Gastbeitrag von David Burkhardt (Protonet)

Die Maker-Kultur gibt Innovationen enormen Schub

'Internet of Things' und 'Maker Culture' sind Begriffe, die derzeit immer öfter zu hören und zu lesen sind. Wofür aber steht die Maker-Kultur eigentlich? Was macht sie aus? Könnte das Internet der Dinge wirklich das 'nächste große Ding' sein? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch.
Die Maker-Kultur gibt Innovationen enormen Schub
Dienstag, 28. Januar 2014VonTeam

Maker sind die Entrepreneure der Stunde. Überall spricht man von 3D-Druckern, FabLabs, Makershops und 3D-Copyshops. Die Analysten übertreffen sich mit optimistischen Schätzungen. Allein der 3D-Druckermarkt soll dieses Jahr um 28 % wachsen. Im Consumerbereich mit FDM-Druckern (Fused Desposition Modeling) erzielen einige Unternehmen gar dreistellige Wachstumsergebnisse.

Die Hersteller von Industrierobotern und CNC-Fräsmaschinen bewerben die Möglichkeiten durch ‘direct digital manufacturing’, welches die Produktionsstätten wieder zurück zum Konsumenten führt – Europa und USA statt China. Auch, wenn Branchenspezialisten wie Avi Reichental, CEO von 3D Systems, seit Jahrzehnten die industrielle Revolution predigen und das mittlerweile auch mit handfesten Ergebnissen untermauern können, kommt der eigentliche frische Wind von woanders.

Erst die von Makern verbreiteten sehr erschwinglichen 3D Drucker, CNC-Laser und -Fräsen haben diese Technologie außerhalb einiger Hightech-Branchen in der gesamten Gesellschaft bekannt gemacht. Rein nach Stückzahl machen die 3D-Drucker des Reprap Open-Source Projekts (Mendel, Printrbot, Ultimaker) zusammen mit dem ebenfalls aus daraus entstandenen proprietären Makerbot Produkten aber mittlerweile fast 50 % des Markts für 3D-Drucker aus. Nach Umsatz ist dieser Anteil zwar nur 5 %, aber trotzdem haben viele Menschen auch außerhalb von Laboren, Hightech-Firmen und Universitäten 3D-Drucker jetzt wahrgenommen und erkannt, dass diese Technik früher oder später auch in ihrem Leben Einzug halten wird.

Die etablierten Firmen profitieren ebenso von diesem Aufschwung und verzeichnen zweistellige Wachstumsraten. Wie ist es dieser losen Gruppierung aus Programmierern, Fricklern, Elektroniknerds und Enthusiasten gelungen, einen solchen Impact zu schaffen, der Industrieriesen wie 3D-Systems, Stratasys, Z-Corp trotz großen Budgets nicht gelungen ist? Wie ist es den Makern gelungen, in ca. 3 Jahren eine Technologie nachzuvollziehen, deren industrielle Entwicklung 25 Jahre in Anspruch genommen hat, und um den Faktor 10 erschwinglicher zu machen?

Das Ganze hat vermutlich mehr mit Lebenseinstellung, Herangehensweise und gesellschaftlicher Verwurzelung der Maker zu tun. Hier also die 7 Prinzipien der Maker, die auch für Startups nützlich sind:

1. If it can be imagined it can be made

Unbedingt an den technologischen Fortschritt glauben. Maker glauben an Intelligenz und einen mündigen Menschen, der sich durch Forschung und Experiment weiterbildet. Dieser Optimismus ist herausfordernd und beruhigend zugleich und gibt für kreative Projekte den richtigen Hintergrund.

2. Form follows function

Dieser Satz von Louis Sullivan, der später als künstlerisches Manifest von Designern wie Dieter Rams oder Victor Papanek verkörpert wurde, hat bei den Makern den Status eines Naturgesetzes. Das heißt nicht, dass ästhetische Gestaltung nicht stattfindet, sondern dass sie bei der Produktentwicklung erst einmal kaum eine Rolle spielt.
Man geht zunächst einmal spielerisch mit der Technik um, die Ästhetik ergibt sich im Laufe der technischen Entwicklung und in der Kollaboration mit dem Konsumenten. Oder wie Dieter Rams sagt: “Gutes Design ist so wenig Design wie möglich.”

3. Share it!

Jedes System will frei sein. Kollaboration mit Anderen ist notwendig, um komplexe Projekte angehen zu können, Konstruktionen zu optimieren und die Entwicklung zu beschleunigen. Open-Source Technologie erzeugt bereits im Softwarebereich so viele Synergien und Möglichkeiten, dass selbst Anbieter von sonst eher proprietären, geschlossenen Systemen, wie Apple, Microsoft oder Oracle nicht darauf verzichten.

OpenSource-Hardware und Open Source-Design sind aber gerade erst im Kommen. Sehr viel Potential haben Detaillösungen und Schnittstellen, die sich kombinieren lassen oder mit denen man die Einschränkungen von proprietären herstellergebundenen Systemen auflösen kann.

Im Maker-Netzwerk Thingiverse etwa gibt es alle erdenklichen Adapter, um die Spielzeugsysteme von Fischertechnik, Lego, Duplo, Brio-Eisenbahn, Krinkles, K-Nex, Lincoln-Logs, Tinkertoy etc. zu verbinden. Diese Spielzeuge sind technisch übersichtlich, Adapter also verhältnismäßig leicht konstruiert. Trotzdem gibt dieses Beispiel eine Idee davon, was wir erwarten können, wenn demnächst auch die industriellen Systeme flächendeckend durch Open Source-Technologie verknüpft oder ersetzt werden können.

