#Interview

“Ich hatte das Gefühl, den Fokus zu verlieren”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Mein Tag startet an sich recht früh. Nach der ersten Tasse Kaffee, die wir beide gemeinsam trinken, mache ich erst einmal Sport oder gehe ausgiebig spazieren, um den Kopf für den Tag direkt frei zu haben", sagt Carmine Siena, Gründer von Compounder.
“Ich hatte das Gefühl, den Fokus zu verlieren”
Mittwoch, 2. August 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Evelyn Wagner, Paula Vorbeck und Carmine Siena, das Gründerteam von Compounder. Das Kölner Startup möchte Studienbewerbungsprozess erleichtern.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Wagner: im Bett die ersten Mails checken, eventuell lesen oder joggen, duschen, mit dem Fahrrad ins Büro fahren und dort mit einem Kaffee in den Arbeitsalltag starten.

Vorbeck: Mit einer Dusche und einem großen Kaffee.

Siena: Mein Tag startet an sich recht früh, da meine Freundin selbst für ihren Job früh aufstehen muss. Nach der ersten Tasse Kaffee, die wir beide gemeinsam trinken, mache ich erst einmal Sport oder gehe ausgiebig spazieren, um den Kopf für den Tag direkt frei zu haben. Danach frühstücke ich eine Kleinigkeit und fahre dann los ins Büro.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Wagner: Unterschiedlich – ich spiele zwei Mal die Woche nach der Arbeit Tennis oder unternehme etwas mit meinem Freund oder Freundinnen.

Vorbeck: Ich verbringe Zeit mit meiner kleinen Tochter.

Siena: Ganz unterschiedlich. Am liebsten lese ich ein Buch oder spiele ein Videospiel. Oftmals steht nach Feierabend auch noch ehrenamtliches Engagement als Fußball-Schiedsrichter oder in der Politik an.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Wagner: Dass man auf jeden Fall sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen braucht und flexibel sein muss, denn die meisten Dinge brauchen länger und kommen sowieso anders als geplant.

Vorbeck: Manche Dinge brauchen viel länger, als man denkt und man braucht viel Geduld

Siena: Dass das Sprichwort”Selbständig sein bedeutet selbst und ständig zu arbeiten” leider doch öfter wahr ist, als man es wahrhaben möchte.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Wagner: Seinem Ziel und seiner Vision treu zu bleiben und nicht jedes Feedback von vermeintlichen “Experten” direkt anzunehmen, ohne zu hinterfragen. Außerdem, einen guten Programmierer zu finden, der auch gut ins Team passt.

Vorbeck: Den richtigen Programmierer als Gründungsmitglied zu finden

Siena: Der bürokratische Dschungel, durch den man sich in Deutschland schlagen muss – mitunter das monatelange Warten auf eine Steuernummer und Umsatzsteuer-ID, ohne die ja leider auch kein operatives Arbeiten möglich ist.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Wagner: Ich hatte zeitweise das Gefühl, den Fokus und die Vision aus den Augen zu verlieren, weil ich vor allem am Anfang viel auf Leute gehört habe, die zwar für mich zu dem Zeitpunkt erfolgreiche Unternehmer waren, jedoch gar keine Ahnung von unserem Markt hatten. Mittlerweile kann ich aber recht gut unterscheiden, wessen Feedback akzeptiert und wessen lieber nochmal hinterfragt werden sollte.

Vorbeck: Anfangs habe ich unsere Dienstleistung so verkauft, wie ich sie sehe und nicht wie die Kunden es sehen sollten. Seitdem ich das geändert habe, erzielen wir viel mehr Abschlüsse

Siena: Mit einer völlig überhöhten Bewertung in die ersten Investorengespräche gegangen. Nachdem man dann komplett “zerrissen” wurde, versteht man, dass man sich wirklich tiefgehend mit den internen Zahlen und Prozessen befassen muss, um ordentlich argumentieren und – viel wichtiger – potenzielle Investoren vom eigenen Business überzeugen zu können.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Wagner: Man sollte während des Bewerbungsgesprächs die “richtigen” Fragen stellen und damit versuchen, herauszufinden, ob die Person sowohl menschlich als auch von der Motivation und der beruflichen bzw. arbeitstechnischen Perspektive zum eigenen Team passt.

