#Interview

“Es gibt für wenige Dinge eine Patentlösung”

Die Berliner Online-Sprachschule Lingoda setzt in Sachen Wachstum inzwischen auf spezielle Segment-Initiativen. Bereits 2021 ging Match Pflege, eine Plattform für Gesundheitsfachkräfte, an den Start. Nun weitet Lingoda das Konzept mit Match Talent auf weitere Branchen aus.
“Es gibt für wenige Dinge eine Patentlösung”
Montag, 19. Juni 2023VonAlexander Hüsing

Über die Berliner Online-Sprachschule Lingoda, die 2013 von den Brüdern Fabian und Felix Wunderlich gegründet wurde, können Nutzerinnen und Nutzer Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch und Business Englisch lernen. “Seit unserer Gründung haben wir über 100.000 Sprachlernende weltweit unterrichtet und bieten mittlerweile bis zu 562.000 Sprachstunden geführt von rund 1.500 professionellen Lehrkräften aus aller Welt pro Jahr an. Seit 2013 sind wir auf über 150 Mitarbeiter weltweit angewachsen”, sagt Gründer Felix Wunderlich.

Wie ein Blick in den letzten Jahresabschluss verrät, erwirtschaftete das Unternehmen 2021 rund 27,8 Millionen Euro Umsatz. Im Vorjahr waren es knapp 18 Millionen. Damit übertraf die Online-Sprachschule ihre Erwartungen. Angedacht waren 24,7 Millionen Umsatz. “Das EBIT im abgelaufenen Geschäftsjahr liegt mit -8.834 T EUR (Vorjahr – 2.295 T EUR) deutlich unter dem geplanten Wert von -6.800 T EUR. Der Hauptgrund für die Abweichung sind das Unternehmenswachstum und die damit verbundenen Investitionen”, heißt es im Jahresabschluss weiter.

Zu den Investoren von Lingoda gehören Summit Partners, Grazia Equity, Mountain Partners, PDV Inter-Media Ventures und Global Founders Capital (GFC). Zuletzt verkündete das Unternehmen eine Investmentrunde in Höhe von  68 Millionen US-Dollar. Zuvor sammelte das Team bereits rund 15 Millionen Dollar ein – unter anderem von Grazia Equity, Mountain Partners, PDV Inter-Media Ventures und Global Founders Capital (GFC). Insgesamt flossen somit bisher rund 83 Millionen Dollar in Lingoda.

Um das weitere Wachstum des Unternehmens voranzutreiben setzt das Lingoda-Team inzwischen auch auf vertikale Ableger bzw. spezielle Segment-Initiativen. Bereits 2021 ging Match Pflege, eine Plattform für Gesundheitsfachkräfte, an den Start. “Mit Match Pflege haben wir bereits tausende Gesundheitsfachkräfte mit Kursen im Bereich sprachlicher und interkultureller Qualifizierung in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren können”, sagt Wunderlich. Nun weitet Lingoda das Konzept mit Match Talent auf weitere Branchen aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Lingoda-Gründer Felix Wunderlich nun über Klassenräume, Gedanken und Beharrlichkeit.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Lingoda erklären?
Lingoda bietet die Qualität einer ganz gewöhnlichen Sprachschule und verbindet sie mit der Flexibilität des Online-Lernens. Wir bringen den Klassenraum online. Bei uns kannst du Deutsch, Französisch, Spanisch, Englisch und Business English in 60-minütigen Unterrichtsstunden über Zoom lernen. Dieses Angebot ist rund um die Uhr und überall erreichbar, ob im Gruppen- oder Einzelunterricht, mit unseren professionellen Lehrern. Unser besonderes Augenmerk liegt darauf, das selbstbewusste Sprechen einer neuen Sprache zu fördern.

