echten Marktmacht geworden und bemüht sich jetzt darum, unabhängig von Google zu werden. Zehn Jahre hat es bei dem in der New Economy gegründeten Insurtech gedauert, bis es eine signifikante Größe erreicht hatte. Es besteht die Gefahr, dass den fremdfinanzierten jungen Insurtechs auf ihrem Weg zur Disruption die Puste ausgeht. Startups wie Clark (digitaler Versicherungsordner) und Friendsurance (Online-Makler) haben jetzt Partnerschaften mit Banken abgeschlossen, um mehr Kunden zu bekommen. Doch entscheidend wird die Fähigkeit sein, eine eigenständige Markenmacht aufzubauen.

Technologiekonzerne machen ihren Einfluss geltend

Eine bloße Stellenanzeige von Amazon in London hat gereicht, um den Versicherungsmarkt in Unruhe zu versetzen. Die chinesischen Amazon-Konkurrenten Alibaba und Tencent haben gezeigt, wie erfolgreich man im Versicherungsgeschäft agieren kann. Zhong An ist vor vier Jahren als digitaler Spezialversicherer von Paketsendungen gestartet, seit seinem Börsengang im September 2017 in Hongkong ist es zu einer beachteten Marktmacht geworden. 1,5 Mrd. US-Dollar erlöste die Alibaba-Tochter bei ihrem Börsengang, bei dem es mit mehr als 10 Mrd. US-Dollar bewertet wurde. Was macht Zhong An so interessant? Die Fähigkeit, für einen gigantischen Massenmarkt Kleinstgeschäft weitgehend automatisiert abzuwickeln, privilegierter Zugang zu der enormen Marktmacht von Alibaba und große technische Entwicklungspläne.

Der Einfluss der Technologiekonzerne auf den Versicherungsmarkt wird größer. Für Amazon liegt der Annexvertrieb von Versicherungen wie bei den chinesischen Rivalen Alibaba, Tencent und Zhong An nahe. Selber als Versicherer tätig zu werden, wäre ein Bruch mit dem bisherigen Geschäftsmodell des Online-Händlers. Im Januar hat sich Amazon allerdings an dem indischen Insurtech Startup Acko beteiligt. Das könnte ein Versuchsballon sein. Annex-Versicherungen, speziell für Technikprodukte, haben hohe Margen und das weckt Begehrden.

Blockchain und künstliche Intelligenz als Zukunftstechnologien

Zhong An investiert in drei grundlegende Technologien: Plattformen für E-Commerce, künstliche Intelligenz und Blockchain. Viele kleinere Insurtechs machen sich diese Technologien zu Nutze oder entwickeln daraus Lösungen für Versicherer. Das US-Startup Shift Technology nutzt künstliche Intelligenz und Big Data zur Betrugsprävention, das Londoner Insurtech Cytora setzt künstliche Intelligenz für das Underwriting im großindustriellen Geschäft ein.

Es tauchen die ersten Insurtechs auf, die Blockchain einsetzen. Das russische Insurtech Teambrella (Tierversicherungen in Schwellenländern) und das von früheren Mitarbeitern des slowenischen Kernsystemanbieters Adacta gegründete Insurpal nutzen beide Blockchain. Zhong An entwickelt auf Blockchain-Basis und mit Gesichtserkennung eine Lösung, die es erlaubt, den Lebenszyklus von Hühnern nachzuverfolgen. Beim Kauf eines Bio-Hühnchens soll der Kunde auf diese Weise die Haltung und die Nahrungsaufnahme des Tiers nachverfolgen können. Das könnte zu einer disruptiven Veränderung des Kaufverhaltens führen und könnte auch die konventionelle Massentierhaltung radikal verändern.

Es werden mehr und mehr Insurtechs mit Blockchain und KI-Lösungen Versicherer unterstützen. Der Wandel weg vom Herausforderer hin zum Partner der Versicherer wird sich fortsetzen. Die Art der Kooperation kann vielfältig sein. Das Instrument der Rückversicherung wird populärer. Das Insurtech behält dadurch gegenüber den Kunden und dem Markt seine Unabhängigkeit und gewinnt durch die Quotenabgabe gleichzeitig erhebliche Erleichterungen in der Solvenz. Munich Re (Trov) und Axa (Oskar) setzen dies zur Bindung bereits ein.

Starke Impulse auf den Insurtech-Markt werden von den Schwellenländern ausgehen. In Indien sind die ersten Policen mit Blockchain-Technologie lanciert worden, der schwedische Mikroversicherer Bima wird mit finanzieller Unterstützung der Allianz vor allem in Afrika und Lateinamerika seine Aktivitäten ausbauen können. Bima entwickelt technologiebasierte Mikroversicherungen in Schwellenländern. Weil die Infrastruktur im Bank- und Versicherungssektor in diesen Ländern schwach und teuer ist, fallen neue technik-getriebene Lösungen dort auf besonders fruchtbaren Boden. Das niedrige Durchschnittsalter der Bevölkerung erleichtert die Akzeptanz der neuen Lösungen in diesen Ländern erheblich.

Zur Autorin
Justyna Mekler ist Senior Consultant bei Sollers Consulting in Köln.

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Foto (oben): Shutterstock