4. Think small and cheap

Auch mit minimalem Energie- und Materialaufwand lassen sich komplexe Aufgaben lösen. In der üblichen Herangehensweise der Ingenieure werden mechanische Komponenten soweit überdimensioniert, dass man bestimmte Funktions- und Belastungsfehler von vornherein ausschließen kann. Das spart Zeit und die ist in der kommerziellen Entwicklung schließlich Geld.

Der Maker dagegen nähert sich mit experimentellen, zum Teil drastisch unterdimensionierten Konstruktionen langsam einem vernünftigen Optimum. Nicht nur, dass bei der Ingenieurs-Herangehensweise ein Effizienz-Optimum selten überhaupt erreicht wird, der Maker-Entwurf ist meistens nachher auch kostengünstiger.

Dem Argument der Zeitersparnis durch Ausschließen von mechanischen Fehlern kann der Maker entgegenhalten, dass mit gleichem Aufwand viel mehr Experimente gemacht werden können. Aber möglicherweise kommt man auch schon mit dem ersten Experiment sehr billig und schnell zu einem brauchbaren Ergebnis.

Der eine ist der Jäger, der mit einem Präzisionsgewehr auf eine Ente schießt, während ein Anderer mit einer abgesägten Schrotflinte auf ein ganzes Rudel zielt, obwohl er weiß, dass bei der Entfernung 98 % der Kugeln wohl vorbeigehen werden.

5. Improvement is evolutionary!

Schnelle und häufige Interaktionen haben sich nicht nur in der Softwareentwicklung als effektiver herausgestellt, als auf den einen großen Wurf zu hoffen. Experimentell und evolutionär schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus. Kommt man per Experiment zu einem funktionstüchtigen Grundentwurf, ist es durchaus sinnvoll, die einzelnen Komponenten weiterzuentwickeln bzw. experimentell zu ersetzen. Wichtig ist nur, dass man auf Erfahrungen aufbauen kann.

Design-Entscheidungen, die den Erfahrungsschatz nicht mehren, sind weder evolutionär noch experimentell. Zum Beispiel, wenn man eine problematische Komponente durch ein zugeliefertes Teil ersetzt, ohne dass Ursprungsproblem weiter zu analysieren. Das heißt nicht, dass man grundsätzlich alles nur In-House machen kann, aber zur Sicherstellung einer konstanten Evolution der eigenen Fähigkeiten ist es notwendig, mit jeder Komponente zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln und zu dokumentieren.

6. Comprehend technological Principles

Es reicht nicht, das Frontend, die Anwenderseite, zu verstehen. Volles Verständnis der benutzten Technik ist notwendig, um Innovationen abseits des Mainstreams zu kreieren. Immer wieder sieht man Startups mit sehr guten Ideen und funktionierendem Marketing, ersten Kunden, die sich scheuen, zu tief in die technische Produktentwicklung einzusteigen und sich dabei lieber auf Fertigungspartner verlassen.

Ohne dass man das Produkt und die angewendete Technologie verstanden hat, ist das Ganze ein Glückspiel. Man ist dem Technologiepartner ausgeliefert, kann nicht so mitreden, anstoßen, verbessern wie man es müsste. Auch bei der Vermarktung kann es sich nur negativ auswirken, wenn Produkte verkauft werden, die man nicht komplett versteht, deren Schwachstellen und Ersatzteile man nicht kennt oder welche zukünftige Entwicklung des Produkts und des Markts zu erwarten ist.

7. The chase is better than the catch

Manchmal hat die deutsche Sprache auch Vorzüge – sinngemäß bedeutet dieses Motto: Der Weg ist das Ziel. Fehler zu machen ist essentiell, selbst, wenn man dabei das Ziel nicht erreicht. Durch Fehler kann man seine Fähigkeiten verbessern, nicht durch Erfolge.

Was sind die eigentlichen Assets eines Startups, der Grund, wieso Business Angels und VCs einem vertrauen und Geld geben? Es ist nicht die Idee an sich, sondern es sind die eigenen Skills und glaubwürdige Ambitionen, die den Unterschied machen.

Dokumentiert und analysiert man die Fehlschläge nicht ausreichend, läuft man Gefahr, sie zu wiederholen. Fehlschläge müssen ausreichend dokumentiert sein, aber nicht nur, um selbst daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fehler gemacht zu haben und dazu zu stehen, unterstreicht die Glaubwürdigkeit der eigenen Skills und Ambitionen, da eine Wiederholung dieser Fehler dann ausgeschlossen wirkt.

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Zur Person
David Burkhardt ist Produktdesigner von Protonet und arbeitet täglich mit neuen Produktionsmitteln wie CNC-Fräsen, 3D-Druckern und Robotern. Schon als Schüler sammelte er erste Startup-Erfahrungen als Mitgründer der Schülerfirma Netthelp.

Seitdem benutzt und konstruiert er automatisierte Werkzeuge, CNC- Maschinen, Roboter und hat großes Interesse an neuen Gestaltungsmöglichkeiten die durch Computer aided manufacturing entstehen. Trotz Auszeichnungen vom VDI und Empfehlungen für ein technisches Studium entschied sich David Burkhardt für eine künstlerische Laufbahn. Während seines Designstudiums kam er über Prof. Glen-Oliver Löw mit Ali Jelveh, dem Gründer von Protonet zusammen. Daraufhin entwarf er das Produktdesign für Protonet und leitet die Hardwareentwicklung für die Protonet GmbH.
Protonet wurde gerade bei deutsche-startups.de zum Start-up des Jahres 2013 gewählt, Mehr über Protonet im Artikel Protonet – der einfachste eigene Server der Welt

Bild oben: Shutterstock, 3D-Drucker