#Interview

“Unsichere Zeiten sind ein Katalysator für Innovationen”

Das Aachener Team SparePartsNow kümmert sich um Ersatzteile für Maschinen. Zwei Jahren nach dem Start wird das Unternehmen bereits mit “über 100 Millionen Euro bewertet”. Beim Geldeinsammeln setzten die Gründer insbesondere auf "Smart Capital aus der Branche".
“Unsichere Zeiten sind ein Katalysator für Innovationen”
Montag, 5. Juni 2023VonAlexander Hüsing

Bei SparePartsNow aus Aachen, das 2021 von Christian Hoffart, Sebastian Kleinschmager und Benedikt Moser gegründet wurde, dreht sich alles um Ersatzteile für Maschinen. Die Jungfirma bringt so “Lieferanten und Kunden auf einem Marktplatz zusammen. Die Zwischenhändler bzw. Maschinenhersteller, die diese Ersatzteile in Ihren Maschinen eingebaut haben, kommen bei den sparsamen Kunden nicht mehr zum Zuge. Denn durch den direkten Verkauf sinken die Preise”, erklärt Gründer Hoffartdas Konzept hinter SparePartsNow.

Investoren, “die weitgehend aus dem Umfeld des Maschinenbaus kommen” investierten zuletzt eine zweistellige Millionensumme in SparePartsNow. Im Zuge der Investmentrunde wurde das Unternehmen mit “über 100 Millionen Euro bewertet”. “Wir sind froh, dass wir grade in dieser schwierigen Zeit mit einer innovativen Idee einen substanziellen zweistelligen Millionenbetrag einwerben konnten. Da wir weitgehend auf Smart Capital aus der Branche gesetzt haben, hat sich das Netzwerk zum Teil selbst in Bewegung gesetzt”, erzählt Hoffart.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der SparePartsNow-Macher außerdem über Kontaktformulare, Stammdatenlage und Internationalisierung.

Wie würdest Du Deiner Großmutter SparePartsNow erklären?
Grundsätzlich lässt sich etwas Innovatives immer gut bei einem Kaffee und Keksen erklären. Doch um guten Kaffee und leckere Kekse zu finden, muss man sich meistens von einem Geschäft zum Nächsten begeben. Leider sind die Wege weit. Hat man es in das richtige Geschäft geschafft, ist das Personal häufig im Gespräch oder gar nicht anwesend. Kaffee und die passenden Kekse auf eigene Faust ausfindig zu machen, dauert oft sehr lange. Letztendlich ist das Regal leer und die Lieferzeit ungewiss. Und ob der Preis an der Kasse den eigenen Vorstellungen als Hobbybäckerin entspricht, ist unklar. Schön wäre es, wenn es eine ansprechende Produktpräsentation direkt vom Konditor oder der Kaffeerösterei gäbe. Wenn alles an einem Ort wäre, wo man nicht mehr von Geschäft zu Geschäft laufen müsste. Wo die Lieferzeit und die Konditionen stimmen. Und wenn man sich einig ist, die Lieferung vom Hersteller direkt an den Kunden erfolgt. Natürlich nach Hause, damit man weniger tragen muss. Leider haben die Kaffeeröster und Konditoren vergessen, wie man die Produkte direkt an die Kunden verkauft bzw. wie man mit diesen in Kontakt kommt. Auch wissen viele Kunden nicht mehr, wo man noch direkt statt im Supermarkt einkaufen kann. SparePartsNow löst genau dieses Problem. Es ist ein moderner Marktplatz mit allen Vorzügen. Der Marktplatz kümmert sich um die Einrichtung der Stände, die Produktpräsentation, die Auffindbarkeit, die Werbung und die Verkaufsabwicklung. Ganz ohne Standgebühr. Erst wenn sich Konditor und Kunde handelseinig sind, wird der Marktplatz erfolgsbasiert am Geschäft beteiligt. SparePartsNow macht genau dies für Ersatzteile in großen Industriemaschinen. Es bringt Lieferanten und Kunden auf einem digitalen Marktplatz zusammen und sorgt dafür, dass möglichst viele Lieferanten und Kunden direkt ins Geschäft kommen. Die Zwischenhändler bzw. Maschinenhersteller, die diese Ersatzteile in Ihren Maschinen eingebaut haben, kommen bei den sparsamen Kunden nicht mehr zum Zuge. Denn durch den direkten Verkauf sinken die Preise.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Ja, wir haben uns die Branche sehr genau angesehen und mit vielen Stakeholdern gesprochen, damit unsere Plattform genau die Bedürfnisse – “Ersatzteile – Original. Preisgünstig. Schnell” – zu 100 % bedient. Selbstverständlich passen wir das Geschäftsmodell den Anforderungen an, die uns täglich begegnen.

Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wir bieten Zulieferern und Kunden eine Plattform, auf der industrielle Komponenten gekauft werden können. Als Plattform kümmern wir uns um die Präsentation, das Marketing, die Zahlungsabwicklung und die Abholung der Ware beim Zulieferer. Wir selbst kaufen also keine Produkte an, sondern vermitteln diesen Kauf auf höchstem Niveau. Die Vorteile liegen für Zulieferer darin, dass erst bei Kauf eine Provision fällig wird und diese weiterhin in der direkten Kundenbeziehung stehen. Daneben übernehmen unsere Plattform und das Team dahinter die technische Klärung, damit die richtige Komponente verkauft wird, ohne Retouren erforderlich zu machen. Zulieferer können sich so auf ihre Kernkompetenz fokussieren und SparePartsNow übernimmt den gesamten digitalen Vertriebsprozess. Kunden sparen sich aufgrund der Transparenz einen langwierigen Bestellprozess. Komponenten können über die Suche oder auch die AI-Bilderkennung schnell gefunden werden. Durch technische Zeichnungen, Beschreibungen und Bilder ist schnell klar, welches Ersatzteil das Richtige ist. Zum Schluss sind der Verkaufspreis und die Lieferzeit sofort klar und lädt zu einer umgehenden Bestellung ein.

