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DefenseTech-Startups, an denen niemand vorbei kommt

Die großen Rüstungskonzerne sind in einem Millardenmarkt unterwegs. Startups wie Helsing, Quantum-Systems oder Arx möchten diesen Markt nun aufmischen. Das passende Schlagwort dazu lautet DefenseTech. Investoren wie Lakestar und Project A haben das Segment bereits für sich entdeckt.
DefenseTech-Startups, an denen niemand vorbei kommt
Montag, 26. Februar 2024VonAlexander Hüsing

Software, aber vor allem KI-Technologien, werden die Kriege der Zukunft entscheiden. Das passende Schlagwort dazu lautet DefenseTech. Gemeint sind damit insbesondere Technologien und Innovationen im Verteidigungssegment. Die Bandbreite der Themen ist dabei extrem vielfältig, darunter fallen Waffen- und Rüstungssysteme, Überwachungs- und Aufklärungssysteme, unbemannte Fahrzeuge und Drohnen sowie alles rund um Kommunikationstechnologien und Cyberabwehr.

“Was einst Spähtrupps über Stunden an Informationen zusammentrugen und dann in ein mehr oder minder genaues Lagebild der feindlichen Stellungen und Kampfeskraft übersetzten, geschieht heute mithilfe von Sensorik und Algorithmen – und praktisch in Echtzeit”, schrieb das Manager Magazin zuletzt über den Milliardenmarkt DefenseTech. Und der Markt ist noch viel größer als es auf den ersten Blick scheint. Denn zahlreiche Themen fallen bisher nicht unter das neue Schlagwort. Das Stichwort hirzu lautet Dual-Use-Technologien. Damit sind Technologien gemeint, die sowohl einem militärischen Zweck dienen als auch zivil eingesetzt werden können. “Nicht alle Gründer möchten ihre Technologien offen als ‘militärisch tauglich’ positionieren, da in der Vergangenheit das Thema Rüstung für viele Investoren ein Tabu war”, schrieb Gründerszene kürzlich über das Segment.

Das bekannteste deutsche DefenseTech ist derzeit ohne Frage das Münchner Unternehmen Helsing, 2021 von Torsten Reil, Niklas Köhler und Gundbert Scherf gegründet. Das Startup setzt auf “KI-Fähigkeiten für den Sicherheits- und Verteidigungsbereich”. Konkret soll das Unternehmen etwa Soldat:innen dabei helfen, Gefechtslagen einzuschätzen oder militärische Ziele auszuwählen. Die Software soll dabei Muster hinter Daten aus Kameras, Wärmebildern, Radardaten und anderen Sensoren erkennen können. Dafür investierten General Catalyst, Saab Gruppe und La Famiglia zuletzt 209 Millionen Euro in das Unternehmen. Die Bewertung lag bei 1,7 Milliarden Euro.

In München, Paris, Berlin und London arbeiten bereits mehr als 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Helsing. Der militärische Ritterschlag für die junge Firma kam im Sommer 2023 als das Unternehmen einen Großauftrag der Bundeswehr ergattern konnte. Konkret geht es darum, den Eurofighter bis 2028 fit für den Elektronischen Kampf (EK) zu machen. “Die KI-Lösung von Helsing ermöglicht es, erfasste Radardaten on-board zu analysieren und innerhalb von Millisekunden präzise Selbstschutzmaßnahmen zu ermitteln. Damit erhält die Luftwaffe Zugang zur modernsten EK-Anlage im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz”, teilte das Helsing-Team damals mit.

Das Münchner Unternehmen Quantum-Systems, 2015 von Florian Seibel, Michael Kriegel, Tobias Kloss und Armin Busse gegründet, passt im Gegensatz zu Helsing perfekt ins Dual-Use-Segment. Denn die Jungfirma setzt auf elektrisch angetriebene Drohnen samt Multisensor-Technologie. HV Capital, DTCP, Project A Ventures, Thiel Capital, ScaleUp Fonds Bayern, Omnes Capital und Airbus Ventures investierten zuletzt 63,6 Millionen Euro in das Unternehmen. Insgesamt flossen nun schon über 100 Millionen in Quantum-Systems.

