Romy Schnelle im VC-Interview
“Du darfst den Respekt vor den Summen nie verlieren”
Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) ist ohne Zweifel “Deutschlands aktivster und größter Frühphaseninvestor”. Mit dem dritten Fonds peilt der langjährige Geldgeber 300 Millionen Euro an. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Romy Schnelle, Investment Director und Prokurist beim HTGF, über werthaltige Unternehmen, finanzielle Erfolge und alternativen Wege.
Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Als führender Seedfonds in Europa sind wir ja immer ganz früh dran, häufig der erste institutionelle Investor in einem Start-up, eine Phase, in der die Metriken, die das Geschäft treiben, häufig nur zu erahnen sind. Meine Motivation ist es, große, werthaltige Unternehmen zu entwickeln, Tipps zu geben, aber auch zu lernen, welche Produkte mit welchen Strategien erfolgreich werden. Dabei sehe ich mich als mitdenkender und unterstützender Partner.
Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Ich kam aus meinem eigenen Tech Start-up, welches ich gemeinsam mit Fraunhofer und Prof. Brandenburg, mp3-Erfinder, gegründet hatte und im Rahmen des Unternehmensaufbaus VC-Gelder akquiriert hatte. Und schon hatte ich Blut geleckt, wollte meine Start-up-Erfahrung teilen und aber auch lernen, wie erfolgreiches VC geht.
In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Du darfst den Respekt vor den Summen nie verlieren. Ich setze die Beträge immer in Relation mit den Dingen, die das Unternehmen mit dem Geld erreichen will. Kapitaleffiziente Unternehmensentwicklung ist hier das Stichwort. Besonders befriedigend ist es für mich, wenn die Produkte in der Breite Anwendung finden und wenn sich eine Technologie wie etwa mp3 durchsetzt. Der für den Fonds finanzielle Erfolg stellt sich dann automatisch ein. Hierbei gilt der Portfolioansatz. Ich habe hier in den letzten Jahren die HTGF-Anteile bei sechs Unternehmen erfolgreich verkauft. Ich bin sozusagen “im Geld” und habe noch neun eigene sehr potenzialreiche Unternehmen in meinem Portfolio. Der HTGF in Summe ist mit 75 Exits und sehr erfolgreich unterwegs, davon alleine bis Mai 2017 sechs sehr gute Exits.
Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Wir sind Deutschlands aktivster und größter Seedfonds. In 12 Jahren haben wir 460 Tech Start-Ups finanziert. 1,4 Milliarde Euro Anschlussfinanzierungsvolumen von Dritten ist in über 1.000 Transaktionen in das HTGF-Portfolio geflossen. Wir haben bisher 75 Exits gemacht, das sind mehr, als andere Investoren Unternehmen finanziert haben. 43 Gründer sind echte Millionäre geworden, 108 Gründer sind aktuell “Papiermillionäre”. Daraus generiert sich in Deutschland, wahrscheinlich in Europa, ein einmaliger “Wissensspeicher”. Wir starten mit dem HTGF III im Herbst 2017 operativ. Das Interesse der deutschen Wirtschaft ist ungebrochen, wir erwarten 30 private Investoren im HTGF III. Die passionierten Gründer sollen wissen, dass wir die Investmentvolumina je finanziertes Unternehmen von 2 auf 3 Millionen Euro in Summe erhöhen. Darüber hinaus öffnen wir die Seedphase zu Pre-Series A, das bedeutet, dass die Unternehmen, in die wir investieren, bis zu drei Jahre alt sein können. Unverändert wird ein erfahrenes und komplementäres Investment Team in einem Portfoliomix aus Biotech, Sensorik, Robotik, Digital Applications und Infrastructure etc. investieren. Dabei agieren wir als Leadinvestor. Wir trauen uns auch an dicke Bretter heran. Wir versuchen wirklich zu verstehen. Wir sind ein vertrauensvoller und professioneller Partner.
Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
In der Seedphase ist die Datenbasis naturgemäß nicht vergleichbar wie bei Series A-, B- oder C-Runden. Dazu kommt unser breiter Investitionsfokus. 30 Investment-Professionals schauen Themen rund um Artificial Intelligence genauso neugierig an wie Prozessoptimierungsthemen in der Logistik. Dabei analysiert der Biologe natürlich die Chancen für einen neuen Wirkstoff, und der Physiker schaut sich zum Beispiel eine neuartige Batterie an und nicht umgekehrt. Aufgrund unseres sehr hohen Dealflows und unserer Leadrolle ist es entscheidend, den Entscheidungs-Muskel zu trainieren. Wir fragen uns: Wird ein wirkliches Problem gelöst? Welche alternativen Wege der Problemlösung gibt es? Was ist die Value Proposition und wie kann sie geschützt und verteidigt werden?
Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Einerseits informell über die 30 Investment-Manager. Anderseits wird der Austausch strukturiert über unser Relationship Management, die eine Plattform zum Austausch entwickelt haben und stetig erweitern und unsere drei großen Veranstaltungsformate organisieren. Die High-Partnering Conference, die Start-ups und Industrie gezielt zusammenbringt. Den Family Day, der die Start-ups mit den Investoren vernetzt. Den Private Investors Circle, der vermögende unternehmerische Privatinvestoren und Family Offices mit einer Auswahl unseres Portfolios vernetzt. Diese Kreis an Personen ist sonst auf keiner Veranstaltung und wir bieten hier einen exklusiven Zugang für beide Seiten. Darüber hinaus bieten wir themenspezifische Workshops an unterschiedlichen Orten in Deutschland an.
Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Schieflagen gehören auch zu unserem Geschäft. Sie früh zu erkennen, offen zu adressieren und auch mal unbequeme Wege gehen sind wesentliche Kompetenzen eines Investment Professionals. Mal abgesehen von elementaren Dingen wie: Funktioniert die Technologie ist maßgeblich für das Überwinden einer Krise die Zusammenarbeit im Gesellschafterkreis mit den Gründern. Auch wenn es anfangs sehr schwer ist, nicht jede Schieflage kann ins Positive gedreht werden. Wir haben in 470 Unternehmen investiert, 260 haben wir aktuell aktiv im Investment-Management, 75 Exits gemacht und die Differenz war naturgemäß nicht so recht erfolgreich.
Wie spricht man als Gründer am besten einen Investor an?
Aus Gründersicht ist es immer besser einen warmen Lead zu einem Investor zu bekommen, als ihn kalt über Email oder Telefon anzusprechen. Wir stellen jedoch sicher, dass unabhängig vom Approach, jedes Gründungsthema qualifiziert „bearbeitet“ wird und ordentlich Feedback bekommt.
Was sollten Gründer vor Investoren niemals sagen oder machen?
Das sie parallel noch an anderen drei Start-up-Ideen arbeiten und schauen dann, welche am besten funktioniert. Wir wünschen uns volles Commitment. Oder dass der Gründer zur Überbrückung – bis er den Zuschlag für einen MBA oder einen Juniorprofessur bekommt – ein bisschen sein Start-up entwickelt und dafür gerne Funding hätte.
Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Das ist meist die Kumulierung verschiedener Aspekte: Streit im Gründerteam gepaart mit Streit im Gesellschafterkreis
Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Streetscooter, Thermondo, Stylight.
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