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Streit unter Gründern: Das könnt Ihr tun, bevor es zu spät ist

Ein Startup aufzubauen ist anstrengend. Doch nur wenige Gründerteams setzen sich präventiv mit der Frage auseinander, wie sie im Konfliktfall miteinander umgehen. Ein solcher Gründungsvertrag sollte jedoch in guten Zeiten geschrieben werden. Ein Gastbeitrag von Julius Bachmann.
Streit unter Gründern: Das könnt Ihr tun, bevor es zu spät ist
Mittwoch, 3. Mai 2023VonTeam

Kaum jemand spricht darüber, für mich als Gründercoach ist es aber Alltag: Streitigkeiten im Startup. Über die Hälfte der gescheiterten Startups lösen sich aus diesem Grund auf, die Dunkelziffer liegt noch höher. Der Gründer-Coach Julius Bachmann hat seinen Klienten Christian Schiller, CEO von cirplus, gebeten, von der Trennungsgeschichte mit seinem Co-Gründer zu erzählen. 

Wie hat sich euer Konflikt entwickelt? 

Vorab: Volkan und ich haben cirplus von Anfang an Remote aufgebaut – er war in Berlin, ich in Hamburg. Der Druck des Fundraisings im Jahr 2021 lastete schwer auf unserer Beziehung. Zunächst hatten Volkan und ich aber eine gute Konfliktkultur. Erst als wir Konflikte nicht mehr offen ausgetragen haben, entstanden die Probleme. Der Daily Check-in war dann nicht mehr als ein lästiges Ritual.  Nach erfolgreichem Fundraise suchte ich – in Begleitung einer Mediatorin – dann das Gespräch mit Volkan. Ich wollte den aus meiner Sicht entscheidenden Grund für unsere zunehmenden Kommunikationsprobleme beheben: Volkans abnehmendes Engagement für die Firma. Also entwickelten wir einen Plan. Und ich dachte, alles würde gut werden. 

Eines Tages wurden wir dann aber von der indischen Regierung eingeladen, cirplus bei den versammelten Kunststoffverarbeitern zu repräsentieren – eine große Chance! Ich war verhindert, deshalb sollte Volkan einspringen. Doch spürte ich Widerwillen und vorgeschobene Argumente – denn der Termin fiel mit einem Festival zusammen, auf das sich Volkan seit Ausbruch von Covid-19 gefreut hatte. Diese unterschiedliche Priorisierung störte mich massiv – und ich kam zur Überzeugung, dass es so nicht weitergehen könne. 

Beziehungen wie die zwischen Volkan und Christian sind durch unterschiedliche (intrinsische) Motivationen geprägt, die sich dynamisch ändern können. So entstehen Konflikte. Ihre Ausprägung lässt sich aber beeinflussen. 

Was können Gründer tun?

Reden. Die Zusammenarbeit mit einem Coach oder Mediator kann helfen. Wichtig ist aber, dass alle Parteien bei der Auswahl Mitspracherecht haben. Wenn sich Teile nicht auf den Coaching-Prozess einlassen, ist er Zeitverschwendung. 

Raus. Manchmal schadet es, sich in einem Konflikt zu verbeißen. Ein dreiwöchiger Urlaub ohne E-Mails – und schon ist die Sicht auf die Dinge eine andere. 

Revidieren. Ein Freund von mir ist erfahrener Coach und sagt: “Trennung ist auch Konfliktlösung”. Wenn sich der Konflikt stufenweise zugespitzt hat, ist die Exit-Strategie manchmal am besten. Dabei aber immer auf die Balance achten: Wie viel Energie kostet eine Trennung?

Christian berichtet von seinen Erfahrungen so: Im Mai 2021 sprachen Volkan und ich nochmal miteinander – ein äußerst konstruktives Gespräch und die Kehrtwende unserer Beziehung. Bei der Aufsichtsratssitzung im Juni gaben wir unsere Trennung bekannt, reisten anschließend zu den Leadership Days des RESPOND Programms nach Südfrankreich. Dort wollten wir unsere Entscheidung nochmal öffentlich verkünden. Was aber folgte, hat uns beide emotional tief bewegt.

