#Interview

“Die besten Unternehmen werden gekauft und nicht verkauft”

Blinkist gehört nun zu Go1. Das Unternehmen zahlt rund 200 Millionen für das Berliner Grownup, das 2012 gegründet wurde. "Zwar gab es immer mal wieder Interesse anderer Unternehmen, aber der Fit war nie stark genug. Dieses Mal hat alles gestimmt", sagt Gründer Holger Seim.
“Die besten Unternehmen werden gekauft und nicht verkauft”
Dienstag, 9. Mai 2023VonAlexander Hüsing

Seit Montag ist es offiziell: Das australische Lern-Unternehmen Go1 übernimmt das Berliner Startup Blinkist. Go1 legt nach unseren Informationen – wie bereits Ende April im Insider-Podcast berichtet – rund 200 Millionen für Blinkist auf den Tisch. Blinkist, 2012 von Holger Seim, Tobias Balling, Niklas Jansen und Sebastian Klein gegründet, liefert seinen Nutzerinnen und Nutzern Kernaussagen aus Sachbüchern – in Wort und Ton.

Blinkist erwirtschaftete zuletzt – laut offiziellen Jahresabschluss für 2021 – einen Umsatz in Höhe von 47 Millionen Euro und einen Verlust in Höhe von 1,6 Millionen. Insgesamt kostete der Aufbau von Blinkist bis Ende 2021 rund 32,8 Millionen. “Blinkist beschäftigt mittlerweile rund 170 Mitarbeiter in Europa und den USA und erwirtschaftet einen hohen achtstelligen Umsatz” , sagt Gründer Heim. In den vergangenen Jahren wanderten rund 35 Millionen Dollar in Blinkist – unter anderem von Insight Partners, IBB Ventures und Headline.

Warum jetzt der Exit? “Es gibt das Sprichwort, dass die besten Unternehmen gekauft und nicht verkauft werden – das traf bei uns glücklicherweise zu. Zwar gab es auch in den vergangenen Jahren immer mal wieder Interesse anderer Unternehmen, aber der Fit war nie stark genug. Dieses Mal hat alles gestimmt – die gemeinsame Vision, die Chemie zwischen den Gründer- und Führungsteams und die kommerziellen Parameter”, sagt Seim im Interview mit deutsche-startups.de.

Blinkist gehört nun zu Go1. Was ändert sich nun für Dich und das Blinkist-Team?
Auf dem Papier gar nicht so viel. Das Blinkist-Team wird zum Learner-Team in der Go1-Organisation und ich führe es als COO, Learners weiterhin. Natürlich wird es im Alltag dann doch Veränderungen geben: Unser Scope wird sich über die Zeit vergrößern und neben dem Blinkist-Produkt auch neue Themen beinhalten. Zudem möchten wir ein Unternehmen werden und dazu gehört auch, dass wir Kultur, Rituale, Prozesse etc. über die Zeit zusammenbringen.

Warum war genau jetzt der passende Zeitpunkt für den Verkauf von Blinkist?
Es gibt das Sprichwort, dass die besten Unternehmen gekauft und nicht verkauft werden – das traf bei uns glücklicherweise zu. Zwar gab es auch in den vergangenen Jahren immer mal wieder Interesse anderer Unternehmen, aber der Fit war nie stark genug. Dieses Mal hat alles gestimmt – die gemeinsame Vision, die Chemie zwischen den Gründer- und Führungsteams und die kommerziellen Parameter.

Die Gründung von Blinkist ist knapp 10 Jahre her. Wie ist Dein ganz persönlicher Blick zurück auf diese Zeit?
Wenn ich auf die 10 Jahre zurückblicke, denke ich an viele smarte Menschen, mit denen ich arbeiten durfte und darf. Menschen, die mich auf diesem Weg unterstützt haben und gemeinsam mit mir unseren Traum verwirklicht haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Gleichzeitig denke ich an viel persönliches Wachstum, aber auch an den damit verbundenen Wachstumsschmerz. Ich hatte das Privileg, in ganz viele unterschiedliche Bereiche und Herausforderungen einzutauchen, musste mich dadurch aber auch immer wieder neu erfinden und neue Dinge lernen, um mitzukommen. Ich musste lernen, harte Entscheidungen zu treffen und mich an das Gefühl gewöhnen, ständig außerhalb meiner Komfortzone zu sein. Das hat mir und meiner Familie häufig viel abverlangt und mich immer wieder an meine Grenzen gebracht. Diese Intensität hatte ich vor 10 Jahren so nicht erwartet. Unternehmer sein ist ein Marathon, und kein Sprint.

Wie genau hat sich Blinkist seit der Gründung entwickelt?
Blinkist beschäftigt mittlerweile rund 170 Mitarbeiter in Europa und den USA und erwirtschaftet einen hohen achtstelligen Umsatz. Wir konnten wichtige Kennzahlen wie Engagement auf unserer Plattform stetig verbessern und sind unserer ursprünglichen Vision, lebenslanges Lernen einfacher zu machen, ein ganzes Stück näher gekommen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir haben viel Zeit und Ressourcen in den Launch von Hörbüchern in voller Länge investiert, um unseren Kunden auch das tiefere Einsteigen in ein Thema direkt auf unserer Plattform zu ermöglichen. Leider mussten wir feststellen, dass wir hiermit kein Kundenproblem lösen bzw. es nicht besser lösen können als bestehende Anbieter auf dem Markt.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir es geschafft haben, kommerziellen Erfolg mit einer starken, mitarbeiterzentrierten Kultur zu verbinden.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Das Unternehmer-Dasein hat viele Höhen und Tiefen und ist in der Regel ein Marathon. Sucht Euch frühzeitig ein starkes Support-Netzwerk an Thinking Partnern, um dafür gewappnet zu sein. Ich selbst bin seit fünf Jahren bei der Entrepreneurs Organization (EO) und möchte das nicht missen.

Wo steht Blinkist in einem Jahr?
Wir möchten auch in den kommenden 12 Monaten wieder einen deutlichen Sprung bei Nutzerwachstum und Engagement auf der Plattform machen, um Blinkist weiter als global führende Consumer Marke rund um lebenslanges Lernen zu etablieren. Gleichzeitig möchten wir das Produkt stärker für das Use Cases in Unternehmen anpassen und mit Hilfe von Go1 das B2B-Geschäft deutlich stärker ausbauen. Als Organisation sind wir in einem Jahr ein fester Bestandteil von Go1 und ein globales Team mit einer gemeinsamen Vision und Kultur.

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Foto (oben): Blinkist

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.