“Wir haben ein offenes Investorenfenster” – Interview mit Hobnox-CEO Alfred Tolle, Teil 2

Gestern erschien der erste Teil unseres Interviews mit Alfred Tolle, dem CEO von Hobnox (www.hobnox.de). Heute folgt der zweite und letzte Teil. Darin: Einschätzungen über den deutschen Internetmarkt und die Bereitschaft der Investoren, […]

Gestern erschien der erste Teil unseres Interviews mit Alfred Tolle, dem CEO von Hobnox (www.hobnox.de). Heute folgt der zweite und letzte Teil. Darin: Einschätzungen über den deutschen Internetmarkt und die Bereitschaft der Investoren, in gute Ideen zu investieren.

Aufgrund Ihrer langjährige Erfahrung bei Lycos Inc. in Boston möchte ich Sie fragen: Was unterscheidet denn den US-amerikanischen Markt vom deutschen?
Weil Kulturen unterschiedlich sind, funktioniert auch jeder Markt anders. Der größte Unterschied ist ganz deutlich: Amerika hat 300 Millionen Einwohner. Das ist eine große und verhältnismäßig homogene Masse. Alle zahlen mit der selben Währung und für alle wird die gleiche Werbung geschaltet. Diese kommt flächendeckend an. Das ist auch der Grund, warum der VC-Bereich viel aggressiver ist. Unternehmen bekommen in USA viel leichter Kapital. Europa ist anders. Der Markt ist zu fragmentiert. Hierzulande muss viel mehr Geld in das Marketing investiert werden, um die Menschen in den jeweiligen Ländern anzusprechen. Märkte müssen richtig adressiert werden. Hobnox hat meiner Ansicht das Potenzial, größer zu werden, weil wir gute Investoren gefunden haben, die uns Zeit lassen, uns richtig aufzustellen. Langfristig wollen wir mit Hobnox sogar nach Asien.

Was haben die Märkte Ihrer Meinung nach aus dem Crash 2000 gelernt?
Die Unternehmen haben gelernt, wie man Geld verdienen kann – auch Startups brauchen einen soliden Businessplan, denn die Anforderungen der Investoren an ein Unternehmen haben sich verändert. Ebenso wie die technischen Möglichkeiten. Durch die Breitbandigkeit ist es heute möglich, Dinge zum Download zu verkaufen. Damals undenkbar. Allerdings stimmt mich die Situation in Asien etwas besorgt, denn die Unternehmen verfallen gerade dieser großen Euphorie, die Europa 2000 im Griff hatte.

Gibt es denn Ihrer Einschätzung nach eine Web-2.0-Blase?
Ich hoffe es nicht. Wir haben sicherlich ein Investorenfenster. Seit Februar/März bis Oktober diesen Jahres war wieder eine ganze Menge Geld im Markt. Da wurde ich vorsichtig, denn viel Geld schreit danach, investiert zu werden. Gleichzeitig gibt es aber immer nur begrenzt gute Ideen. Manche Investitionen standen nicht mehr in Relation. Aber dann gab es den Immobilien-Crash in USA, so dass sich das Fenster wieder ein bisschen geschlossen hat. Es gibt eine spürbare Verunsicherung im Markt. Ich hoffe auf eine gesunde Basis. Ich glaube aber, in unserer Branche ist es gut, dass das Fenster wieder ein bisschen zugeht. Der Kapitalmarkt ist fast immer psychologisch motiviert und deswegen ist manchmal zu viel Angst im Spiel – das ist schlecht für den Standort Europa. Es muss gewisse Wagnisinvestitionen geben, um Dinge nach vorne zu bringen. Die Amerikaner sind risikofreudiger und wagniskapitalorientierter.

Gibt es für Sie Grenzen im Web 2.0?
Im Moment sehe ich nur viele Potenziale. Aber es wird wie in anderen Bereichen auch Grenzen geben. Vor allem wird sich genauso viel offline abspielen wie online. Ich stelle heute schon fest, dass die Menschen müde geworden sind, sich digital zu unterhalten. Ein persönliches Gespräch wird nicht zu ersetzen sein. Aber die Jugendlichen integrieren das Digitale ganz anders in ihr Leben. Der Austausch über Social Networks und Handys wird ein integrativer Bestandteil ihres Lebens sein.

Wer wird den Preis im Digitalen Zeitalter zahlen müssen?
Ich denke, die Veränderung wird zu Lasten des Fernsehens ablaufen. Die Zuschauerzahlen gehen immer weiter runter, das zeigen schon heute die Statistiken. Das Internet löst den Fernseher ab. Ich glaube, dass das Internet die derzeitige Fernsehtechnik ablösen wird. Der Fernseher als Flatscreen wird immer im Wohnzimmer stehen bleiben. Aber welche Bilder dort zu sehen sein und welche Inhalte gezeigt werden, wird sich verändern. Die Entwicklung ist in Asien schon deutlich zu beobachten.

Wird User generated Content künftig die einzige Informationsquelle werden oder werden wir auch weiterhin redaktionell erstellte Inhalte haben?
Ja, das denke ich schon. Vor allem wird es immer wichtiger, die ganzen Webbeiträge redaktionell zu filtern. Die Tageszeitungen werden gegenüber dem Internet verlieren. Die Wochen- und Monatsmagazine hingegen werden einen Aufschwung erleben. Für Fachjournalismus geht man noch nicht ins Internet.

Zum Abschluss: Wie sind Sie nach Lycos Inc. bei Hobnox gelandet?
Das hat persönliche Gründe: Zum Schluss verfolgte Lycos Inc. eine andere strategische Ausrichtung als ursprünglich angedacht. Da bin ich gegangen. Danach wollte ich wirklich erst einmal Pause mache – einfach nichts tun! In den letzten zwei Jahren habe ich mich nie länger als zwei Wochen in einer Zeitzone aufgehalten. Ich sage Ihnen: Danach ist man durch. Ich bin dann Ende 2006 zurück nach Deutschland. Bald darauf kam Alexander Gorny auf mich zu, präsentierte mir seine Idee, zeigte mir den Businessplan und so hat sich die Zusammenarbeit mehr und mehr entwickelt. So bin ich da hinein gerutscht. Das war keine bewusste Entscheidung. So viel zum Thema “ich mach mal Pause”.

Zur Person:
Alfred Tolle ist seit Anfang 2007 CEO der Hobnox GmbH, Köln. Zuvor war er CEO von Lycos Inc. in Waltham, Massachussetts. Vor dieser Tätigkeit arbeitete er in verschiedenen Positionen im Medien- und E-Commerce Bereich und war unter anderem von 2000 bis 2006 Mitglied im Aufsichtsrat von Daum Communications, dem größten Internet Medien Portal Süd-Koreas. Von 1995 bis 1998 war er Chefproducer von SAT 1 und ging 1999 für Bertelsmann Online als VP South East Asia nach Tokio. Alfred Tolle ist Mitglied im Aufsichtsrat der EMC Entertainment Master Class.

Christina Cassala

Christina Cassala, Redakteurin bei deutsche-startups.de, war schon zu ihren besten Uni- Zeiten in den 90er Jahren journalistisch tätig. Gleich nach dem Volontariat arbeitete sie bei einem Branchenfachverlag in Hamburg, ehe sie 2007 zu deutsche-startups.de stieß und seither die Entwicklungen der Start-up Szene in Deutschland mit großer Neugierde beobachtet.