#Interview

“Alles was jetzt kommt, ist weniger schwierig zu schaffen”

Bei Scenarium AI aus Berlin dreht sich alles um Gebäudepläne. UVC Partners, Angel Invest und mehrere Business Angels investieren nun 1,6 Millionen in das junge ConTech, das von Katja Elkhanova und Emil Azadian gegründet wurde.
“Alles was jetzt kommt, ist weniger schwierig zu schaffen”
Mittwoch, 15. November 2023VonTeam

Das junge Berliner Startup Scenarium AI, 2023 von Katja Elkhanova und Emil Azadian gegründet, möchte die “die Erstellung von Gebäudeplänen für alle Planungsbeteiligten und alle Planungsphasen automatisieren”.  “Unsere Eltern kommen jeweils beide aus der Bauindustrie: Mein Vater ist Vermessungsingenieur und Emils Vater ist viele Dekaden Bauleiter gewesen – über die Planung von Gebäuden und ihre Tücken haben wir also seit Kindesbeinen gehört”, sagt Gründerin Elkhanova zur Entstehungsgeschichte von Scenarium AI.

Nicht einmal zehn Monate nach der Gründung konnte das Team nun – wie wir vorab in Erfahrung bringen konnten –  erstmals Geldgeber überzeugen. In der Pre-Seed-Finanzierungsrunde investieren UVC Partners, Angel Invest und Business Angels wie Fabian Veit (Make), Anna Gajda (LeanIX), Moritz Luck (Enscape) 1,6 Millionen Euro in Scenarium AI. “Die erste Finanzierung wird dazu beitragen, ein ganzheitliches Produkt für die Elektroplanung zu entwickeln”, teilt das Team mit. 

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Scenarium AI-Macherin Elkhanova außerdem über Schächte, Ziele und Fachkräftemängel.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Scenarium AI erklären?
Wir automatisieren die Erstellung von Gebäudeplänen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz.

Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?:
Zunächst verkaufen wir User-basierte Lizenzen an sogenannte Fachplaner. Das sind Ingenieure, die technische Systeme wie Schächte, Rohre und Kabel in einem Gebäude planen. Diesen sparen wir in erster Linie bis zu 69 % Zeit bei der Erstellung von Plänen ein. Die größten Wertehebel für den Kunden entstehen dadurch, dass wir ein holistisches Planungstool bauen, das statt fragmentierten, out-of-sync Gebäudemodellen alle Planungsschritte aus einem Gebäudemodell, das immer aktuell ist, ableitbar macht. Wir werden so nie Dagewesenes ermöglichen: normkonforme, kollisionsfreie Pläne, die auf Material- sowie Energieeffizienz optimiert sind – und das auf Knopfdruck. In Deutschland haben wir übrigens auch eine Gebührenordnung, die vorgibt, was der Wert von solchen Plänen ist. Wenn wir es schaffen, die wichtigsten Planungsprozessschritte zu automatisieren, reden wir bereits auf mittelgroßen Bauprojekten von Millionenbeträgen, die wir an Wert für Kunden generieren können.

Wie ist die Idee zu Scenarium AI entstanden?
Unsere Eltern kommen jeweils beide aus der Bauindustrie: Mein Vater ist Vermessungsingenieur und Emils Vater ist viele Dekaden Bauleiter gewesen – über die Planung von Gebäuden und ihre Tücken haben wir also seit Kindesbeinen gehört. Darüber hinaus stand ausgehend von unseren Erfahrungen in Bau- und KI-Startups fest, dass wir unser Unternehmen an der Schnittmenge unserer Expertise – unter einigen weiteren Kriterien – gründen wollen. Wo können wir beispielsweise mit den Fähigkeiten von Emil, KI-Pipelines zu bauen, in der Bauindustrie den größten Mehrwert schaffen? Wir haben den Bauprozess analysiert und ein geradezu triviales Problem entdeckt: 50 % des gesamten Bauprozesses, also bis ein physisches Gebäude steht, entfällt auf die Planungsphase. “Wie kann das Zeichnen von Strichen derart lange dauern?”, haben wir uns gefragt. In hunderten Gesprächen haben wir verstanden, warum: Es gibt meist zahlreiche Stakeholder und Schmerzpunkte beim Bauprozess, die in sehr vielen Bereichen überhaupt nicht oder nur sehr schlecht einbezogen und adressiert werden. Nutzer wie ein Elektro-Fachplaner, können zum Beispiel in keinem gängigen Softwareprogramm Kabel zeichnen. Das ändern wir jetzt.

