#Gastbeitrag

Die Magie der Krise – ein Plädoyer für Neugründungen

Die Zahl der neu gegründeten Startups ist im vergangenen Jahr gesunken. Es ist deswegen Zeit für einen Appell: Liebe Gründerinnen und Gründer, traut euch, im neuen Jahr ein Unternehmen zu starten. Ein Gastbeitrag von Tobias Schulz.
Die Magie der Krise – ein Plädoyer für Neugründungen
Freitag, 26. Januar 2024VonTeam

Ja, jetzt in der Krise. Finanzierungen für Startups sind zwar insgesamt schwieriger geworden, aber wer auf Kapitaleffizienz achtet, hat immer noch gute Chancen auf ein Seed-Investment.

Viele erfolgreiche Unternehmen werden in herausfordernden Zeiten gegründet. Wir alle kennen doch die Beispiele amerikanischer Tech-Unternehmen, die nach dem Platzen der Dotcom-Blase gegründet wurden, so wie LinkedIn (2002), Facebook (2004), Youtube (2005). Krisenjahre sind prägend und können langfristig sehr erfolgreich sein. Wir können das aus eigener Erfahrung beim High-Tech Gründerfonds bestätigen: Sieben unserer zehn besten Exits wurden in oder nach der Finanzkrise Ende der Nullerjahre gegründet. Warum sollte man also nicht die Chance ergreifen und ein Unternehmen gründen?

Ja, es ist insgesamt schwieriger geworden, eine Finanzierung zu bekommen. 80 Prozent aller europäischen Founder klagen genau darüber, heißt es etwa in der aktuellen Studie “State of European Tech” des Venture Capital-Unternehmens Atomico. Und das Beratungsunternehmen PwC, das gerade den DACH-Raum aus Venture-Capital-Sicht untersucht hat, stellt fest: Die Zahl der Transaktionen ist 2023 insgesamt um rund 40 Prozent zurückgegangen.

Aber – und das ist für alle, die jetzt ihr Unternehmen gründen wollen, die gute Nachricht: Für hervorragende Teams mit innovativen Technologien und Geschäftsmodellen gibt es noch genügend Kapital in der Gründungsphase. Laut PwC ist die mittlere Dealgröße bei Seedinvestments im Jahr 2023 sogar von 1,8 Millionen Euro (2022) auf 2 Millionen Euro gestiegen. Und während sich die Bewertungen von Startups nach dem Boomjahr 2021 insgesamt wieder dem langfristigen Mittel der letzten fünf bis zehn Jahre angenähert haben, sieht das im Seed-Bereich anders aus. Die Pre-Money-Bewertungen haben sich zwar stabilisiert. Es gab aber keine deutliche Korrektur zu den langfristigen Durchschnittswerten wie in anderen Phasen. Dies belegen nicht nur unsere Fondszahlen, sondern auch Marktteilnehmer wie Atomico.

Es könnte sich also durchaus auszahlen, jetzt zu gründen. Natürlich gilt es dabei einiges zu beachten: Wer in herausfordernden Zeiten startet, muss sein Unternehmen von Beginn an kapitaleffizient aufstellen. Investoren richten ihre Finanzierungsrunden nicht mehr hauptsächlich am Wachstum aus. Sie schauen verstärkt darauf, wann ein Unternehmen break even ist. Gründerinnen und Gründer müssen kreativer, schlanker und fokussierter agieren.

Sie müssen sicherzustellen, dass jeder investierte Euro maximale Wirkung zeigt. Sie müssen die Fähigkeit entwickeln, schneller zu iterieren, um auf Marktbedürfnisse zu reagieren. Es gilt auf Kosten zu achten, Kundenfeedback ernst zu nehmen und schnell den Product Market Fit zu finden. Vertrieb und Kundengewinnung gehören ins Zentrum der Geschäftsstrategie. Denn auch für Startups gilt: Langfristig zählt nur der Cashflow. Es ist einfacher, Kapitaleffizienz bereits in frühen Jahren zu lernen, als sich später umstellen zu müssen. Und ohne die starke Konkurrenz von High-Growth-Unternehmen kann das eigene Marketing effektiver werden sowie der Zugang zu Mitarbeitenden und guten Co-Foundern einfacher.

Die Magie der Krise ist, dass die Qualität und Resilienz der Unternehmen, die jetzt starten, höher sein kann als zuvor. Denn Krisenzeiten filtern diejenigen heraus, die wirklich bereit sind, sich dem Markt zu stellen. Sie sind ein Prüfstein für Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereit sind, echte Probleme zu lösen und einen echten Wert zu schaffen. Und ganz nebenbei lernt man vermutlich, gute Zeiten besser zu schätzen und richtig für sich zu nutzen.

Eine gerade erst erschienene Studie des Startup-Verbandes und von startupdetector zeigt: 2023 ist die Zahl der Neugründungen im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent zurückgegangen; es waren im vergangenen Jahr insgesamt 2489 Startups, die den Mut zur Gründung hatten.

Von diesem Mut brauchen wir mehr. Denn Technologie und Unternehmertum sind und bleiben der Treiber für eine produktive und gesunde Wirtschaft. Wir brauchen Gründerinnen und Gründer, die beweisen, dass ihre Geschäftsmodelle auch in Krisenzeiten Bestand haben. Wer jetzt gründet und durchhält, wird belohnt, wenn das Klima für Anschlussrunden wieder besser wird. Und ist in ein paar Jahren beim nächsten Boom bereit für einen Exit.

Über den Autor
Tobias Schulz ist Principal beim High-Tech Gründerfonds (HTGF).

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Shutterstock