“Konflikte, Katastrophen oder Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten rund um den Globus haben den Bedarf an robusten Systemen, die kommerziellen und staatlichen Kunden den entscheidenden Informationsvorsprung verschaffen, enorm erhöht – sei es in der Geschäftswelt oder auf dem Schlachtfeld”, teilt das Unternehmen zur Investmentrunde mit und unterstrich dabei die zivilen und militärischen Einsatzmöglichkeiten seiner Produkte.

“Die jüngsten geopolitischen Ereignisse haben deutlich gemacht, dass wir es uns als Risikokapitalgeber nicht länger leisten können, die Komplexität der Verteidigungstechnologie zu ignorieren, zu der auch Dual-Use-Konzepte mit vielfältigen Anwendungen gehören. Deshalb sind wir stolz darauf, Quantum Systems weiterhin dabei zu unterstützen, ein wichtiger Dual-Use-Anbieter zu werden, der die Widerstandsfähigkeit der europäischen und westlichen Technologie stärkt”, sagte Uwe Horstmann von Project A Ventures zum Investment in das Unternehmen.

“Ich glaube, dass wir Europäer besonders im Bereich Dual Use wirklich führend werden können, weil wir in dem Bereich immer auch den zivilen Nutzen mitdenken. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir dafür unseren gesellschaftlichen Pakt noch einmal neu evaluieren müssen. Denn Cluster entstehen nur, weil Staat, Wirtschaft und Forschung zusammenarbeiten und Anreize schaffen”, sagte Horstmann zudem kürzlich im Gespräch mit Tagesspiegel Background.

Horstmann und Project haben das derzeitige Boomthema DefenseTech früh entdeckt und damit salonfähig gemacht. Der Berliner Geldgeber investierte zuletzt auch in das Münchner DefenseTech Arx, von Marc Wietfeld, Stefan Röbel, Maximilian Wied und Marcel Schorr als Spin-off des Gereon-Forschungsprojekts an der Universität der Bundeswehr München gegründet. Das Unternehmen entwickelt autonome unbemannte Bodenfahrzeuge (UGV) für militärische und zivile Zwecke. “Ziel ist es, Soldaten und zivile Ersthelfer dabei zu unterstützen, in lebensbedrohlichen Situationen bessere Entscheidungen zu treffen und effektivere Maßnahmen zu ergreifen”, teilt das Team mit.

Lakestar, Mosaic Ventures, Costanoa Ventures und Tectonic Ventures wiederum investierten in den vergangenen Jahren bereits rund 40 Millionen US-Dollar in Auterion, ein DefenseTech aus Zürich. Zudem stiegen zuletzt der frühere Google-Chef Eric Schmidt und das Family-Office der Unternehmerfamilie Diehl (unter anderem in der Rüstungsindustrie unterwegs) bei Auterion ein. Das Unternehmen, 2018 von Lorenz Meier und Kevin Sartori gegründet, entwickelt ein Betriebssystem für zivile und militärische Drohnen.

Auch für Janna Ensthaler vom Green Generation Funds ist DefenseTech “aktuell vielleicht der größte VC-Trend überhaupt”. “Das Ökosystem formt sich bereits”, sagt sie zum Trendthema. Die Geldgeberin beobachtete zuletzt “zahlreiche beeindruckende Teams, die an NextGen-Lösungen arbeiten, hauptsächlich an: Drohnen, Cybersecurity, autonomous Vehicles und Energiesystemen für Waffensysteme”.

Neben Helsing, Quantum-Systems, Arx und Auterion mischen zudem noch Unternehmen wie Hattec aus München (KI-gesteuerte Drohnenschwärme), Mayday.ai aus Darmstadt (“Al Fused Event Intelligence”), Polaris (wiederverwendbare Schwerlastrakete) und Traversals aus Uttenreuth (Lageberichte zu Krisensituationen) im Boomsegment DefenseTech mit. Es wird spannend zu sehen sein, welche weiteren klassischen Investoren sich noch in dieses Segment trauen. Und wie die klassischen Rüstungsfirmen auf die neue Konkurrenz reagieren.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.