#Interview

“Es geht auch aktuell was! Bleibt dran!”

Das junge Startup heynannyly hilft Unternehmen sich familienfreundlich aufzustellen. Zunächst setzten die Gründerinnen auf Bootstrapping, dann erfolglos auf Crowdfunding. Kürzlich konnte das Team trotz Krise 1,6 Millionen einsammeln und geht nun auf Expansionskurs.
“Es geht auch aktuell was! Bleibt dran!”
Dienstag, 18. Juli 2023VonAlexander Hüsing

Das Startup heynannyly aus Höchstadt, das 2022 von Anna Schneider und Julia Kahle gegründet wurde, setzt auf Kinderbetreuung. Über die heynannyly-App können berufstätige Eltern “kurzfristig einen Babysitter buchen, auch speziell für die Hausaufgabenbetreuung sowie für Transportdienste”. Dabei arbeitet das Unternehmen “ausschließlich mit Unternehmen, die diesen Service an ihre Mitarbeiter:innen weitergeben, bezuschussen und gleichzeitig Steuern sparen”.

Investoren wie NCA, Czernin · Godulla · Sellier (CGS), CK Venture und zahlreiche Business Angels investierten zuletzt 1,6 Millionen Euro in das junge Unternehmen. Die passenden Geldgeber fand das Team über “LinkedIn, Kontakte von anderen Gründer:innen und über Events. Unser Auftritt bei der OMR hat zuletzt auch nochmal für Sichtbarkeit geholfen”, sagt Gründerin Kahle. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht die heynannyly-Macherin außerdem über Eishockey, Schichtbetrieb und Innovationen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter heynannyly erklären?
Wir schaffen Freiheit und Flexibilität für Menschen, die arbeiten und sich gleichzeitig um ihre Kinder oder ihre eigenen pflegebedürftigen Eltern kümmern. Über unser Nanny-Portal können aktuell mehr als 20.000 Betreuer:innen eigenständig online gebucht werden. Dabei arbeiten wir ausschließlich mit Unternehmen, die diesen Service an ihre Mitarbeiter:innen weitergeben, bezuschussen und gleichzeitig Steuern sparen.

Wie ist die Idee zu heynannyly entstanden?
Meine Co-Founderin Anna hatte die Idee. 12 Jahre war sie neben ihrem HR-Führungsjob als Babysitterin in den USA, Österreich und Deutschland unterwegs und hat den Pain aus Sicht der Nanny gesehen. Ein toller, meist unversicherter Job, bei dem es nicht leicht ist an gute Haushalte zu kommen. Gleichzeitig kannte Anna den hohen Turnover in Unternehmen und das Retention Thema. Ich bin selber Mama von zwei Kindern und habe den Vereinbarkeits-Struggle mit Vollzeitarbeit und ständig ausfallenden Regel-Betreuungen kennengelernt. Während Corona habe ich meinen Konzern-Führungsjob dann an den Nagel gehängt und Anna getroffen. Das war vor knapp zwei Jahren der Start.

Wie genau hast Du Deine Mitgründerin kennengelernt?
Das war bei Panda, einem Female Leadership Netzwerk. Anna hatte – als Ex-Eishockey-Nationalspielerin aus Österreich ist sie totaler Teamplayer – dort inseriert, dass sie eine Co-Founderin sucht und das Thema Betreuung neu denken möchte. Ich war ja eh gerade free flow noch in den letzten Monaten meiner Kündigungsfrist und dachte mir, dass höre ich mir mal an. Aus einem Blind Date wurde schnell ein 5-Stündiges Treffen bei dem wir gleich in den Business Plan eingestiegen sind. Seit dem ist so krass viel passiert.

