S. Junglas von MeinUnternehmensfilm

“Das Startkapital war noch von meiner Kommunion übrig”

Jeden Freitag beantwortet ein Gründer oder eine Gründerin unseren standardisierten Fragebogen. Der Fragenkatalog lebt von der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Fragen, die alle Gründerinnen und Gründer beantworten müssen – diesmal antwortet Sven Junglas von MeinUnternehmensfilm.
“Das Startkapital war noch von meiner Kommunion übrig”
Freitag, 17. April 2015VonChristina Cassala

Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Ich denke, da unterscheide ich mich nicht von anderen: Für mich bedeutet es vor allem Freiheit. Wenn ich eine Idee habe, kann ich diese eigenverantwortlich und unmittelbar realisieren.

So kann man sich seine ganz eigenen Grenzen setzen, und das genau so wie man es selbst für sinnvoll hält. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist, dass man sich die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, aussuchen kann. Denn ein perfektes Team ist alles, und dieses zu formen die höchste Priorität. Dadurch arbeite ich ausschließlich mit, sagen wir mal, Gleichgesinnten zusammen, die Gas geben und eine gewisse Leidenschaft an den Tag legen.

Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Während meines Medien- Studiums in Mannheim erkannte ich das Potenzial, das in kleinen Filmproduktionen steckt. Allein durch den technischen Fortschritt kann man für kleines Geld Filme in einer brillanten Qualität produzieren. Wenn man dann noch mehr als eine 0815-Idee für das Drehbuch hat – perfekt. So war die Idee geboren: Ein eigenes Erklärvideo oder ein individueller Imagefilm, den sich jeder leisten kann.

Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Das Startkapital war noch von meiner Kommunion übrig. Was ein Glück. Nein Quatsch, die UG war mit 300 Euro rasch gegründet. MeinUnternehmensfilm landete schnell in der Gewinnzone und trägt sich seitdem selbst. Jedes Wachstum wird von innen heraus bewirkt. Bei uns gibt es daher weder einen Investor oder Kredite, noch Geldspritzen aus dem privaten Umfeld.

Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Zwei Dinge. Die größte Herausforderung war definitiv die eben angesprochene Zusammensetzung eines guten Teams. Der Aufbau einer fähigen Truppe, die gerne zusammenarbeitet, eigenständig funktioniert und langfristig hochwertige Leistungen erbringt, war eine gewaltige Aufgabe. Die Arbeit und Energie, die wir hier investiert haben, hat sich aber mehr als gelohnt. Wir sind ein Team aus Leuten, die sich sehr gut ergänzen und hervorragend zusammenarbeiten.

Der zweite Stolperstein war der Aufbau einer funktionierenden Struktur. Unser schnelles Wachstum war mit leichtem anfänglichen Chaos verbunden, andere kennen das bestimmt. Die Etablierung einer stabilen und funktionierenden Struktur war deshalb ein großer Meilenstein, an dem wir tagtäglich alle gemeinsam schleifen. Mittlerweile läufts prima!

Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Überhaupt nichts. Das mag jetzt kitschig klingen, aber ohne die Fehler, die wir gemacht haben, wären wir heute nicht in dieser Situation. Wir wüssten dann nicht, welche Entscheidungen falsch oder richtig gewesen wären. Nur durch die gemachten Fehler und die daraus resultierenden Lernprozesse konnten wir wichtige Erfahrungen sammeln und uns nachhaltig weiterentwickeln.

Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Zum einen: Suchmaschinenoptimierung. Wir haben vom ersten Tag an sehr viel Zeit und später dann auch Geld in SEO gesteckt. Mittlerweile haben wir dafür auch Spezialisten in den eigenen Reihen. Denn wir haben eins schnell gemerkt: Niemand kauft ein Erklärvideo oder einen Imagefilm offline. Daher müssen wir im Internet sehr gut zu finden sein.

Zum anderen: Qualitativ hochwertige Produkte realisieren. Unserer Erfahrung nach ist Mund-zu-Mund-Propaganda mit das Wichtigste und hat enorme Auswirkungen. Gerade im B2B-Bereich heißt es oft: „Sie wurden mir von XY empfohlen“. Aber auch die Gewinne von verschiedenen Gründerpreisen haben dafür gesorgt, dass wir in der Rhein-Main-Region an Bekanntheit gewonnen haben. Definitiv ein netter Nebeneffekt.

Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Die Gründung selbst ging ohne große Unterstützung vonstatten. Alle gründungsrelevanten Inhalte haben wir uns selbst angeeignet. Es war eher learning by doing. Bis wir dann zum „Unibator“, dem Inkubator der Goethe Universität Frankfurt, kamen.

Der Unibator, vor allem in Person von Sebastian Schäfer, hat uns durch die Bereitstellung von Büroräumen, Infrastruktur, Netzwerk und regem Austausch unter die Arme gegriffen. Prinzipiell sind uns Meinungen aus dem privaten Umfeld sehr wichtig. Ich denke mit jedem Gespräch über Ideen, Pläne und Zukunftsvorstellungen verkleinert sich die Wahrscheinlichkeit eines Fehltrittes.

Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Unser Tipp: Alles oder nichts! MeinUnternehmensfilm ist hierfür ein gutes Beispiel. Wir sind nicht der Typ Startup, der Jahre tüftelt, dann den Go-to-Market-Plan entwickelt und erst nach weiteren Jahren mit einem Break-Even rechnet. Wir haben uns von Beginn an am Markt behauptet und Erfahrungen gesammelt.

Für kapitalintensive Starter wie Fintecs o.ä. ist die Situation natürlich eine andere. Dennoch können wir allen jungen Unternehmen raten: Tut es – Sekt oder Selters, Hop oder Top, ganz oder gar nicht.

Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
“Lieber Herr Gabriel, schaffen Sie „Raum“ für Gründungen! Ich meine, die momentane Unterstützung des Staates ist lachhaft. Weder gibt es ernsthaft subventionierte Räumlichkeiten, noch steuerliche Erleichterungen. In einer Stadt wie Frankfurt a.M. zum Beispiel wird ein „subventionierter“ Quadratmeter für zehn Euro vermietet. Und dann sind die Büros ausgestattet wie eine Führerscheinzulassungsstelle in den 70’er Jahren. Prinzipiell ist das okay – aber nicht für diesen Preis.”

Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland deutlich hinterher. Und der Abstand scheint zu wachsen. Meiner Meinung nach interessiert sich die deutsche Politik nicht nachhaltig für Gründer und die dafür notwendige Kultur. Selbstverständlich sind bei festlichen Anlässen immer Vertreter aus der Politik anwesend. Stets bereit eine feierliche Rede zu halten. Aber speziell in der Rhein-Main-Region kenne ich keinen Politiker, der sich nachhaltig für Start-ups engagiert. Falls es ihn doch geben sollte, macht er etwas falsch, denn keiner scheint ihn zu kennen.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Vielleicht wäre ich jetzt hauptberuflich Weltenbummler oder Songwriter. Ich habe vor MeinUnternehmensfilm Musik komponiert, das hätte man eventuell professionalisieren können. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Oder Bücher schreiben. Irgendetwas in Richtung Philosophie oder Psychologie.

Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Nur zu gern bei OnPage.org.

Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
1969 Woodstock. Oder 1965 Beatles Open Air Shea-Stadium.

Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Sehr wahrscheinlich ein professionelles Musik- und Aufnahmestudio einrichten. Oder ein Jahr auf einer einsamen Insel verbringen, vermutlich, um dann von dort aus zu arbeiten.

Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Schlafen bis 10 Uhr.
Kicken bis 14 Uhr.
Arbeiten bis 20 Uhr.
Danach entspannt Tatort schauen und mit im besten Fall mehr als 6 Stunden Schlaf in die neue Woche starten.

Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Noel Gallagher.

Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an

Zur Person:
Sven Junglas ist Co-Gründer und Geschäftsführer von MeinUnternehmensfilm. Nach einem kurzen Intermezzo bei einem internationalen TV-Sender und einem
Studium der Medienkommunikation startete er im Sommer 2013 das Frankfurter Unternehmen MeinUnternehmensfilm. Parallel werkelt er an einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften.

15 Fragen als eBook und in gedruckter Form

“Hinter den Kulissen deutscher Start-ups: 45 Gründer über den Aufbau ihres Unternehmens”, heißt der erste Titel der neuen Buchreihe von deutsche-startups.de. Unser erstes Buch, ein Best-of der Rubrik 15 Fragen an, steht unter dem Motto: Von Gründern lernen, sich von deutschen Unternehmern inspirieren lassen. 45 Gründer berichten von Ihren eigenen Erfahrungen, geben wertvolle Tipps und teilen ihre Inspirationen mit den Lesern.

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.