#Gastbeitrag

Gründer suchen Kapital: Wie überzeugt man Geldgeber?

In der Vergangenheit investierten Risikokapitalgeber in weniger als ein Prozent der Start-ups, die sie ansprachen - selbst bei guter Wirtschaftslage. Aufgrund der aktuellen Situation sind die Investoren noch kritischer, wenn es um die Unternehmen geht, in die sie investieren wollen. Ein Gastbeitrag von Jon Butterfield,
Gründer suchen Kapital: Wie überzeugt man Geldgeber?
Donnerstag, 10. November 2022VonTeam

Das Investitionsvolumen in Start-ups in Deutschland stieg im Jahr 2021 auf rund 17,4 Milliarden Euro. Zu Beginn des vierten Quartals 2022, erreichen die Investitionen in Start-ups bisher nicht einmal die Hälfte des Volumens von 2021. Die aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Lage verspricht keine Aussicht auf baldige Besserung. Doch Geld ist immer noch vorhanden – nur die Anforderungen es zu erhalten haben sich im Laufe des Jahres geändert. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf dem richtigen Pitch.

Corporate Identity vermitteln

In der Vergangenheit investierten Risikokapitalgeber in weniger als ein Prozent der Start-ups, die sie ansprachen – selbst bei guter Wirtschaftslage. Aufgrund der aktuellen Situation sind die Investoren noch kritischer, wenn es um die Unternehmen geht, in die sie investieren wollen. Für Start-ups bedeutet dies, dass sich nur die stärksten Teams durchsetzen werden. Ziel eines guten Pitchdecks ist es, das Start-up ausführlich zu präsentieren und einen positiven ersten Eindruck bei den Investoren zu hinterlassen.

Jedes Start-up basiert auf einem Problem, von dem das Gründerteam glaubt, es mit einem hohen wirtschaftlichen Nutzen lösen zu können. Die Übereinstimmung von Problem und Lösung an sich ist noch keine Garantie für den Erfolg eines Finanzierungsgesprächs. Ein ausgeprägtes Marktverständnis und eine Vision davon, wie das Team Probleme im Markt lösen wird, erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Kapitalbeschaffung. Es ist entscheidend, dies in eine überzeugende Geschichte zu verpacken, die die aktuellen Markttrends aufzeigt – und wie der Markt sich während einer Rezession entwickeln könnte. Schließlich investieren Investoren nicht nur in eine Lösung, sondern auch in die Unternehmensgeschichte und das dahinter stehende Gründerteam und dessen Bewusstsein für Wirtschaft und Politik. Start-ups müssen ein ganzheitliches Unternehmensbild zeichnen, das die Vision, den Produktnutzen und die kreativen Köpfe dahinter in einer zukunftssicheren Corporate Identity zusammenfasst.

Das Pitchdeck kurz und bündig halten

Dass das eigene Unternehmen für Gründerteams immer an erster Stelle stehen, ist verständlich. Sie arbeiten oft Jahre lang an der Lösung bzw. Umsetzung einer Idee, von der sie selbst überzeugt sind – oft ohne wirtschaftliche Rentabilität. Grund genug, dass Start-ups Kapitalgeber bis ins letzte Detail von ihrer Idee überzeugen wollen. Investoren müssen jede Woche hunderte Präsentationen bewerten. Ein solides Pitchdeck erfordert also ein extra Maß an Effizienz. Das Pitchdeck sollte binnen weniger Minuten analysierbar sein, sodass Investoren innerhalb kürzester Zeit entscheiden können, ob sich der Kapitaleinsatz lohnt. Benötigt der Pitch zu viel Erklärungsbedarf, ist es wahrscheinlich, dass die spätere Zusammenarbeit und die Kundenakquisition für das Produkt ähnlich zeitintensiv verlaufen. Darunter leidet der finanzielle Erfolg von Start-up und Kapitalgeber.

Ein effizientes Pitchdeck sollte zehn bis fünfzehn Folien umfassen. Gründerteams sollten sich selbst vorstellen und die zentralen Elemente des Projekts hervorheben: was ist das Problem und wie löst das aktuelle Produkt dieses? Sie sollten einen Call To Action und KPIs definieren. Zudem sollte das Pitchdeck auf eventuelle Risiken eingehen. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage sind nicht alle Expansionsregionen oder Partnerschaften geeignet. Investoren müssen darüber aufgeklärt werden.

Keine Luftschlösser pitchen: Proof Of Concept

Wenn es ums Geld geht, kennt die Krise keine zweite Chance: Das effizienteste Pitchdeck und die beste Corporate Identity sind wertlos, wenn das Produkt nicht mehr ist als die Wunschvorstellung einer Lösung. Gerade für den Pitch technischer Produkte erfordert es daher anhand konkreter Beispiele zu zeigen, dass die Lösung funktioniert und nicht, wie sie funktionieren würde, wenn einzelne Prämissen erfüllt wären. Kurzum: Ein fundierter Proof Of Concept ist essenziell.

Blickt man auf frühere Rezensionen zurück, wird eine wichtige Lektion oft ignoriert: Es ist besser, eine gesunde Stückzahl-Ökonomie zu haben, als sich nur auf das Wachstum zu konzentrieren und darauf, dass in der Zeit kurz vor einer Rezession jeder das Gegenteil tut. 2021 lag der Fokus auf Storytelling und der Persönlichkeit des Gründers. Heute müssen Gründer beweisen, dass sie dazu in der Lage sind, einen Teil des Marktes wirtschaftlich zu beherrschen. So gehört die Darstellung des Produkts und die Pläne für seine Weiterentwicklung (und die des Start-ups) immer ins Verhältnis zum derzeitigen Weltgeschehen gesetzt. Es bedarf somit schonungslosem Realismus für das Hier und Jetzt und eine klare Einschätzung der Zukunft. Das überzeugt Kapitalgeber, dass sie in ein zukunftsfähiges und resilientes Unternehmen investieren – vom Produkt bis hin zu den Teams.

Fazit

Die Start-up-Branche leidet unter der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage. Um sicherzustellen, dass Unternehmen auch in unsicheren Zeiten Investitionen erhalten, sollten sie ihrem Pitchdeck noch mehr Aufmerksamkeit schenken und dabei ehrlicher denn je zu ihrer aktuellen Situation sein. Es ist wichtig, Marktkenntnisse, Unternehmen, Produkt, Teams und Visionen in einem kompakten, informativen Deck zu vereinen, damit Investmentfonds einen nachhaltigen Eindruck von einem krisensicheren Investment haben. Von der Corporate Identity bis zum Proof of Concept: und immer vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens. Dabei gilt jedoch, dass ein starkes, zuverlässiges Pitchdeck unabhängig von der wirtschaftlichen und politischen Lage die Norm sein sollte – und nicht die Ausnahme.

Über den Autor
Jon Butterfield ist Head of Platform & Growth beim paneuropäischen Risikokapitalfond Speedinvest.

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Foto (oben): Shutterstock