“Es gibt zu wenig professionelle Investoren” – Jochen Gutbrod von RI Digital Ventures

Mit RI Digital Ventures investieren die Raffay Unternehmensgruppe und der Verleger Dirk Ippen seit einigen Monaten in junge Start-ups. Dabei geht das RI Digital Ventures-Team ohne viel PR-Getrommel vor und baute sich so […]
“Es gibt zu wenig professionelle Investoren” – Jochen Gutbrod von RI Digital Ventures
Dienstag, 10. September 2013VonAlexander Hüsing

Mit RI Digital Ventures investieren die Raffay Unternehmensgruppe und der Verleger Dirk Ippen seit einigen Monaten in junge Start-ups. Dabei geht das RI Digital Ventures-Team ohne viel PR-Getrommel vor und baute sich so innerhalb kürzester Zeit ein beachtliches Portfolio auf. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht RI Digital Ventures-Macher Jochen Gutbrod über professionelle Gründer, Investoren mit tiefen Taschen und Tabubrüche.

Reden wir über Start-ups. Gibt es in Deutschland zu viele, oder zu wenig Start-ups?
Es kann nie genug geben und es gibt immer zu wenige wirklich innovative. Generell kann man aber nicht klagen. Dahat sich doch sehr viel getan in den letzten zehn Jahren!

Was genau ist heute anders als vor 10 Jahren?
Die Internetpenetration ist enorm gestiegen, die Nutzer verbringen sehr viel Zeit mit Surfen und haben keine Hemmungen, Einkäufe online zu tätigen. Damit sind die richtigen, aber übereilten Annahmen der Tech-Welle von Ende der 90er Jahre wahr geworden. Die Entwicklung des Breitbandes haben ein Übriges getan. Gleichzeitig sind Gründungen günstiger und die Gründer professioneller geworden.

Jetzt einmal zu den Kapitalgeber: Gibt es zu viele oder zu wenige Investoren?
Leider gibt es eindeutig zu wenig professionelle Investoren. Business Angels haben wir genug, aber zu wenige Investoren mit tiefen Taschen, die A-, B- und C-Runden finanzieren können.

Wie kann man dies ändern: Vielleicht über einen neuen Neuen Markt, wie es derzeit hitzig diskutiert wird?
Tiefe Renditen und hohes Risiko in klassischen Anlageformen führen heute schon zu wachsenden Interessse an Start-ups. Mehr Beispiele von erfolgreichen Exits würden aber sicher helfen. Europa hat da einen strukturellen Nachteil gegenüber den USA. Einen neuen Neuen Markt oder Crowd-Funding muss man eine Chance geben. Family Offices und erfolgreiche Unternehmer die sich plötzlich für Start-ups interessieren geben mir Hoffnung, dass es langsam besser wird, ebenso wie ausländische Investoren, die sich hier verstärkt engagieren. Auch mit jungen Fonds wie z.B. Paua Ventures macht es große Freude zusammen zu arbeiten.

Momentan entstehen viele Acceleratoren und Inkubatoren, hinter denen große Unternehmen stehen. Was können große Unternehmen von kleinen Start-ups lernen?
Es ist wesentlich besser sich an innovativen Unternehmen zu beteiligen, als große Strategie-Abteilungen zu halten. Diese sind meist inhaltlich weit weg von den wirklich spannenden Themen und nicht pragmatisch genug in der Umsetzung. Allerdings sehe ich Inkubatoren auch kritisch, da es wenig wirklich gute gibt. Mein Herz schlägt für Corporate-VCs. Das ist angewandte Forschung und Entwicklung! Das hängt auch damit zusammen, dass ich das Glück hatte einer der Gründungsväter von Holtzbrinck Ventures zu sein.

Wie schwierig war es damals Holtzbrinck Ventures auf die Beine zu stellen, wen mussten sie alles überzeugen?
Es war einfach und ein tolles Team hatte ich geerbt. Das Vertrauen der Kollegen aus der Geschäftsführung und das der Eigentümer war auch vorhanden. Allerdings war z.B. der Einstieg mit Zalando in den online Schuhhandel sehr kontrovers. Für einen Verlag, der zu Recht Stolz auf inhaltliche Qualität ist, war das ein Tabubruch, den viele nicht gerne sahen.