Vorbeck: Man sollte unvoreingenommen an die Sache ran gehen und den Leuten die zukünftigen Perspektiven des Startups aufzeigen

Siena: Natürlich geht es primär um die Qualifikation des jeweiligen Bewerbers. Für mich ist aber am wichtigsten, dass der Charakter auch zum Team selbst passt. Wenn ein Bewerber tadellose Erfahrung hat, aber die Chemie nicht stimmt, dann schadet das am Ende mehr, als es hilft. Von daher sollte man nicht unterschätzen, dass man auch weniger erfahrene Persönlichkeiten einstellen und „formen“ bzw. begleiten sollte, sofern diese dafür perfekt ins Team passen und dieses einfach auch mit ihrer Art bereichern.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Wagner: Geduld haben, sich nicht von seinem Zeil abbringen lassen und sich Mitgründer suchen, die einen auch in schwierigen Zeiten motivieren und unterstützen

Vorbeck: Macht weiter! Egal wie hart der ein oder andere Moment ist

Siena: Reden, reden, reden – der größte Fehler, den viele Gründer begehen, ist nicht über die eigene Idee zu sprechen, da sie befürchten, dass jemand ihre Idee stiehlt. Das ist aber eine völlig falsche Herangehensweise, da man so eben lange (oder nie) erfährt, ob sich das Produkt/der Service überhaupt auf dem Markt etablieren könnte, sprich ob man überhaupt wirklich ein Problem löst und dieses nicht einfach nur einredet.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Wagner: Microsoft Teams & HubSpot

Vorbeck: Das Internet.

Siena: In meinem Fall ein Code Editor (bspw. Sublime Text, welchen ich nutze), da ich ohne einen solchen schlecht eine Plattform programmieren könnte.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Wagner: Indem wir ein entspanntes, lockeres Verhältnis auf Augenhöhe zu einander pflegen und viele Dinge mit Humor nehmen.

Vorbeck: Flache Hierarchien, jeder ist, wie er ist

Siena: Wir haben alle die gleiche Art Humor und sorgen daher mit allerlei Witzen, Memes, Reels und Blödsinn für eine tolle Stimmung. Das ein oder andere Kölsch und/oder ein Aperol an einem Freitagnachmittag sind natürlich auch sehr beliebt…

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Wagner: Der Auftritt auf dem größten europäischen Wettbewerb für Startups, die aus Hochschulen gegründet wurden, der StageTwo in Berlin sowie die Reise nach Finnland zum „Tahko Ski Lift Pitch“ mit Carmine und dem GATEWAY Accelerator.

Vorbeck: Der Gewinn des Pitch-Wettbewerbs bei der StageTwo in Berlin

Siena: Anfang April 2022 waren meine Mitgründerin Evelyn und ich im Zuge unserer starken Performance im GATEWAY Accellerator (Accellerator-Programm der Universität zu Köln) auf dem größten finnischen Startup-Event namens „Tahko Ski-Lift Pitch“. Die knappe Woche in Finnland mit tollen anderen Gründern, fantastischen Gastgebern und einem spannenden Event an sich haben bleibende Erinnerungen und Freundschaften gebracht.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Durchstarten in Köln – #Koelnbusiness

In unserem Themenschwerpunkt Köln werfen wir einen Blick auf das Startup-Ökosystem der Rheinmetropole. Wie sind dort die Voraussetzungen für Gründer:innen, wie sieht es mit Investitionen aus und welche Startups machen von sich reden? Mehr als 550 Startups haben Köln mittlerweile zu ihrer Basis gemacht. Mit zahlreichen potenziellen Investoren, Coworking-Spaces, Messen und Netzwerkevents bietet Köln ein spannendes Umfeld für junge Unternehmen. Diese Rubrik wird unterstützt von der KölnBusiness Wirtschaftsförderung. #Koelnbusiness auf LinkedInFacebook und Instagram.

KoelnBusiness

Foto (oben): Compounder