Wie wollt Ihr Geld verdienen?
Das wichtigste zuerst, wir verdienen bereits Geld. Wir sind seit Oktober letzten Jahres live am Markt und deutschlandweit mit tollen Kunden aus allen Branchen und Größen. Trivago, Johnson&Johnson, Hellmann Logistics, Die Bayrische sind nur einige der First Mover, die direkt unsere Möglichkeiten zur Reduktion von Ausfallzeiten und als Wellbeing Benefit für ihre Mitarbeiter:innen aufgegriffen haben. Aktuell pilotieren wir u.a. auch für die Deutsche Bahn. Die Zielgruppen und die Nutzung ist vielfältig, von der Erhöhung der Frauenquote auf Führungslevel, bis hin zur Reduktion von Ausfallzeiten im Schichtbetrieb. Konkret kaufen die Companies uns als Abeitgeberbenefit für Care pauschal für 12 Monate für ihre Mitarbeiter:innen ein. Diese können sich über ein Employee-Self-Service mobil einloggen und sich Nanny Profile anschauen, chatten, buchen. Die Unternehmen können über ein eigenes HR-Dashboard Teile der Betreuungskosten übernehmen und als Credits aufbuchen. Neben der reinen Betreuung bieten wir auch Eventssupport, Beratung für die Mitarbeiter:innen und Employer Branding Pakete.

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Da gab es einiges. Wir sind beide keine Tech-Expertinnen gewesen – inzwischen haben wir einiges auf dem Kasten und schreiben auch ganz vernünftige User-Stories für die Developer – und hatten zu Beginn die Challenge für wenig Geld einen MVP programmieren zu wollen. Wir haben jede Menge Fehler gemacht, auch selber mit einem Freelancer gestartet der aber gar nicht so gut programmieren konnte. Zum Glück haben wir das schnelle gemerkt, sind dann auch eine gute Agentur umgeswitcht und inzwischen mit einem MEGA CPO und eigenen Entwicklern in diesem Bereich gut gestafft. Die Finanzierung war relativ schnell ein Thema und wir haben eigentlich alles der Reihe nach durchprobiert. Erst ein paar Monate gebootstrapt, dann eine Crowdfunding-Kampagne völlig unprofessionell aufgesetzt – kein Erfolg – und uns dann für den Investoren Weg entschieden. Allygatr aus Berlin war der erste HR-Tech-VC an Bord, dann kam noch eine Angel Runde und jetzt aktuell die Seed. Mit unserem Revenue könnten wir organisch wachsen und hätten auch jetzt komplett bootstrapen können. Für das ad-on Kapital haben wir uns dennoch entschieden, da wir planen genauso schnell weiterzuwachsen wie bisher. Gerade ist die richtige Zeit für unser Thema – Arbeitnehmerlosigkeit, keine Betreuungsoptionen und Future of Work sind nur einige der Schlagworte.

Ihr konntet zuletzt trotz Krise 1,6 Millionen Euro Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Wir hatten verschiedene Wege, über LinkedIn, Kontakte von anderen Gründer:innen und über Events. Unser Auftritt bei der OMR hat zuletzt auch nochmal für Sichtbarkeit geholfen.

Es herrscht ansonsten derzeit bekanntlich Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
Durch meine Rolle als Landessprechende des Startup-Verband habe ich alle aktuellen Zahlen und Themen sehr präsent. Es gibt einiges zu tun, dafür engagiere ich mich mit dem Verband auch. ESOP und Invest-Förderung sind/waren nur zwei der aus meiner Sicht elementar wichtigen Themen. Fakt ist doch – Innovation braucht auch Kapital. Wenn Deutschland hier international mithalten will, muss wieder mehr investiert werden. Wir sind happy, gerade mit wirklich großartigen Investoren eine überzeichnete Seed-Runde abschließen zu können und wollen damit auch anderen Gründer:innen Mut machen und zeigen – es geht auch aktuell was! Bleibt dran!

Wo steht heynannyly in einem Jahr?
In einem Jahr starten wir mit der weiteren Internationalisierung und dem Ausbau in weitere europäische Länder, Österreich steht Ende des Jahres noch auf dem Plan.

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Foto (oben): heynannyly

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.