Noch einmal zu den Inkubatoren und Corporate-VCs: Was macht einen guten Inkubator, und was einen guten Corporate-VC aus?
Es sind die Menschen und die Ideen. Dazu kommt Geduld und die Fähigkeit, Fehler zu tolerieren und daraus zu lernen. Man braucht eine Leidenschaft für Innovation, die auch vor gewissen Risiken und Unwägbarkeiten nicht zurückschreckt. Diese fehlt bedauerlicherweise vielen traditionellen Unternehmen.

Hinter RI Digital Ventures stecken mit dem Verleger Ippen und der Raffay Unternehmensgruppe ebenfalls zwei große Namen. Was genau ist das Ziel von RI Digital Ventures?
Wir sind Frühphasen-Investoren und wollen in erfolgreiche Internet-Start-ups investieren und damit Geld verdienen. Wir sind pragmatisch, schnell und hoffentlich gute Partner für Unternehmer.

Was bekommen die Start-ups von Ihnen – außer Geld?
Da müssen Sie die Beteiligungen fragen. Ich hoffe, dass unser Rat und die Mitarbeit z.B. als Sparring Partner für strategische Themen in den Beiräten positiv gesehen wird. Wir versuchen natürlich auch, über unsere Netzwerke interessante Verbindungen herzustellen oder auch mal hands-on bei Themen mitzuhelfen, wenn wir können. Kontakte zu den traditionellen Medien für Thema wie Media for Equity sind zunehmend gefragt.

Nach außen ist RI Digital Ventures kaum sichtbar, Sie haben noch nicht einmal eine Website. Warum verstecken Sie sich so?
Wir haben Angst vor der Öffentlichkeit (lacht). Nein, im Ernst: Wir hatten Wichtigeres zu tun und auch so genug sehr gute Möglichkeiten zu investieren. Das Netzwerk funktioniert bestens, aber irgendwann wird es auch eine Internetseite von uns geben.

Und jetzt einmal Butter bei die Fische: Einige Ihrer Investments sind bekannt, wie groß ist ihr Portfolio inzwischen?
RI Digital und Raffay sind z.B. beteiligt an: Flaconi, Westwing, Paymill, 21Diamonds, Debitos, meinauto, yogaeasy, Auctionata, Studitemps, windeln.de, Outfittery, Justbook, L´Arcobaleno, Luxodo, Monoqi, Noblego, Outstore, Pflege.de, Smartgenius, Tasit, Eventkingdom, Myobis und Talentory. Wir investieren mindestens 100.000 Euro und bis zu 1 Million Euro. Gerne sind wir auch im Syndikat mit b-to-v dabei – zum Beispiel bei Blacklane, Sumup, Urbanara etc. – mit denen wir auch deutlich größere Runden stemmen können.

Viele dieser Start-ups sitzen in Berlin: Muss man sein Start-up heute in Berlin gründen?
Es gibt viele gute Start-ups in München, Hamburg, Köln und sogar in Frankfurt am Main., aus unserem Portfolio sitzen z.B. “nur” 12 in Berlin. Allerdings ist Berlin im Moment sicher die Stadt mit dem dynamischsten Umfeld und vielen Vorteilen für Start-ups und Investoren. Auch wir haben hier seit einem Jahr unser Büro.

Zur Person
Jochen Gutbrod, Jahrgang 1963, studierte an der Universität St. Gallen, der London School of Economics und promovierte an der Universität Fribourg. Er war in leitenden Positionen bei Banken in London, Genf und Zürich tätig. Danach war er Mitgründer von ifund services AG und fundinfo.com. 2003 trat er als CFO in die Holtzbrinck Gruppe ein, wo er bis April 2010 als stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung agierte. Ab 2004 war er zusätzlich CEO von Holtzbrinck Digital, das er zu einem führenden deutschen Internet Unternehmen aufbaute. Seit Mai 2010 ist Gutbrod CEO der Raffay Gruppe, einem mittelständischen Familienunternehmen mit Aktivitäten in den Bereichen Internet, Immobilien und anderen Beteiligungen, sowie Gründer der RI Digital Ventures GmbH. Im Oktober spricht Gutbrod auf der David and Goliath-Konferenz, die am 30. Oktober erstmals stattfindet.

Über David and Goliath
David and GoliathDavid and Goliath ist eine internationale Investorenkonferenz, die sich mit den Themenbereichen Innovation und Unternehmertum beschäftigt. Das Ziel der Konferenz ist es, die Entstehung von neuen Technologien und neuen Geschäftsideen in etablierten Unternehmen und in Start-ups zu diskutieren und aus Gemeinsamkeiten, Unterschieden und gedanklichen Verbindungen zwischen Innovationstreibern zu lernen.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.