#Interview

“Die Lektionen der Vergangenheit waren wertvolle Wegweiser”

Mit Impossible Cloud kümmert sich Goodgame-Gründer Kai Wawrzinek nun um die Daten von Unternehmen. Investoren wie HV Capital, 1kx und LBBW investierten bereits rund 17 Millionen in das junge Hamburger Cloud-Unternehmen, das 2021 gegründet wurde.
“Die Lektionen der Vergangenheit waren wertvolle Wegweiser”
Freitag, 24. Mai 2024VonAlexander Hüsing

Das Hamburger Startup Impossible Cloud, 2021 vom Goodgame-Gründer Kai Wawrzinek, Daniel Baker und Christian Kaul gegründet, kümmert sich um die Daten von Unternehmen. Dabei erfolgt die Datenverarbeitung und -speicherung auf mehrere Standorte verteilt. So sollen Risiken minimiert und die Resilienz des Systems erhöht werden. HV Capital, 1kx, Protocol Labs, TS Ventures und Co. investierten zuletzt 7 Millionen Euro in das Unternehmen. Insgesamt flossen bereits 17 Millionen in Impossible Cloud. 

Impossible Cloud-Macher Wawrzinek baute zuvor das Games-Unternehmen Goodgame Studios auf, das 2017 von Stillfront übernommen wurde (Kaufpreis: 270 Millionen). “Bei Goodgame haben wir mit großen Datenmengen und komplexen Serverstrukturen gearbeitet. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig sichere und effiziente Datenspeicherung für Unternehmen ist. Daher sah ich eine Gelegenheit, die in der Gaming-Industrie gewonnenen Kenntnisse auf den Cloud-Sektor zu übertragen”, sagt der Seriengründer. 

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Impossible Cloud-Gründer Wawrzinek außerdem über Erfahrungen, Kommunikation und Flexibilität.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Impossible Cloud erklären?
Stell dir vor, du bewahrst all deine wertvollen Dinge in nur einem Schließfach auf. Wenn etwas mit diesem Schließfach passiert – es kaputt geht oder jemand es aufbricht – könntest du alles verlieren. Das ist das Problem bei der zentralen Verwahrung. Jetzt denk mal so: Anstatt deine Schätze nur in verschiedenen Schließfächern zu verteilen, machst du von jedem wichtigen Gegenstand Kopien und legst diese in den Schließfächern verschiedener Banken ab. Selbst wenn eine Bank mal nicht zugänglich ist, hast du immer noch Zugriff auf die Kopien deiner Wertgegenstände in anderen Banken. Impossible Cloud macht etwas Ähnliches – nur nicht für Wertsachen, sondern für die Daten von Unternehmen. Indem wir diese Daten auf viele Rechenzentren verteilen – die Entsprechung der “Bankschließfächer” – sorgen wir dafür, dass alle Daten sicher, geschützt und überall verfügbar sind. 

War dies von Anfang an Euer Konzept?
Wir haben früh erkannt, dass in Deutschland und Europa ein großer Bedarf an einer erschwinglichen, skalierbaren und auf Europa zugeschnittenen Cloud-Infrastruktur besteht, bei der Datensouveränität und Compliance im Vordergrund stehen. So hat sich Impossible Cloud in der jetzigen Form zu einer spezialisierten Lösung entwickelt, die die europäische Datensouveränität ermöglicht. Aktuell konzentrieren wir uns vor allem auf das Thema Cloud-Speicher. Dieser Fokus entstand, weil wir erkannten, dass der Markt gesättigt war mit Anbietern, die zwar Cloud-Speicherlösungen bieten, jedoch mit hohen Kosten und undurchsichtigen Preismodellen. Dazu kommt: Viele dieser Services entsprachen nicht den strengen Anforderungen der europäischen Datenschutzgesetze, insbesondere der DSGVO. Daher haben wir unsere Strategie angepasst und uns auf die Entwicklung einer Cloud-Plattform konzentriert, die nicht nur technisch fortschrittlich ist, sondern auf eine dezentrale Speicherstruktur aufbaut und den europäischen Werten von Datenschutz und Transparenz entspricht. Wir haben unsere Angebote um Features wie Geofencing erweitert, um sicherzustellen, dass Daten innerhalb der gewünschten geografischen Grenzen gespeichert und verarbeitet werden. Diese Anpassung hat nicht nur unsere Positionierung im Markt gestärkt, sondern auch zu einer klareren Markenidentität geführt. 