Der Zufall wollte es, dass die mentale Gesundheit in Gründerteams im Fokus einer der Sessions stand. Die Coaches gaben das Mikrofon an die Teilnehmer und Volkan stand auf und öffnete sich komplett (was für ihn als Introvert keine Selbstverständlichkeit war). Er erzählte, wie leicht er sich jetzt fühlt, dass es für ihn mehr als ok sei, auch „sein” Projekt loszulassen, dass er dankbar dafür war, dass wir diesen anfänglich schmerzhaften Prozess angestoßen hatten, der ihn zunächst in große Verunsicherung und Selbstzweifel führte. Ich saß im Publikum mit Gänsehaut: Hier sprach sich einer den „Struggle” von vier Jahren Frühphasen-Startup von der Seele und man konnte Volkan beim Aufatmen und Aufleben förmlich zuschauen. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die anderen Anwesenden zu inspirieren und klarzumachen, dass „Startup-Verlassen” nicht gleich „Scheitern” bedeutet. Eine Botschaft, die insbesondere mission-driven Gründerteams wirklich verinnerlichen sollten.

Und wie ist der Stand jetzt?

Zwei Monate später schloss sich das Kapitel des gemeinsamen Unternehmensaufbau, auch wenn Volkan Mitglied des Boards bleibt. Für alle Angestellten war es eine Erleichterung zu sehen, in welch positiver Stimmung Volkan die Firma verließ. Er folgte einem seiner großen Träume und ging auf ein vierwöchiges Yoga-Retreat in Indien, um danach durch die Berge des Himalayas zu wandern. Zwischen den Jahren traf ich ihn dann zum ersten Mal: Acht Kilo leichter und befreit von den Zwängen der Unternehmensführung, saß vor mir mein Mitgründer und enger Freund. Ihm war anzusehen, dass er die beste Entscheidung für sich getroffen hatte.

Klar ist: Konflikte sind ein Zeichen dafür, dass Veränderung notwendig ist. Sie können eine Chance für Wachstum sein. Wie aber kann die Fähigkeit trainiert werden, dieses Potenzial zu nutzen? 

Kommunikation is key. Finden Sie heraus, was den einzelnen Gründern am meisten am Herzen liegt. Es gibt einen Unterschied zwischen der Position Ihres Mitgründers und seinem wirklichen Interesse. Das Erforschen der Motive und Wahrnehmungen Ihres Mitgründers hilft Ihnen, den Ursachen von Konflikten auf den Grund zu gehen.

Triggerauslöser. Gründer stehen ständig unter Stress, was Konfliktverhalten auslösen kann. Dieses wird durch das Unterbewusstsein gesteuert. Wir reagieren auf Trigger nach einem unbewussten Protokoll: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Der wichtigste Schritt ist die Bewusstwerdung. Sie müssen lernen zu erkennen, wann Ihr Gehirn in den „Konfliktmodus” schaltet – um rechtzeitig einzugreifen. 

Vorbereitung. Wenige Gründerteams setzen sich präventiv mit der Frage auseinander, wie sie im Konfliktfall miteinander umgehen. Wie ein guter Ehevertrag sollte auch ein Gründungsvertrag in guten Zeiten geschrieben werden. Hier sollten alle Eventualitäten festgehalten und mit den Investoren besprochen werden. 

Die gemeinsame Reise als Gründer ist meist lang und entbehrlich. Daher kann ich allen Gründern und Gründerinnen nur ans Herz legen: Verbringt mehr persönliche Zeit miteinander! Geschäft ist Geschäft, aber wenn Ihr zurückblickt, werden das die wertvollsten Erinnerungen sein.

Über den Autor
Julius Bachmann blickt auf eine reichhaltige Vergangenheit – Investor, CFO, Gründer und einst auch Unternehmensberater. Als Executive Coach arbeitete er bereits mit über 150 profilierten Gründer:Innen, Angel Investor:innen und VCs in ganz Europa zusammen. Sein Ziel: ein menschlicher Führungsstil auch während unternehmerischen Hochs und Tiefs. 

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Foto (oben): Shutterstock