Lucian Schönefelder im Interview

“Unternehmerische Freiheit ist extrem wichtig”

"Wir prüfen jede Investitionsentscheidung sehr sorgfältig und schauen uns die Unternehmen genau an, in die wir investieren. Ein Top-Produkt mit klarem Kundennutzen ist Grundvoraussetzung, ebenso wie ein großer Markt und klare Wettbewerbsvorteile", sagt Lucian Schönefelder von KKR.
“Unternehmerische Freiheit ist extrem wichtig”
Montag, 29. Mai 2017VonAlexander Hüsing

In den vergangenen Monaten und Jahren investierte die Beteiligungsgesellschaft KKR in Unternehmen wie arago, Clicktale, GetYourGuide, Ivalua, Trainline und Fotolia. Geld ist bei KKR dabei reichlich vorhanden. Im KKR Next Generation Technology Growth Fund (NGT) sind imposante 711 Millionen US-Dollar. Der Fonds ist für Growth Equity-Investitionen im Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation in Nordamerika, Europa und Israel bestimmt. Im Growth Equity-Interview mit deutsche-startups.de spricht Lucian Schönefelder, der das Growth Equity-Geschäft von KKR in Europa leitet, über Wertschöpfungspotenziale, bedingungslose Grundvoraussetzungen und Flexibilität.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Mit unseren Wachstumsinvestitionen helfen wir dabei, das Potenzial neuer Technologien freizusetzen. Wir können mit unserem Investment innovativen Unternehmen zum Durchbruch verhelfen – eine sehr verantwortungsvolle und dabei außerordentlich spannende Aufgabe. Unsere Arbeit geht dabei jedoch weit über das finanzielle Investment hinaus. Wir unterstützen das Management der Portfoliounternehmen gerade auch operativ dabei, das Wertschöpfungspotenzial zu realisieren. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass wir bei der globalen Expansionsstrategie oder wichtigen Personalentscheidungen unterstützen.

Wie wird man eigentlich Wachstumskapitalgeber – wie bist Du Wachstumskapitalgeber geworden?
Generell finde ich es wichtig, dass man für das, was man tut, Engagement und Leidenschaft aufbringt. Und diese Leidenschaft habe ich, wenn es darum geht, erfolgreiche Unternehmen bei ihrer Entwicklung zu unterstützen. Es gibt natürlich nicht nur einen Weg in die Private Equity- oder die Growth Equity-Branche. Wie viele meiner Kollegen habe ich zwei Jahre bei einer Top-Investmentbank gearbeitet, und bin dann zügig zu KKR gewechselt. Top-Beratungen oder aber auch Eigengründungen bieten ebenfalls eine gute Ausgangsbasis für einen Einstieg in unsere Industrie

In der Venture Capital- und Private Equity-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Das Vertrauen, das uns die Investoren entgegenbringen, bringt natürlich eine große Verantwortung mit sich. Momentan verwaltet KKR Anlagen im Wert von etwa 130 Milliarden US-Dollar. Daher wird jede Investitionsentscheidung von den Teams sehr sorgfältig geprüft. Wir führen eine gründliche Due Diligence durch, bevor wir in ein Unternehmen investieren. Und mit der gleichen Sorgfalt begleiten wir die Unternehmen dann auch fortlaufend weiter. Unser 100%iges Commitment bei jeder Investition ist bedingungslose Grundvoraussetzung.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als Wachstumskapitalgeber – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Unseren Ansatz im Bereich Wachstumskapital, bzw. Growth Equity, konnten wir bereits bei unseren Investitionen in GetYourGuide, Darktrace, Ivalua, arago, Clicktale oder Optimal+ zeigen: Unser Fokus liegt auf B2B-Software-Unternehmen und Online-Marktplätzen. Dabei sind insbesondere die Themen Automatisierung, Cyber Security und B2B Data Analytics unsere Schwerpunkte. Wir investieren typischerweise zwischen 25 bis 100 Millionen Euro in die Unternehmen, und der Umsatz unserer Zielunternehmen liegt bei mindestens 15 Millionen Euro – allerdings meist darüber. Viele der Firmen, in die wir investieren, sind zum Zeitpunkt unseres Einstiegs zwar noch nicht profitabel, befinden sich jedoch auf einem klaren Weg in Richtung Profitabilität innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre. Growth Equity grenzt sich von Venture Capital-Unternehmen dadurch ab, dass unsere Zielunternehmen sehr erfolgreiche und am Markt bereits etablierte Produkte haben müssen, die es nun hochzuskalieren gilt. Im VC-Bereich sind Produkte hingegen oft noch nicht am Markt etabliert und weisen einen viel geringeren Umsatz aus. Im Vergleich zu traditionellen Private Equity-Beteiligungen hingegen sind die Wachstumsfirmen, in die wir als Growth Equity-Unternehmen investieren, oft noch nicht profitabel, weisen aber ein deutlich höheres Wachstum aus.