Zuletzt konntet Ihr weitere Millionen einsammeln. Wie seid Ihr mit Euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Wir haben unsere Investor:innen durch eine Kombination aus gezieltem Networking und dem Aufbau einer überzeugenden Präsentation unserer Geschäftsidee erreicht. Zuerst haben wir unseren Markt sorgfältig analysiert und unsere Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet, um sicherzustellen, dass wir ein attraktives Investment darstellen. Dann haben wir unser Netzwerk genutzt, um Empfehlungen und Einführungen zu erhalten, und haben auch an Pitch-Veranstaltungen und Startup-Messen teilgenommen, um unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Darüber hinaus haben wir aktiv mit verschiedenen Venture-Capital-Firmen und Angel-Investor:innen Kontakt aufgenommen, die an unserer Branche interessiert sind. Durch diese Strategie konnten wir schließlich eine erfolgreiche Finanzierungsrunde abschließen.

Vor Impossible Cloud hast Du bereits Goodgame Studios hochgezogen. Was reizt Dich, wieder ein Startup hochzuziehen?
Nach Goodgame Studios war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Der wichtigste Treiber, eine innovative Cloud-Lösung zu entwickeln, ist der Bedarf an skalierbaren und robusten Lösungen, die auch den europäischen Datenschutzanforderungen genügen. Dies zum einen skalierbar aufzusetzen und zum anderen so, dass sie mit den Tech-Giganten konkurrenzfähig ist, war sehr reizvoll. Die Möglichkeit, etwas Neues aufzubauen und dabei die gesammelte Erfahrung einzubringen, ist eine treibende Kraft für mich. Bei Goodgame hatten wir eine massive Infrastruktur für Online-Spiele aufgebaut, was mir Einblicke in die Notwendigkeit robuster, skalierbarer und sicherer Datenverarbeitungssysteme gab. Diese Erfahrungen wollte ich in einem neuen Kontext nutzen, um eine Cloud-Plattform zu schaffen, die nicht nur technisch fortschrittlich ist, sondern auch europäischen Standards entspricht. Mit Impossible Cloud verfolgen wir das Ziel, die Kontrolle und den Schutz von Daten in die Hände europäischer Unternehmen zurückzugeben, indem wir eine Cloud-Infrastruktur aufbauen, die sich auf erstklassige Rechenzentren in Deutschland und Europa stützt.  

Wie bist Du denn überhaupt von Spielen zum Thema Server gekommen?
Bei Goodgame Studios haben wir mit großen Datenmengen und komplexen Serverstrukturen gearbeitet. Diese Erfahrung hat mein Interesse für Cloud-Technologien geweckt und mir gezeigt, wie wichtig sichere und effiziente Datenspeicherung für Unternehmen ist. Der nahtlose Umgang mit Daten und die Skalierbarkeit der Infrastruktur waren entscheidend für den Erfolg unserer Online-Spiele. Diese Herausforderungen ähneln denen, die Unternehmen beim Cloud-Computing bewältigen müssen. Daher sah ich eine Gelegenheit, die in der Gaming-Industrie gewonnenen Kenntnisse auf den Cloud-Sektor zu übertragen. Mit Impossible Cloud wollten wir eine Plattform schaffen, die Flexibilität und Skalierbarkeit bietet, die ich aus der Spielebranche kannte, aber mit einem stärkeren Fokus auf Datenschutz und Datensicherheit, um den spezifischen Anforderungen europäischer Unternehmen gerecht zu werden.

Ist beim erneuten Gründen wirklich alles einfacher als beim ersten Mal?
Beim erneuten Gründen ist es nicht unbedingt einfacher, aber die Erfahrung spielt eine große Rolle. Nachdem ich Goodgame Studios mit aufgebaut hatte, war ich mir der Herausforderungen eines Startups besser bewusst. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, ein starkes Team zu haben, klare Ziele zu setzen und schnell auf den Markt zu reagieren. Diese Erfahrungen halfen mir, von Anfang an strategischer vorzugehen. Daher fühlte ich mich beim Gründen von Impossible Cloud besser vorbereitet. Ich kannte die Bedeutung von Netzwerken, hatte Erfahrung in der Kapitalbeschaffung und wusste, wie man eine Unternehmenskultur aufbaut, die Innovation fördert. Die Lektionen aus der Vergangenheit waren wertvolle Wegweiser, die mir halfen, bessere Entscheidungen zu treffen und die Richtung von Impossible Cloud effektiv zu steuern.

