Bernd Storm im Interview

“In Berlin wird viel geredet, in München sofort angepackt”

"39 % der Gründungen stammen aus Berlin, 8 % aus München. Das kann auch ein Vorteil sein, denn Aufmerksamkeit und Gehör für sein Start-up zu schaffen ist in München dadurch etwas einfacher", sagt Bernd Storm von aboalarm. "Hier geht man nicht in der Masse unter und wird ernster genommen".
“In Berlin wird viel geredet, in München sofort angepackt”
Freitag, 25. September 2015VonAlexander Hüsing

Die bayerische Hauptstadt ist immer eine Reise wert – auch für alle, die sich für Start-ups interessieren – hier entlang zu unserem Themenschwerpunkt München. In München gibt es nicht nur eine lebendige Gründerszene, die sich gerne untereinander austauscht, sondern auch viele bekannte und große Start-ups – siehe auch unseren Start-up-Lotsen für München. “München ist das Eldorado für Start-ups“, schrieb Garan Goodman, Managing Director Wayra Deutschland, kürzlich sogar. Wir reden heute mit Bernd Storm, Gründer von aboalarm, über München.

Reden wir über München. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für München als Start-up-Standort?
Ich bin absolut kein Freund von Städteneid: Jede Stadt und Region braucht ihre eigene Gründerszene, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Was mir jedoch manchmal auffällt: In Berlin wird viel geredet, in München sofort angepackt.

Warum ist dies so?
Dadurch, dass Mieten, Gehälter etc. in München im Schnitt deutlich höher sind, sind Ideen hier oft ernsthafter und Unternehmer scheitern schneller. Entrepreneure schauen genauer auf funktionierende Geschäftsmodelle und solide Zahlen – einen Ansatz den ich als Mitgründer eines komplett eigenfinanzierten Start-ups richtig und wichtig finde. Ein weiterer Standortvorteil: München mag zwar teurer sein, bietet aber eine unglaubliche Infrastruktur aus Absolventen von Top-Universitäten sowie sieben von 30 Dax-Unternehmen vor Ort und Mittelständlern als Partner. Zum Beispiel bietet die zunehmende Digitalisierung der hiesigen Autoindustrie große Chancen für Start-ups.

Was macht den besonderen Reiz der Startup-Szene in München aus?
Der Dresscode von Lederhosen und Dirndl. Scherz beiseite: Eine starke Vernetzung der Start-ups untereinander sowie mit der alteingesessenen Industrie vor Ort. Mit dem Start-up-Event Bits&Pretzels haben wir in München einen Treffpunkt, an dem Münchner Gründer alle Münchner aus der Szene, die sie sonst nur in Berlin treffen, sehen. Und natürlich ist die Bits&Pretzels einfach anders als Events in Berlin oder San Francisco: Wo kann man sonst schon internationale Speaker bei Weißwurst und Bier auf dem Oktoberfest treffen?

Was ist in München einfacher als in Berlin – und umgekehrt?
Allein bei der Anzahl der Gründungen ist Berlin der Bayern-Metropole immer noch um einiges voraus: 39 % der Gründungen stammen aus Berlin, 8 % aus München. Das kann auch ein Vorteil sein, denn Aufmerksamkeit und Gehör für sein Start-up zu schaffen ist in München dadurch etwas einfacher. Hier geht man nicht in der Masse unter und wird ernster genommen. Auch die Wohnraumsituation in München macht kreativ, denn es braucht hier keine großen Flächen für Start-ups, es geht auch schlank. Das Wichtigste jedoch: Mit der hier angesiedelten Industrie haben viele Start-ups potenzielle Großkunden direkt vor der Haustür.

Und was spricht für Berlin?
Berlin ist vielleicht immer noch etwas kreativer oder profitiert zumindest von diesem Ruf: Wer etwas im Design-Bereich starten will, ist mit der Hauptstadt sicherlich gut beraten. Und als Gründer kann man in Berlin immer noch um einiges günstiger leben, wohingegen es in München durch die hohen Lebenshaltungskosten erheblich schwerer ist Personal zu er- und halten. Scheitern ist in Berlin häufiger und einfacher: Hier gibt es eine Kultur der zweiten Chance, allein durch die große Masse an Start-ups, kommt man immer irgendwo unter.

Was fehlt in München noch?
In München herrscht aufgrund der vielen ansässigen Dax-Konzerne und der Politik ein konservatives Umfeld. Vor allem junge Absolventen zieht es bevorzugt in die etablierten Unternehmen, bevor sie überhaupt ans Gründen denken. In Berlin ist Gründen ein gesetztes Thema, dagegen fängt es in München erst jetzt wieder an eine Rolle zu spielen.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.