In der Baubranche herrscht derzeit Krisenstimmung. Seid ihr dennoch zur richtigen Zeit unterwegs?
Es gibt kaum eine bessere Zeit als jetzt. Gerade in Zeiten von Kosteneinsparungen und sinkenden Margen schauen sich viele nach Effizienzsteigerungen durch beispielsweise Software um.
Auf der Makroebene haben Platzhirsche in der Bauindustrie das erste Mal seit langem die Kapazität, sich auf Prozessverbesserungen zu fokussieren. Kontrazyklisch sehen wir sich erhöhende Softwareausgaben. Das merken wir auch selbst: Führende Unternehmen kommen proaktiv auf uns zu. Das liegt mitunter an einem weiteren Makrotrend: Die Bauindustrie erlebt einen der schlimmsten Fachkräftemängel in ihrer Geschichte und ist gegenüber anderen Industrien ins Hintertreffen geraten. Ohne signifikante Produktivitätssteigerungen pro Person, hat die Industrie einen immensen Flaschenhals. Einige unserer Pilotpartner mussten Aufträge ablehnen, weil ihnen schlicht das Talent fehlt, um sie auszuführen. Uns spielt natürlich auch in die Hände, dass der jüngste Hype um ChatGPT und hier in Deutschland Aleph Alpha auch die konservativsten Akteure hat verstehen lassen, was mit KI möglich ist. Die Bereitschaft, KI-basierte Software auszuprobieren, war in der Historie der Branche nie so hoch wie heutzutage.

Wie oder wo hast Du Deinen Mitgründer kennengelernt?
Wir kennen uns von Entrepreneur First, einem der größten internationalen Talentinvestoren. Innerhalb von drei Monaten haben wir dort gemeinsam an fünf verschiedenen Ideen gearbeitet und allesamt devalidiert – wir haben inzwischen also ein recht gutes Auge für Dinge, die nicht funktionieren. Umso mehr Überzeugung haben wir deswegen bezüglich der Vision von Scenarium AI. Dass wir als Gründer sehr kompatibel sind, haben wir vor allem an drei Dingen gemerkt: Die starke Ergänzung unserer jeweiligen Stärken durch die andere Person, unser Alignment darauf, welche Art von Company wir bauen möchten – vor allem in Bezug auf Kultur – und unser beidseitiger analytischer, lösungsorientierter Ansatz bei Herausforderungen.

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Ziele haben ist nicht so schwer. Die Frage ist, was man bereit ist, zu tun, um sie zu erreichen. Wir haben unsere finanziellen Ressourcen bei der Ideevalidierung so erschöpft, dass wir auf Hartz4 weitergearbeitet und zwei Wochen davon entfernt waren, die Miete nicht zahlen zu können. Wir mussten aus unseren von Gründerersparnissen nicht zu finanzierenden Wohnungen ziehen. Einer von uns hat sich entschieden, Familienplanung, zunächst aufzuschieben, um sich 100 % der Gründung zu widmen. Alles sehr menschliche Herausforderungen – alles was jetzt kommt, ist weniger schwierig zu schaffen.

Ihr konntet gerade Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Wir hatten riesiges Glück. Einer unserer frühesten Unterstützer hat uns eine Intro zu UVC Partners gemacht, die schlussendlich als Lead Investor investiert haben.

Wo steht Scenarium AI in einem Jahr?
Wir haben ein Produkt gebaut, das erste zahlende Kunden produktiv und glücklich macht.

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Foto (oben): Scenarium AI