Welche Erfahrungen aus Goodgame fließen denn in Impossible Cloud ein?
Die Erfahrung im Umgang mit großen Datenmengen, das Management eines schnell wachsenden Unternehmens und die Entwicklung von benutzerzentrierten Lösungen bei Goodgame Studios haben eine solide Grundlage für die Gründung von Impossible Cloud gebildet. Insbesondere die Notwendigkeit, eine robuste Infrastruktur zu schaffen, die in der Lage ist, große Mengen an Spielerdaten effizient und sicher zu verarbeiten, hat direkte Parallelen zur Cloud-Speicherung und -verarbeitung. Diese Kenntnisse haben wir direkt in die Architektur von Impossible Cloud einfließen lassen, um sicherzustellen, dass unsere Cloud-Lösung nicht nur sicher und leistungsstark ist, sondern auch flexibel genug ist, um sich an die sich ändernden Anforderungen unserer Kund:innen anzupassen. Die Führungserfahrung, die ich bei Goodgame gewonnen habe, war ebenfalls entscheidend für den Aufbau des Teams von Impossible Cloud. Das Management eines schnell wachsenden Unternehmens erfordert eine klare Vision, effektive Kommunikation und die Fähigkeit, ein Team zu motivieren und zu leiten. Diese Aspekte sind bei der Gründung und Entwicklung von Impossible Cloud von unschätzbarem Wert, da wir ein engagiertes Team haben, das unsere Ziele teilt und an der Verwirklichung unserer Vision arbeitet.

Es herrscht weiter Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Mit welchen Erwartungen blickst Du auf die kommenden Monate?
In der derzeitigen Krisenstimmung und dem Fakt, dass die Unternehmen im derzeitigen Klima kostenbewusster sind, sehe ich allgemein die Chance für Startups, sich mit innovativen Lösungen und effizienten Geschäftsmodellen zu beweisen. Krisenzeiten fordern Unternehmen heraus, sich schneller anzupassen, Prozesse zu optimieren und kreative Wege zu finden, um Wert zu schaffen und Kundenbedürfnisse zu erfüllen. In solchen Phasen können sich Startups als agil und resilient zeigen, indem sie flexibel auf Marktveränderungen reagieren und neue Trends und Bedürfnisse identifizieren. Insgesamt bin ich optimistisch, dass die deutsche Startup-Szene die aktuellen Herausforderungen überwinden und sogar gestärkt aus dieser Phase hervorgehen kann.

Wie hat sich Impossible Cloud seit der Gründung entwickelt?
Impossible Cloud hat sich stetig entwickelt. Unser Team zählt mittlerweile über 40 Mitarbeitende und auch unser Partner-Netzwerk entwickelt sich positiv. Wir haben einige spannende Partnerschaften in der Pipeline. Konkrete Zahlen zum Umsatz oder zu den Mitarbeitern kann ich aus Geschäftsgründen nicht teilen, aber wir sind auf einem guten Weg und wachsen kontinuierlich.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Die Gründung eines Unternehmens ist ein Marathon, kein Sprint. Konzentriert euch auf das, was ihr am besten könnt, und sucht nach einzigartigen Lösungen, die echte Probleme lösen. Flexibilität ist entscheidend; seid bereit, eure Strategien anzupassen und aus Fehlern zu lernen. Eine klare Vision zu haben, bedeutet nicht nur, ein Ziel vor Augen zu haben, sondern auch, inspirierend für euer Team zu sein und eine Kultur zu schaffen, die Innovation und Kreativität fördert. Netzwerken ist ebenfalls unerlässlich. Verbindet euch mit anderen Gründern, Mentoren und Branchenexperten, um Perspektiven zu gewinnen und Unterstützung zu finden. Und vergesst nicht, auf euer Wohlbefinden und das eurer Mitarbeiter zu achten; ein gesundes Arbeitsumfeld trägt wesentlich zum langfristigen Erfolg bei. Denkt daran, dass jeder Rückschlag eine Lektion ist und jede Herausforderung eine Gelegenheit zum Wachsen bietet. Mit Beharrlichkeit, einer lernbereiten Einstellung und dem Engagement, eure Vision Wirklichkeit werden zu lassen, könnt ihr ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen und einen positiven Beitrag leisten.

Wo steht Impossible Cloud in einem Jahr?
In einem Jahr sehe ich Impossible Cloud als etablierten Akteur im europäischen Cloud-Markt, mit einer starken Präsenz und einem soliden Kundenstamm, der unsere sichere und skalierbare Cloud-Lösung schätzt. Wir entwickeln unsere Technologie ständig weiter und planen, unser Netzwerk aus Rechenzentren hierzulande und in Europa noch massiv auszubauen, um den – auch dank KI – stark steigenden Bedarf an Kapazitäten zu decken. Langfristig werden wir Milliarden von Netzwerkknoten und Geräten zu einem vollständig programmierbaren und intelligent verteilten Netz verknüpfen: Eine Plattform, die überall und immer verfügbar ist. Auf dieser Plattform werden wir weitere Cloud-Dienste aufbauen und sie perspektivisch auch für andere Unternehmen öffnen, damit diese eigene Cloud-Dienste aufsetzen können. 

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Foto (oben): Impossible Cloud

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.