Wie ist überhaupt die Idee zu SparePartsNow entstanden?
In den letzten Jahren habe ich viele Gespräche mit Kunden in der Maschinenbaubranche geführt und bin auf eine starke Unzufriedenheit in Bezug auf Ersatzteile gestoßen. Dazu müssen Sie wissen, dass die Unternehmen, die Werkzeugmaschinen im Einsatz haben, eine klare Vorstellung von den Produktionskosten haben. Ebenso verbauen alle Maschinenhersteller Komponenten von spezialisierten Zulieferern und stellen nur einen geringen Teil selbst her. Dadurch wird der Maschinenhersteller zum Händler von zugekauften Ersatzteilen, der nicht zuletzt hohe Aufschläge auf den Einkaufspreisaufschlägt. Das wird für Kunden schnell sehr teuer. Wir sprechen zum Teil von Artikeln vom Preis eines Kleinwagens. Darüber hinaus wird in dieser Branche noch über Telefon, Kontaktformulare oder geschlossene Shops bestellt. Kunden müssen so einen langwierigen Prozess für ein einfaches Problem – die Bestellung eines Ersatzteils – über sich ergehen lassen. Insbesondere die Generation der Online-Shopper hat dafür wenig Verständnis. Exakt dieses Missverhältnis und die Vision, dass es besser gehen kann, hat zur Idee von SparePartsNow geführt.

Trotz allgemeiner Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene konntet ihr zuletzt eine Millionensumme einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Gute Ideen benötigen auch entsprechendes Kapital. Wir sind froh, dass wir grade in dieser schwierigen Zeit mit einer innovativen Idee einen substanziellen zweistelligen Millionenbetrag einwerben konnten. Da wir weitgehend auf Smart Capital aus der Branche gesetzt haben, hat sich das Netzwerk zum Teil selbst in Bewegung gesetzt. Darüber hinaus haben wir auch einige Anfragen von VCs erhalten, die sich für SparePartsNow interessiert haben und für weitere Runden Interesse bekundet haben.

Wie hat sich SparePartsNow seit der Gründung entwickelt?
Seit der Gründung hat sich die Bewertung bereits innerhalb kürzester Zeit auf über 100 Millionen Euro gesteigert. Bei einem Markt, der jährlich Umsätze Milliarden- bzw. Billionen-Bereich erzielt, ein klares Signal. Bereits jetzt konnten wir unseren ambitionierten Business Plan übererfüllen und wachsen stetig. Das Team zählt derzeit rund 20 Personen und wird in den kommenden Monaten weiter wachsen. Konkrete Zahlen zu unseren KPI veröffentlichen wir derzeit nicht.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
Zum Glück ist bisher nichts wirklich schief gegangen. Da wir eine sehr gute Junior-Senior-Quote haben, werden Ideen und Prozesse mit Erfahrung abgedeckt. So wissen wir bereits in Vorfeld, an welchen Stellen es zu Problemen kommen kann. Was wir aber nicht erwartet haben, ist die Varianz hinsichtlich Digitalisierung. Von einem extrem guten Setup digitaler Prozesse bis zu dessen Abwesenheit ist uns alles begegnet. Daraus konnten wir schnell wichtige Erkenntnisse ziehen und haben unser Produkt samt Hintergrundservices angepasst. Dennoch haben wir trotz umfassender Branchenexpertise unterschätzt, wie schlecht bei einigen Unternehmen die Stammdatenlage ist, was ein Hemmnis für jede Form der Digitalisierung darstellt.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Beim Team! Ich kann es gar nicht oft genug wiederholen. Gute Leute mit Expertise und Netzwerk machen kleine Teams sehr erfolgreich. Gemeinsam lässt sich so schnell ein MVP aufbauen und an den Anforderungen des Marktes ausrichten. Unsere Zusammenstellung des Teams von IT bis Business, hat sicherlich einen entscheidenden Unterschied gemacht.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Wir haben gelernt, dass unsichere Zeiten ein Katalysator für Innovationen sind und sich gute Konzepte schneller durchsetzen als in bequemen Zeiten. Gründen, wenn der Druck zur Veränderung hoch ist, ist eine Chance für alle Gründer. Smart Capital ist ein Schlüssel für erfolgreiches Wachstum. Wenn Investoren neben Geld weitere Assets einbringen, besteht ein starkes Eigeninteresse am Erfolg mitzuarbeiten, statt den Fokus ausschließlich auf KPIs zu legen. Ideen immer im Team spiegeln und um Feedback bitten. Dadurch reifen gute Konzepte heran.

Wo steht SparePartsNow in einem Jahr?
Aktuell fokussieren wir uns auf den Maschinenbau mit all seinen Facetten und bereiten die Internationalisierung in Europa vor. Ziel ist es über den Maschinenbau hinaus zu wachsen und so eine universelle Ersatzteilplattform zu werden. In einem Jahr werden wir bereits viele Punkte erreicht haben und die Roadmap darüber hinaus den Erfahrungen angepasst haben.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): SparePartsNow

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.