Gastbeitrag

Was Startups wirklich von Konzernen lernen können

Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen sind Startups regelmäßig mit der Herausforderung konfrontiert, neue Investoren zu gewinnen. Und wieder im Gegensatz zu großen Unternehmen, ist dies in der Regel Aufgabe der obersten Geschäftsführung selbst.
Was Startups wirklich von Konzernen lernen können
Freitag, 2. Februar 2018VonTeam

Lang etablierte Spitzenunternehmen mögen manchmal neidisch auf die Agilität der Start-ups blicken, haben aber selbst für viele der brennenden Probleme junger Unternehmen seit langem erfolgreiche Lösungen gefunden. Hier sind die Top Best Practices für durchstartende Unternehmen aus dem Werkzeugkoffer der „Old Economy“.

1. Definiert flexible Strukturen!
Nach den wilden Anfangszeiten eines Start-ups, in denen jeder weiß, was der andere tut und alle miteinander um schnelle Lösungen ringen, wird dem Management im wachsenden Unternehmen zunehmend die Bedeutung definierter und auch dokumentierter Prozesse und Organisationsstrukturen klar. Die Aufgaben, Systeme und Produkte werden zu komplex und die Anzahl der Beteiligten zu groß, als dass das in den Anfangszeiten so effiziente informelle Management, weiter erfolgreich sein kann. Für das wachsende Unternehmen bedeutet dies einen notwendigen Kulturwandel.

Definierte Strukturen sind notwendige Voraussetzung für Effizienz, tragen aber das Risiko in sich unflexibel zu sein, und bei geänderten Rahmenbedingungen zu veralten. Die Herausforderung liegt darin, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die helfen die Kräfte zu fokussieren aber gleichzeitig flexibel genug sind, um der wachsenden Komplexität und Dynamik gerecht zu werden. Das fordert Erfahrung und viel Fingerspitzengefühl. Dies gilt gleichermaßen für die Wertschöpfungsprozesse, wie auch für das Governance-Modell, das sicher stellen muss, dass alle wesentlichen Player und Informationen in den Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.

Konkret hilft das Verständnis, dass das Ziel einer Prozessdefinition immer die gemeinsame und kontinuierliche Diskussion und nicht eine fertige „Prozesstapete“ ist, die meist ohnehin ungelesen in einer digitalen Schublade verschwindet. Zweckdienlich sind insbesondere Visualisierungen, die zur Fokussierung der Kommunikation dienen und z.B. an prominenter Stelle im Büro aufgehängt werden können. Ausführlichere Prozessdokumentationen sollten am besten mit Hilfe geeigneter Software als Workflow programmiert werden.

2. Denkt an eure Mitarbeiter!
Etablierte Unternehmen wissen, in welchem Maße Ihr Erfolg am Wissen und der Motivation ihrer Mitarbeiter hängt. Ein professionelles HR-Management besteht daher zuvorderst darin, die eigenen Mitarbeiter als Stakeholder nicht zu vergessen. Warum arbeiten welche Mitarbeiter für das Unternehmen? Wie werden Nachrichten und Signale von den eigenen Mitarbeitern verstanden? Ist das Management in seiner Kommunikation gegenüber den eigenen Mitarbeitern konsequent und führt es durch Vorbild?

Wachsende Unternehmen unterliegen einer enormen sozialen Dynamik. Es werden mehr Mitarbeiter mit anderen,vor allem spezialisierteren, Kompetenzen gebraucht. Die erste Generation Mitarbeiter ist noch sehr unternehmerisch geprägt, eventuell sogar tatsächlich am Unternehmen beteiligt. Die enge Zusammenarbeit führt oft dazu, dass es in den ersten Jahren keinerlei Fluktuation gibt. Daher wird das Management häufig von der nun plötzlich einsetzenden Fluktuation überrascht. Der Weggang erster Mitarbeiter führt auch zu einer Dynamik, die weitere Kündigungen von Mitarbeitern nach sich zieht, die sich im gewandelten Unternehmen nicht mehr heimisch fühlen oder schlicht einen persönlichen Wandel wünschen.