War dies von Anfang an euer Konzept, oder hat sich euer Modell verändert?
Unsere Mission besteht darin, durch Sprachunterricht weltweit Brücken zu bauen. Wenn du die Sprache einer Person sprichst, lernst du mehr über sie, ihre Kultur und ihre Gedanken. Das Überwinden von Sprachbarrieren überbrückt kulturelle Unterschiede, fördert eine inklusive Welt und ist der erste Schritt zur Lösung der globalen Herausforderungen. Für uns kennt Sprache keine Grenzen. Anfangs bot Lingoda nur begrenzte Sprachen an, heute haben wir vier Sprachen im Angebot: Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch und zusätzlich Business Englisch.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Seit unserer Gründung im Jahr 2013 haben wir mehr als 100.000 Lernende aus knapp 200 Ländern geholfen, eine Sprache zu erlernen – jederzeit, live und online, ob in kleinen Gruppen oder im Einzelunterricht. Unser Angebot gibt Lernenden alle Werkzeuge an die Hand, um ihre Ziele zu erreichen und ihr Leben positiv zu verändern. Lingoda ist in Berlin ansässig und wird von einem internationalen Team von über 150 Sprachenliebhabern aus über 30 Ländern geleitet. Unsere Sprachkurse sind auf Interaktion und maximale Gesprächszeit innerhalb der Stunden ausgelegt. Jeder Gruppenkurs wird von muttersprachlichen Lehrern geleitet und besteht aus höchstens fünf Schülern, sodass jeder die Chance hat, die neue Sprache so viel wie möglich zu sprechen.

Wie hat sich Lingoda seit der Gründung entwickelt?
Seit unserer Gründung haben wir über 100.000 Sprachlernende weltweit unterrichtet und bieten mittlerweile bis zu 562.000 Sprachstunden geführt von rund 1.500 professionellen Lehrkräften aus aller Welt pro Jahr an. Seit 2013 sind wir auf über 150 Mitarbeiter weltweit angewachsen.

Mit eurer Initiative Match Talent möchtet ihr nun den Fachkräftemangel in Deutschland bekämpfen. Was genau ist die Idee dahinter?
Die Match Talent Initiative wirkt dem Arbeitskräftemangel in Deutschland entgegen. Unser Ziel ist es, partnerschaftlich internationale Talente in allen Bereichen gewinnen, qualifizieren und integrieren zu können, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft für die Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit – wie Klimawandel, demografischer Wandel oder Digitalisierung – dringend benötigt. Als Initiative von Lingoda in Kooperation mit Kiron tun wir dies, indem wir unsere Expertise im Bereich Spracherwerb – Lingoda – und interkultureller Qualifizierung  – Kiron – mit der Expertise führender Bildungsanbieter – etwa Tech-Bootcamps – zusammentun.

Wie passt Match Talent denn in eure Gesamtstrategie?
In Deutschland haben wir, wie wir alle wissen, einen großen Arbeitskräftemangel. Um dem entgegenzuwirken, möchten wir unseren Beitrag dazu leisten, internationalen Talenten in Deutschland die besten Berufs- und Integrationsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Mit Match Pflege haben wir in den letzten Jahr bereits tausende Gesundheitsfachkräfte mit Kursen im Bereich sprachlicher und interkultureller Qualifizierung in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren können. Dies gelingt uns mit unseren Partnern wie Kiron Open Higher Education.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Ehrlich gesagt, wenn man ein eigenes Unternehmen gründet, geht unweigerlich vieles schief. Wahrscheinlich sogar täglich. Einige dieser Probleme oder Hindernisse lassen sich einfacher ausgleichen und beheben. Andere sind komplexer und daher schwieriger und anspruchsvoller zu lösen. Von der Bürosuche über die Eröffnung eines Bankkontos bis hin zur Einstellung neuer Mitarbeiter – man stößt auf viele Herausforderungen und Hindernisse.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Es ist uns sehr wichtig, immer nah am Kunden zu sein und ihnen zuzuhören, um zu wissen, was wir verbessern können. Unser Ziel ist es, unseren Lernenden die beste Sprachlernerfahrung zu bieten, und deshalb fragen wir sie regelmäßig in Umfragen, was wir gut machen und wo sie Verbesserungspotenzial sehen. Diese Rückmeldungen versuchen wir bestmöglich umzusetzen und in unsere Plattform zu integrieren.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Es gibt für wenige Dinge eine Patentlösung oder ein Allheilmittel, um Herausforderungen und Hindernisse zu überwinden. Resilienz und Beharrlichkeit sind der Schlüssel, um nicht aufzugeben und schließlich die passende Lösung zu finden.

Wo steht Lingoda in einem Jahr?
In den nächsten zwölf Monaten möchten wir uns vorrangig darauf konzentrieren, unsere Sprachkurse weiterhin so effektiv wie möglich zu gestalten, sodass unsere Kunden die besten Lernerlebnisse bei uns erfahren.

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Foto (oben): Lingoda, Hannes-Wiedemann

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.