Ein Tinder für Konferenzen

Hidence sagt langweiligem Small-Talk den Kampf an

"Bereits vor der Fertigstellung der App haben wir mit einigen Konferenzveranstaltern Gespräche geführt und konnten diese für den Einsatz gewinnen. Wir gehen mit dem Roll-out ganz bewusst sehr behutsam vor, um zunächst einmal soviel Nutzerfeedback wie möglich zu sammeln", sagt Alexander Braun von Hidence.
Hidence sagt langweiligem Small-Talk den Kampf an
Dienstag, 24. Mai 2016VonAlexander Hüsing

Auf Konferenzen ist das größte Problem meist, spannende Gesprächspartner zu identifizieren. Alexander Braun, der schon quillp und semantopic gründete, und Agnieszka M. Walorska, einst die achte Mitarbeiterin bei studiVZ und Autorin von Fachpublikationen, wollen dies ändern. “Als Keynote-Speaker auf internationalen Konferenzen kennen wir das Problem aus erster Hand und sind damit die ersten Nutzer der App”, sagt Mitgründer Braun. Ihre Idee hört auf den Namen Hidence.

Die App will Nutzer unter anderen nach gemeinsamen Kontakte, der Begeisterung für Architektur oder nach gemeinsamen Interessen vorschlagen. Für die Nutzer soll die Anwendung gratis sein. “Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von Bereichen, die gerade aus Veranstalterperspektive mit einer Zahlungsbereitschaft verbunden sind. Gleiches gilt für einzelne Features aus Nutzerperspektive auch im kommerziellen Einsatz”, führt Braun aus.

“Tinder für Konferenzen”

Im Mini-Interview mit deutsche-startups.de spricht Hidence-Mitgründer Braun über katastrophale Benutzererlebnisse, langweiligen Small-Talk und Walled-Gardens.

Welches Problem wollen Sie mit Hidence lösen?
Konferenzen und Events sind unpersönlich: obwohl jede Menge spannender Teilnehmer vor Ort sind, ist das Kennenlernen derzeit noch komplett dem Zufall überlassen. Hidence löst dies, indem einem die relevantesten Teilnehmer vorgeschlagen werden: ein gemeinsames Interesse an Künstlicher Intelligenz, Besuch der gleichen Universität, ein gemeinsamer Arbeitgeber, gemeinsame Freunde und Kontakte ebenso wie Begeisterung für Triathlon oder Architektur – all dies sieht man in den nach Relevanz sortierten Teilnehmern auf einen Blick. Man kann ohne den langweiligen Small-Talk mit einer Fülle an Conversation-Startern direkt Kontakt aufnehmen.

Jede Woche entstehen dutzende neue Start-ups, warum wird ausgerechnet Hidence ein Erfolg?
Während die meisten online bereits ein breites Spektrum an Informationen über sich verfügbar machen, die den Aufbau von Relevanz und Anknüpfungspunkten zu anderen Personen ermöglichen, ist dies Offline noch nicht möglich. Diese Grenze zwischen Online und Offline verschwindet zunehmend: Mit Smartphones gibt es schon heute kein Offline mehr und Technologie wird immer mehr mit dem realen Raum verschmelzen. Es wird daher schon bald anachronistisch sein, die verfügbaren Informationen nicht auf Wunsch gezielt zum Aufbau von Relevanz zu anderen Personen im realen Raum und der Identifikation von Anknüpfungspunkten verwenden zu können. Hidence ermöglicht dies erstmalig. Konferenzen sind eine riesige Industrie. Technologisch steckt diese Industrie jedoch noch in den Kinderschuhen: Die Existenzberechtigung von im physischen Raum stattfindenden Veranstaltungen ist das Kennenlernen und der Austausch mit spannenden Teilnehmern; dies wird derzeit noch komplett dem Zufall überlassen. Dieses Problem wird auch von existierenden Konferenz-Apps nicht gelöst, in denen der soziale Aspekt einer Konferenz – Zugang zu anderen Teilnehmern – noch in der Zeit des Telefonbuchs steckengeblieben ist: ein alphabetisch sortiertes Verzeichnis, das keinerlei Anknüpfungspunkte und Relevanzaufbau ermöglicht und somit keinerlei Hilfe beim Kennenlernen darstellt. Zudem ist für jede Konferenz eine separate App zu installieren, was ein katastrophales Benutzererlebnis ist. Hidence löst dieses Problem quasi als Tinder für Konferenzen und kann auf jeder Konferenz ohne Neuinstallation verwendet werden.

Wer sind Ihre Konkurrenten?
Der größte Player im Markt von Konferenz-Apps ist sicherlich DoubleDutch, die zuletzt 45 Millionen Dollar einsammelten. Weitere Player sind CrowdCompass, EventBase und andere. Die existierenden Apps versuchen alles für alle zu sein: Vom Konferenzprogramm über Raumplan, Abstimmungsfunktionalitäten, Newsfeeds bis hin zu Leaderboards und Badges möchten sie alles Erdenkliche abbilden. Dies führt zu einer kognitiven Überlastung der Nutzer mit Features, die er nicht benötigt. Wir wissen, dass ein glasklarer Fokus entscheidend ist und reduzieren die Komplexität durch die Konzentration auf die Lösung des größten Problems: die Identifikation und das Kennenlernen der relevantesten Teilnehmer. Nicht mehr und nicht weniger. Der soziale Aspekt des Relevanzaufbaus zwischen Teilnehmern ist bei den existierenden Playern im Zeitalter des Telefonbuchs mit alphabetischer Sortierung ohne konkrete Vorschläge und Anknüpfungspunkte hängengeblieben. Das Kernproblem der Teilnehmer wird damit nicht gelöst. All diese Apps sind White-Label-Lösungen: für jede Konferenz sollen sich Teilnehmer eine eigene App installieren. Wir glauben nicht, dass dieses Benutzererlebnis eine Zukunft hat – von den sehr limitierten Netzwerkeffekten solch winziger Walled-Gardens von der Größe eines jeden Events in diesem fragmentierten Markt einmal ganz abgesehen.

Wo steht ihr Start-up Hidence ?
Bereits vor der Fertigstellung der App haben wir mit einigen Konferenzveranstaltern Gespräche geführt und konnten diese für den Einsatz gewinnen. Ende Mai kommt Hidence auf der ersten Konferenz zum Einsatz. Wir gehen mit dem Roll-out ganz bewusst sehr behutsam vor, um zunächst einmal soviel Nutzerfeedback wie möglich zu sammeln und die App zu optimieren. Daher halten wir die Anzahl der Konferenzen zunächst bewusst klein und planen erst im Sommer/Herbst einen Einsatz auf einer größeren Konferenz. In einem Jahr werden wir Hidence auf einem breiten Spektrum von Konferenzen eingesetzt und basierend auf Nutzerfeedback weiterentwickelt haben. Nutzer werden sich kaum noch erinnern können, wie gering der Mehrwert von Konferenzen ohne Hidence war.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.