#Interview

“Wie viele Höhen und Tiefen man an einem einzigen Tag durchleben kann, hat mich dann doch überrascht”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Es ist tatsächlich so, dass man eigentlich nie Feierabend hat. Man kann 24/7 für das eigene Unternehmen arbeiten und hört eigentlich nie ganz auf, darauf rumzudenken", berichtet Claudia Voigt, Gründerin von Who said, über ihren Gründerinnenalltag.
“Wie viele Höhen und Tiefen man an einem einzigen Tag durchleben kann, hat mich dann doch überrascht”
Freitag, 17. März 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Claudia Voigt Gründerin von Who said, das Startup aus Berlin bietet nachhaltige cross-gender Mode für Kinder an.

Wie startest du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Wer mich kennt, weiß: Ohne Kaffee geht erstmal gar nichts. Ansonsten gehören die ersten 2 Stunden des Tages erstmal den Kindern: Mein Mann und ich wecken unsere zwei Söhne, bereiten Brotboxen vor und bringen die Kinder zu Kita und Schule. Dann erstmal Kaffee, wenn ich im Home Office meine Ruhe habe. Ich setze mich an den Rechner, lese Mails und strukturiere den Tag zunächst durch. Aufgaben, auf die ich am wenigsten Lust habe, arbeite ich zuerst ab. Das motiviert mich und ich freue mich auf das, was noch kommt. Und den nächsten Kaffee.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Nach der Arbeit switche ich direkt in den Eltern-Modus um, da stellt sich die Frage des Abschaltens irgendwie gar nicht, das passiert ganz automatisch. Je nachdem geht es mit den Kindern dann noch auf den Spielplatz, Hausaufgaben machen, Vorlesen, ins Bett bringen. Später, wenn die Kinder schlafen, sitze ich dann aber doch oft nochmal am Rechner und mache irgendwas, das liegen geblieben ist, fertig. Das ist aber vollkommen okay so. Irgendwie stresst einen das nicht, wenn man es für das eigene Unternehmen tut. Ein Glas Wein dazu hilft, das Ganze entspannt anzugehen.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich habe vor der Gründung von Who said bereits in mehreren Startups gearbeitet und wusste schon recht gut, was auf mich zukommt. Aber wie viele Höhen und Tiefen man an einem einzigen Tag durchleben kann, hat mich dann doch überrascht. Zwischen himmelhochjauchzend und total verzweifelt ist alles dabei. Vor allem in der
emotional-intensiven ersten Phase der Gründung. Und ja, es ist tatsächlich so, dass man eigentlich nie Feierabend hat. Man kann 24/7 für das eigene Unternehmen arbeiten und hört eigentlich nie ganz auf, darauf rumzudenken. Die Idee für den Namen Who said kam mir um 4 Uhr nachts, als ich kurz aufgewacht bin.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Meine größte Hürde war definitiv die deutsche Bürokratie. Alles andere schien irgendwie überwindbar. Gerade, wenn man mit einem MVP agil und schnell auf den Markt gehen will, ist man schon erstaunt, dass die üblichen Prozesse rund um die Gründung so lange brauchen. Ich habe unfassbare 8 Wochen alleine auf meine Steuernummer gewartet.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Wir sind ja noch nicht lange am Markt und bisher haben wir glücklicherweise noch keine großen Fuck-ups erlebt (dafür ganz viele kleine). Ansonsten hätte ich im Nachhinein gerne früher gegründet. Ich habe lange nicht den Mut gehabt, diesen Schritt zu gehen. Ich finde, dass wir in Deutschland gesellschaftlich gesehen immer noch zu große Angst davor haben, zu scheitern. Das nimmt uns die Chance, auch verrücktere Ideen abseits der Norm auszuprobieren.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Wir sind bei Who said noch ein ganz kleines Team, das vor allem aus Freelancern besteht. Aktuell greife ich da vor allem auf mein Netzwerk zurück, um sicherzugehen, die richtigen Leute an Bord zu haben. Unterm Strich suche ich aber immer nach Menschen, die hinter der Mission von Who said stehen. Wir sind mit Who said und dem Bereich Crossgender-Kindermode in einem Markt, der sich erst noch entwickeln wird. Da brauchen wir vor allem Leute, die daran glauben, dass wir Markt und Gesellschaft gemeinsam verändern können. Die irgendwie auch ein bisschen bissig im positiven Sinne sind und keine Scheu haben, großen Konzernen mit ihren stereotypischen Vermarktungsstrategien etwas entgegenzusetzen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Genieß die Anfangszeit der Gründung und das Gefühl, etwas Tolles und Neues zu schaffen. Es gibt wohl nicht nochmal eine Phase, in der Du Dich so auf Deine Vision und Dein Produkt konzentrieren kannst.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Natürlich wäre da erst einmal Shopify, weil wir ohne gar keinen Shop hätten, in dem wir unsere schönen Produkte verkaufen könnten. Für die Orga auf jeden Fall Asana, weil es all meine Erwartungen erfüllt an ein Tool, um transparent und übersichtlich zu strukturieren und zu organisieren. Und dabei auch noch so viel Spaß macht (das Regenbogen-Einhorn bei der Fertigstellung einer Aufgabe erfreut mein Herz immer wieder).

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Bei Who said geht es um Diversität und darum, veraltete Rollenbilder aufzubrechen. Jeder soll so sein dürfen, wie er ist. Ich glaube daran, dass eine der Mission entsprechende Unternehmenskultur maßgeblich dazu beiträgt, dass die Stimmung gut bleibt. Unsere starke Vision tut ihr Übriges, dass Motivation und Tatendrang nicht abnehmen. Gemeinsam können wir die Welt verändern!

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das wildeste Erlebnis war auf jeden Fall das erste Fotoshooting von Who said. Wir hatten 12 Kinder zwischen 3 und 8 Jahren hier. Wer kleine Kinder hat, weiß was das bedeutet. Natürlich waren das auch alles keine Profi-Models, sondern Freunde unserer Kinder. Es war absolut chaotisch. Ich werde nie den Moment vergessen, in dem die Konfettikanone sich fürs Abschlussbild im kompletten Wohnzimmer verteilte. Das war mein persönlicher Gründungs-Garagen-Feeling-Moment. Ansonsten hoffe ich: There’s more to come. Die Reise hat ja gerade erst begonnen. Ich freue mich auf viele weitere und noch viel wildere Erlebnisse.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Who said