#Interview

“Wenn ich aufgewühlt bin, hilft es mir, ein Eisbad zu nehmen”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Beschäftige dich nicht so viel mit den Zweiflern an deiner Idee, davon gibt es immer mehr als genug. Solange du und dein Team dran glauben, ist alles gut", gibt Andreas Leonhard von couch:now anderen Gründer:innen als Tipp.
“Wenn ich aufgewühlt bin, hilft es mir, ein Eisbad zu nehmen”
Freitag, 15. Dezember 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Andreas Leonhard Gründer von couch:now. Das Health-Startup aus Mannheim bietet “die erste intelligente Video-Plattform für mentale Gesundheit”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Nach dem Aufstehen ziehe ich in der Regel meine kleine Morgenroutine durch: 2 Shakes mit Nahrungsergänzungsmitteln, 10 Minuten an die frische Luft, 70 bis 100 Liegestütze, Duschen, 15 Minuten meditieren und los geht’s… Meistens hab ich mir am Vorabend die drei wichtigsten To-dos für den Tag aufgeschrieben. Die, die ich auf jeden Fall schaffen will. Damit lege ich los. Unterbrochen wird das Ganze natürlich von Standups und diversen Meetings. E-Mails versuche ich frühestens ab 10 Uhr zu beantworten…

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
In der Regel koche ich für die Familie zu Abend, das hat eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Dann erzählen meine beiden Töchter, was sie alles am Tag erlebt haben und die Arbeit ist dann meistens erst mal nicht mehr so wichtig und präsent. Wenn ich mal richtig aufgewühlt bin vom Job, hilft es mir, ein Eisbad zu nehmen – hilft super, um runterzukommen und wieder den Fokus zu finden. Ehrlich gesagt wird dann aber später trotzdem oft noch der Laptop wieder aufgeklappt und ein bisschen weitergearbeitet.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Meine erste Gründung ist fast 25 Jahre her. Daher weiß ich es ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau, was ich mir vorher vorgestellt habe. Aber ich denke, was man leicht unterschätzt, ist der lange Atem und das Durchhaltevermögen, das man mitbringen muss. Fast nichts läuft wie geplant, alles dauert länger, als man denkt und nicht selten ist man versucht, den Glauben an die eigene Sache aufzugeben. Das sind dann die Stunden, wo es hart ist und du diesen eisernen Willen in dir hervorzaubern musst, dass du so lange weiter machst, bis es gut wird.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Investoren von der Idee überzeugen und Kapital einsammeln. Für mich persönlich immer wieder die anstrengendste Hürde.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Zu früh zu viel auf einmal wollen und den Fokus verlieren. Es ist so wichtig, sich in den ersten zwei bis drei Jahren auf sein Kernprodukt und zwei bis drei Vertriebsstränge zu fokussieren. An Ideen, was man noch alles machen könnte, mangelt es nie. Die kommen von dir selbst, von deinem Team und haufenweisen Leuten um dich herum. Die Kunst ist es, den Fokus zu behalten, “nein” zu sagen und nicht auf jede Opportunität zu springen. Ich sage heute viel öfter “nein” als früher, schreibe Ideen in mein Backlog und hole sie manchmal erst Jahre später wieder raus.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Es gibt so ein ungeschriebenes Gesetz: Die ersten 15-20 Mitarbeiter entscheiden, ob dein Startup erfolgreich wird. Deshalb ist es so immens wichtig, gerade am Anfang wählerisch zu sein und sich ganz genau zu überlegen, wen man an Bord holt. Ich achte am Anfang meistens mehr auf Team-Chemie als auf Qualifikation. Das heißt auch, dass die ersten Mitarbeiter über die nächsten Mitarbeiter mitentscheiden, diese kennenlernen, bevor ich sie einstelle. Ein harmonisches Team, das gut miteinander kann, ist so wertvoll. Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, wenn Mitarbeiter neue Mitarbeiter empfehlen und diese selbst für das Startup begeistern.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Beschäftige dich nicht so viel mit den Zweiflern an deiner Idee, davon gibt es immer mehr als genug. Solange du und dein Team dran glauben, ist alles gut!

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ehrlich gesagt setzen wir kein externes Tool ein, das nicht durch ein anderes ersetzbar wäre. Ein wesentlicher Bestandteil unseres Produktes ist unsere selbstentwickelte KI. Ohne diese wären wir nicht, was wir sind!

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Indem wir echte Werte gemeinsam erarbeiten und pflegen. Werte wie Respekt, Menschlichkeit, Wertschätzung, Verantwortung. Und indem wir persönliches Wachstum und eine vernünftige Fehlerkultur fördern. Hierzu haben wir auch gemeinsam ein eigenes Manifest entwickelt, das in zehn Punkten definiert, wie wir bei couch:now zusammen arbeiten und leben. Klar gibt es auch Teamevents, gemeinsame Essen und es wird viel gelacht. Aber ich bin davon überzeugt, dass wenn die oben genannten Werte von allen gelebt werden, der Impact auf die Stimmung im Team deutlich höher ist.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Puh, da gibt es so viele. Gründen ist ja schließlich eine einzige Achterbahnfahrt. Einmal hat uns ein großer asiatischer Investor nach Berlin beordert – rund sieben Stunden vor dem Termin. Wir also mitten in der Nacht in Mannheim ins Auto gesprungen und auf die Autobahn (7 Stunden Fahrt). Auf dem Weg wurde mein Co-Founder krank mit übler Grippe (wir wollten uns eigentlich beim Fahren abwechseln und gemeinsam das Meeting rocken). Wir kommen also im Hotel in Berlin an, er geht direkt auf ein Zimmer und schläft, ich treffe den Investor in einem Meetingraum und präsentiere unser Produkt alleine, danach will er noch ins Grill Royale. Neben uns am Tisch sitzen Westernhagen, Clueso und ein paar Musikmanager. Der Investor schmeißt rundenweise teuren Wein – ich kann nichts trinken, weil wir wegen eines Folgetermins am nächsten Tag nachts noch zurückfahren müssen. Mache also gute Miene und feiere nüchtern mit. Danach hol ich meinem kranken Partner im Hotel ab und fahre nachts wieder sieben Stunden von Berlin zurück nach Mannheim. Kurz schlafen, nächster Termin… . Er hat am Ende übrigens nicht investiert. Hätten uns den Höllenritt also auch sparen können…aber so ist nun mal das Startup Life.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): couch:now