Verständlich, aber vollkommen falsch ist die Reaktion des Managements, die immer häufiger werdenden Kündigungen als „völlig normal“ und damit unabwendbar abzutun. Professionelles HR-Management hat nicht nur das Recruiting neuer Mitarbeiter zum Ziel, sondern vor allem auch, bestehende Mitarbeiter zu halten. Dabei sind die Kosten zu hoher Fluktuation nicht zu überschätzen.

3. Vergessen Sie nicht Ihren Kunden und Ihr Produkt!
Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen, die Ihre Investitionen und Liquidität aus Gewinnen und laufenden Einnahmen finanzieren können, sind Start-ups regelmäßig mit der Herausforderung konfrontiert, neue Investoren zu gewinnen. Und wieder im Gegensatz zu großen Unternehmen, ist dies in der Regel Aufgabe der obersten Geschäftsführung selbst.

Eine gesicherte Finanzierung ist selbstredend eine notwendige Bedingung für Betrieb und Wachstum des Unternehmens. Hier ist nur eine Warnung angebracht, das richtige Maß zu wahren. Allzu häufig bindet die Suche nach neuen Kapitalgebern massiv die Zeit und Energie des Top-Managements, die damit automatisch weniger Zeit für ihr Geschäftsmodell, Produkt und ihre Kunden haben. An diesem Punkt der Entwicklung lohnt es sich definitiv, in externe Unterstützung zu investieren, um interne Ressourcen zu sparen und einen externen Blick und Erfahrung einzubringen.

4. Es geht auch um Spaß!
Selbst erfolgreiche Startups müssen sich im Laufe der Jahre von vielen ihrer kühnen Träume verabschieden. Das abenteuerliche Neue muss immer öfter einer effizienten Routine weichen. Die zu Beginn so unverzichtbaren Querdenker werden zunehmend durch „Prozessmenschen“ ersetzt. Das alles ist unvermeidlich. Das resultierende Gefühl, das ein Unternehmen hierdurch an Farbe und Attraktivität verliert, ist aber zum Teil vermeidbar.

Ein langfristig erfolgreiches Unternehmen zu führen, ist ein Dauerlauf und kein Sprint. Erfahrene Mitarbeiter verlieren zunehmend die Lust an Ad-Hoc-Feuerwehreinsätzen und oft vermeidbaren Nachtschichten. Auch weil mit zunehmendem Alter, Prioritäten wie Familie oder Gesundheit, neben den Einsatz für das Unternehmen treten.

Das Management tut daher gut daran, gerade den engagierten Mitarbeitern zu signalisieren, „Fünfe auch einmal gerade sein zu lassen“. Es geht darum eine Arbeitskultur zu entwickeln, in der Mitarbeiter nicht „um 17 Uhr den Stift fallen lassen“, aber auch keine unnötigen Überstunden schieben. Es geht darum, einen guten Job in einem guten Team zu machen, auch wenn man vielleicht dabei einmal nicht die Welt rettet. Denn Morgen ist auch ein Tag und es sollte ein guter werden.

Zum Autor
Jonas Burkard wirkt bei enable2grow, einer Unternehmensberatung für digitales Wachstum in Deutschland. In über 10 Jahren in der Managementberatung sammelte Burkard Erfahrung in zahlreichen Projekten, zuletzt primär in Projektleitungsfunktion. Dabei reicht das Spektrum der von ihm beratenen Unternehmen von großen internationalen Konzernen bis hin zu kleinen Start-ups. Inhaltliche Schwerpunkte bilden Strategieentwicklung, Reorganisationen sowie die Optimierung von Prozessen und unterstützender IT-Systeme. Dies vornehmlich im Internetsektor, im Bereich der Digital Transformation etablierter Player aus verschiedenen Branchen sowie in der Energiewirtschaft in deutschem und internationalem Umfeld.

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Foto (oben): Shutterstock