Welche Unterstützung bietet Ihr neben Geld?
KKR bietet vielversprechenden Unternehmen nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch unternehmerisches Kapital und Zugang zu KKRs globalem Netzwerk, das Berater, Technologieexperten sowie über 120 Portfoliounternehmen umfasst. Insbesondere die tiefe Verzahnung mit unseren lokalen Teams und Netzwerken in den USA und Asien ist extrem wertvoll für Unternehmer, die international expandieren wollen. arago, ein Pionier der Künstlichen Intelligenz, konnten wir so beispielsweise dabei unterstützen, den US-Markt zu erschließen und das Wachstum zu beschleunigen. Oder nehmen wir Scout24 Schweiz. Dort haben wir nicht nur mit unserer umfassenden Expertise bei Themen wie SEO-, SEM- und Conversion-Optimierung unterstützt, sondern mit Bob Bellack, dem Mitbegründer von Cars.com, zudem einen ausgewiesenen internationalen Branchenspezialisten in den Verwaltungsrat der Scout24 Schweiz AG eingebracht.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein junges Unternehmen investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Wir prüfen jede Investitionsentscheidung sehr sorgfältig und schauen uns die Unternehmen genau an, in die wir investieren. Ein etabliertes Top-Produkt mit klarem Kundennutzen ist Grundvoraussetzung, ebenso wie ein großer adressierbarer Markt und klare Wettbewerbsvorteile. Diese Kriterien sollten sich in einem entsprechend starken und dabei nachhaltigen Wachstum niederschlagen. Der Mindestumsatz unserer Zielunternehmen liegt bei 15 Millionen Euro. Bei all dem ist ein erstklassiges Team entscheidend, dem wir die Skalierung des Geschäfts voll zutrauen.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Grundsätzlich ist es sehr sinnvoll, eine klare Orientierung darüber zu haben, was man gemeinsam erreichen möchte und wofür man sich gemeinsam einsetzt. Dabei sollte jedoch ausreichend Spielraum für gesunde Dynamik gegeben sein. Businesspläne sind selten in Stein gemeißelt, etwa können angesichts veränderterer Rahmenbedingungen wie neuer Produkte oder neuer Märkte neue Chancen entstehen, die wiederum auch Anpassungen am Businessplan erforderlich machen. Oft entwickeln sich dabei Ansatzpunkte, die ursprünglich kein Thema waren. Eine entsprechende Flexibilität und unternehmerische Freiheit sind somit extrem wichtig.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Wir haben in den meisten Fällen monatliche Update-Gespräche mit unseren Portfoliofirmen. Zudem unterstützen wir das Management oft bei konkreten Projekten, wie der Rekrutierung, Online-Marketing-Optimierung oder der Budget-Erstellung. Oft ziehen wir hierzu Top-Experten aus unserem internationalen Netzwerk oder von KKR Capstone heran.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Als Growth Equity Unternehmen investieren wir explizit nicht in Start-ups, sondern in etablierte Unternehmen mit sehr erfolgreichen, etablierten Produkten und starkem Umsatzprofil. Daher ist das Ausfallrisiko bei unseren Beteiligungen auch viel geringer als im VC-Bereich. Wir achten dabei, wo immer möglich, auch auf eine strukturelle Begrenzung des Verlustrisikos. Davon abgesehen ist es natürlich gerade auch in schwierigen Situationen essentiell, dass wir uneingeschränkt füreinander da sind – das heißt, dass wir sehr eng mit den jeweiligen Teams zusammen arbeiten, ihnen den Rücken stärken, und einander bestmöglich helfen. Gute Partner zeichnen sich gerade in herausfordernden Zeiten aus.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Vor allem in den USA haben wir einige der früheren Unicorn-Runden vor ein paar Jahren gemieden. Damals hatten wir zwar noch keinen expliziten Growth Fund, aber auch heute fahren wir keine Momentum Investing-Strategie, bei der man auf immer höhere Bewertungsrunden aufgrund eines günstigen Kapitalmarktklimas hofft. Vielmehr wollen wir in fundamental starke Unternehmen investieren, bei denen KKR einen operativen Mehrwert leisten kann.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.