#Interview

“Am Ende ist Fundraising nichts anderes als Sales”

Das junge Startup deskbird startete als Plattform für die Buchung von Coworking Spaces. "Doch die Pandemie dauerte an, deskbird stand kurz vor der Insolvenz", sagt Gründer Ivan Cossu. Es folgte ein Pivot zur B2B-Software für die Arbeitsplatzverwaltung".
“Am Ende ist Fundraising nichts anderes als Sales”
Mittwoch, 1. November 2023VonAlexander Hüsing

Das Startup deskbird aus St. Gallen, 2020 von Ivan Cossu und Jonas Hess gegründet, bietet eine Softwarelösung an, mit der Unternehmen hybride Arbeitsplätze managen können. “Mitarbeiter können per App Schreibtische im Büro buchen und Officemanager erhalten in Echtzeit Einblicke in die Büronutzung. Einige Extras wie ein Gesundheitscheck und ein Kaffee-Matching-Tool runden das Angebot ab”, teilt das Startup mit. Alstin Capital, AXA Venture Partners (AVP) und Co. investierten zuletzt 13 Millionen US-Dollar in das Unternehmen.

Ursprüngliche wollte das Team eine Plattform für die Buchung von Coworking Spaces bauen. “Doch die Pandemie dauerte an, deskbird stand kurz vor der Insolvenz und ein drastischer Kurswechsel musste her. Im Juni 2021 fand der Pivot statt und deskbird wurde zur B2B-Software für die Arbeitsplatzverwaltung”, blickt Gründer Cossu zurück. Der Pivot ging auf: Derzeit arbeiten 80 Mitarbeitend für deskbird. “In den letzten 12 Monaten haben wir unseren Umsatz vervierfacht”, sagt Cossu.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der deskbird-Gründer außerdem über Kaltakquise, Menschen und das Valley of Death.

Wie würdest Du Deiner Großmutter deskbird erklären?
Im Hotel bucht man an der Rezeption ein Zimmer, wenn man dort übernachten möchte. Im Büro bucht man mit deskbird einen Schreibtisch, wenn man dort arbeiten möchte.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Die ursprüngliche Idee war es, eine Plattform für die Buchung von Coworking Spaces zu bauen. Die Idee kam Jonas Hess und mir nachts bei einem Bier im Hotel nach einem langen BCG-Projekttag. Kurz darauf haben wir unsere Jobs gekündigt, um in Vollzeit an unserer Idee zu arbeiten, und deskbird gegründet. Doch die Pandemie dauerte an, deskbird stand kurz vor der Insolvenz und ein drastischer Kurswechsel musste her. Im Juni 2021 fand der Pivot statt und deskbird wurde zur B2B-Software für die Arbeitsplatzverwaltung.

Was war die größte Herausforderung, was die größte Schwierigkeit bei diesem Pivot?
Wir haben inmitten der Pandemie pivotiert und es war noch schwierig abzusehen, ob die Veränderungen in der Arbeitswelt ein temporärer Ausnahmezustand oder eine dauerhafte Entwicklung waren. Zum Beispiel wussten wir nicht, ob nach den Lockdowns Unternehmen ihre Mitarbeitenden nicht wieder zu 100 % ins Büro holen wollten. Unser Bauchgefühl sagte uns jedoch, dass dies nicht so sei, und heute liegen wir damit vollkommen richtig.

Welchen Tipp gibst du anderen Gründer:innen, die vor einem Pivot stehen?
Am besten versuchen, schon Verträge mit Kunden zu schließen, bevor das Produkt überhaupt fertig ist. Viele Leute sagen einem, dass sie ein Produkt cool finden. Aber wer würde es am Ende wirklich kaufen? Erst, wenn Kunden auch wirklich “die Brieftasche öffnen”, geht es in Richtung Product-Market-Fit. Deshalb möglichst früh versuchen, Verbindlichkeit von möglichen Kunden zu erhalten.

Wie genau funktioniert nun euer Geschäftsmodell?
Mit unserer SaaS-Lösung können Unternehmen die Herausforderungen hybrider Arbeit meistern. Mitarbeitende wissen, wer wann im Büro ist, planen ihre Arbeitsorte und buchen Schreibtische, Meetingräume und andere Ressourcen. Administratoren sehen Statistiken zur Büronutzung und Verhalten der Belegschaft.

Wie hat sich deskbird seit der Gründung entwickelt?
Mittlerweile zählt deskbird über 80 Mitarbeitende aus rund 20 Ländern. Unsere Software wird in mehr als 5.000 Büros von über 100.000 Benutzer:innen weltweit verwendet. In den letzten 12 Monaten haben wir unseren Umsatz vervierfacht.

Zuletzt konntet ihr 13 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Am Ende ist Fundraising nichts anderes als Sales: ein Numbers’ Game. Wir haben möglichst viele Investoren auf möglichst vielen Wegen angesprochen: Kaltakquise, Messen, Intros über bestehende Investoren etc. Es hat sich gelohnt, denn mit ALSTIN Capital und AXA Venture Partners (AVP) haben wir nun zwei neue Partner mit an Bord, die vollkommen hinter uns stehen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Da gäbe es zu viel, um alles aufzuzählen. Ganz schief ist zum Glück noch nichts gegangen, sonst gäbe es uns nicht mehr. Allerdings gab es viele kleine Dinge, die nicht optimal gelaufen sind. Einmal war es eine Software, die uns am Ende mehr Energie gekostet hat als Zeit gespart. Auch im Marketing haben wir verschiedene Kanäle ausprobiert, die für uns nicht geeignet waren, wie sich dann herausgestellt hat. Das ist aber auch okay. Ein erfahrener Gründer hat mir mal gesagt: „Wenn nicht ab und zu mal etwas kaputt geht, dann ist man zu langsam unterwegs.”

Und wo habt ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben stets einen starken Fokus auf Wachstum gelegt und sind entsprechend viel Risiko eingegangen. Das bedeutet auch, dass wir das Gaspedal ständig durchgedrückt halten, denn ein Startup muss per Definition in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Umsatzwachstum schaffen. Sonst ist es kein Startup, sondern ein KMU.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Am Ende sind Menschen der entscheidende Erfolgsfaktor. Es lohnt sich, ausgesprochen viel Zeit zu investieren, bis man den richtigen Mitgründer oder die richtige Mitgründerin und die besten Mitarbeitenden gefunden hat.

Wo steht deskbird in einem Jahr?
In einem Jahr möchten wir die magische Grenze von 10 Millionen US-Dollar ARR knacken. Viele sagen, dass man sich als Startup vor Erreichen dieser Grenze in einem “Valley of Death” befindet. Nur eines von 250 SaaS-Startups schafft es auf mehr als 10 Millionen US-Dollar ARR. Wir werden die nächsten 12 Monate alles Menschenmögliche tun, um dazuzugehören.

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Foto (oben): deskbird

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.