#Interview

“Ich musste mein Mindset in vielerlei Hinsicht ändern”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich definiere grundsätzlich feste Zeiten zum Abschalten. Ohne diese klappt ein Abschalten erfahrungsgemäß nicht", berichtet Florian Wilhelm von kluuf über seine Erfahrungen als Gründer.
“Ich musste mein Mindset in vielerlei Hinsicht ändern”
Freitag, 15. März 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Florian Wilhelm von kluuf. Das Hamburger Startup hat sich nachhaltigen und veganen Beauty-Produkten für Männern verschrieben.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Dazu kann ich nur eine Klischee-Antwort geben: Es gibt keinen normalen Tag! kluuf ist ein noch so junges Startup, da gibt es keine festen Routinen. Dennoch versuche ich, den Tag mit vertrauten Arbeiten zu starten, um in einen Flow zu kommen. Sei es, neue Bestellungen zu prüfen und sicherzustellen, dass diese auch vollständig und korrekt ans Lager übertragen werden, oder die Finanzplanung abzugleichen. Es sei denn, es brennt irgendwo – dann hat das natürlich Vorrang.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Ich definiere grundsätzlich feste Zeiten zum Abschalten. Ohne diese klappt ein Abschalten erfahrungsgemäß nicht. Dann lese ich wahnsinnig gern – ich bin ein absoluter Bücher-Nerd – oder bewege mich zum Stressabbau. Das funktioniert für mich am besten beim Joggen. Ansonsten koche ich gern und habe vor kurzem gelernt, dass hierbei der Frontalkortex, der analytische Teil des Gehirns, entlastet wird, weil der motorische Kortex mehr gefordert wird. Also die perfekte alternative Entspannungsaktivität für mich. Der positive Nebeneffekt: Meine Freundin freut es auch, wenn abends etwas Leckeres zu Essen auf dem Tisch steht. Klassisches Win-win!

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Dass der Businessplan, egal wie komplex und ausgereift er sein mag, niemals so kommen wird, wie in Excel geplant. Was wir beispielsweise in unserem Plan natürlich nicht berücksichtigt hatten, war der Ukraine-Krieg, der sich maßgeblich auf Produktkosten und Konsumverhalten – auch inflationsbedingt – ausgewirkt hat und nach wie vor auswirkt.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Für mich war vieles neu und ich musste mein Mindset in vielerlei Hinsicht ändern. Ich kam aus einer Führungsposition im Großkonzern, wusste, was ich tue, und hatte ein gutes Standing. Als Gründer waren der Großteil meiner Aufgaben Neuland und Standing hatte ich in dieser Rolle gar keines. Eine ganz andere Welt also. Besonders herausfordernd war unsere Produktion während der Covid-Zeit. Als kleines Unternehmen hat man selten Priorität bei Zulieferern und Dienstleistern. Hier muss man Ausdauer beweisen und mitunter hartnäckig bleiben, um Partner von seiner Vision zu begeistern und zum Zuge zu kommen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Gefühlt, mache ich jeden Tag Fehler und für das Startup ist es überlebenswichtig, aus diesen zu lernen. Der vielleicht größte Fehler bisher war unsere geradlinige Wachstumsplanung. Bisher vergeht bei kluuf kein Monat wie der andere, was im Klartext bedeutet: auf einen sehr verkaufsstarken Monat kann ein enorm Schwacher folgen. Dies wirkt sich wiederum maßgeblich auf unsere Cash-Position aus, aber auch darauf, wie und wann wir produzieren müssen, oder unmittelbar auf andere Elemente der Supply-Chain. Hier haben wir aber mittlerweile unsere Planung verbessert und arbeiten mit Durchschnittswerten und einer Bufferzone, was in den letzten Monaten sehr gut funktioniert hat. Auch haben wir unsere Kommunikation an unsere Partner verbessert und geben offen an, wenn wir noch keine gute Planungsgenauigkeit liefern können, und versuchen stattdessen, mit möglichen Abweichungen ein besseres Verständnis zu schaffen. Was wir merken, ist, dass diese Art der Offenheit tatsächlich Vertrauen schafft und die Zusammenarbeit immens verbessert.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Die Mitarbeitersuche in Zeiten des Fachkräftemangels ist für alle ein schwieriges Thema. Ich bin glücklicherweise ganz gut vernetzt und frage zunächst bei Freunden, Bekannten und ehemaligen Kollegen, ob sie personelle Empfehlungen haben. Das funktioniert bisher ganz gut, wohlwissend, dass das mit dem Wachstum von kluuf und dabei steigenden Personalbedarf schwieriger werden kann. Darüber hinaus ist es enorm wichtig, vorab transparent zu kommunizieren, was erwartet wird und was wir als Firma bieten können. Die Arbeit in einem Startup ist nicht grundsätzlich und für jeden attraktiv, hier braucht es mitunter einiges an Eigenverantwortung und Eigenständigkeit, um Aufgaben praktisch umzusetzen.
Im Gegenzug gibt es dafür ganz viel Gestaltungsspielraum.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Ich bin nicht sicher, ob ich in der Position bin, anderen Gründern Rat zu geben, aber ich denke, dass wir alle noch weiter zusammenrücken und zusammenarbeiten können. Die wenigsten von uns sind in einer “Winner-Takes-it-all”-Situation und auch für Startups aus der gleichen Branche ist der Markt groß genug. Gerade was nachhaltige Startups wie kluuf angeht, bin ich überzeugt, dass wir, wenn wir die großen, etablierten Marktteilnehmer zu mehr Nachhaltigkeit bewegen wollen, nur gemeinsam Erfolg haben können. Das Gleiche gilt natürlich auch für Startups mit gesellschaftlicher Verantwortung. Am Ende des Tages möchten wir die Welt ein kleines bisschen besser machen. Das geht gemeinsam viel besser als alleine!

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Diese Antwort ist tatsächlich relativ simpel, aber würde es Shopify, oder vergleichbare Anbieter, nicht geben, hätten wir kluuf niemals gegründet. Für uns war es wichtig, unseren Online-Shop selbst gestalten zu können und auch laufend selbst nachschärfen zu können – und dies ohne Zeitverzögerung oder große IT-Budgets.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Meiner Meinung nach ist der wichtigste Treiber für gute Stimmung, dass wir verstehen, wie privilegiert wir sind, die Möglichkeit zu haben, ein Startup zu führen, mit dem wir uns identifizieren und welches wir aktiv mitgestalten können. Erfolg hat selbstredend mit harter Arbeit, aber auch mit einer Portion Glück zu tun. Durch kluuf’s soziale Mission habe ich zu schätzen gelernt, dass Bildung in einigen Teilen der Welt ein Luxusgut ist, und mir wurde deutlich, welch geringe Möglichkeiten ohne Bildung überhaupt bleiben. Gerade wenn es mal nicht ganz so rund bei uns läuft, hilft es mir, mich darauf zu besinnen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das für mich wildeste Startup-Erlebnis war ein globaler Beauty-Pitch vor einer Jury aus Experten und Prominenten. Das Event fand digital statt und vor dem Start befanden sich alle Teilnehmer in einer Art digitalen Warteraum. Ich habe mich sehr nett mit jemandem unterhalten und als es losging, festgestellt, dass meine Gesprächspartnerin nicht eine Teilnehmerin, sondern eine Jurorin war. Und so kam es, dass ich einen Fünf-Minuten-Smalltalk mit Amanza Smith von Selling Sunset gehalten habe, was zu großer Begeisterung im Freundeskreis führte!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): kluuf