#Interview

“Gründet, wenn Ihr überzeugt seid, dass Ihr echte Veränderung schaffen könnt”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Meine 'Morning Routine' besteht meist aus zu langem Schlafen, dadurch viel zu kurzem und sehr hektischem Fertigmachen und dem gerade rechtzeitigen Start in den ersten Call", sagt Oliver Noske, Gründer von pektogram.
“Gründet, wenn Ihr überzeugt seid, dass Ihr echte Veränderung schaffen könnt”
Freitag, 20. Mai 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antworten Oliver Noske und Jasper Steinlechner, die Gründern von pektogram. Das Startup aus Lübeck und Bielefeld digitalisiert die Rohstoffbranche.

Wie startet Ihr in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Noske: Ehrlich gesagt nicht besonders fancy. Meine “Morning Routine” besteht meist aus zu langem Schlafen, dadurch viel zu kurzem und sehr hektischem Fertigmachen und dem gerade rechtzeitigen Start in den ersten Call. Duschen mit Nachdenken statt Meditation.

Steinlechner: Trotz guter Vorsätze sieht es bei mir ähnlich aus: eine Runde mit dem Hund und dann mit frisch gebrühtem Kaffee gerade rechtzeitig in den ersten Call.

Und wie schaltet Ihr nach der Arbeit ab?
Noske: Die Abende verbringe ich meist mit meiner Freundin. Lesen, ein gutes Essen, das bringt mich runter. Ich muss aber zugeben, dass ich häufig mindestens noch über die Arbeit nachdenke, manchmal auch arbeite oder wenigstens Termine und Aufgaben für den Folgetage plane. So ganz lässt sich das Unternehmertum dann doch nicht abschalten.

Steinlechner: Ich mache am liebsten einen langen Spaziergang mit meinem Hund Nala im schönen Teutoburger Wald oder bin beim Sport. Dann geht’s entspannt aufs Sofa.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättet Ihr gerne vor der Gründung gewusst?
Noske: Auf jeden Fall mehr, denn ich wusste kaum etwas. Andererseits ist irgendwie genau das, das Erfrischende am Gründer-Dasein: mal mit dieser Unwissenheit und Ungewissheit völlig neue Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten erkennen und nutzen zu können.

Was waren die größten Fehler, die Ihr bisher gemacht habt – und was habt Ihr aus diesen gelernt?
Noske: Zu glauben, dass jede:r sofort versteht, warum, wie und was wir da gerade tun. Ich habe gelernt, dass Kommunikation – im Kleinen sowie im Großen – eine Schlüsselrolle einnimmt.

Steinlechner: Einer unserer Fehler war, dass wir die Hypothesen, mit denen wir bei Produkten und Lösungen ins Rennen gegangen sind, anfänglich nicht aktiv genug hinterfragt haben. Heute weiß ich: Auch wenn die ersten Gespräche und Pilotprojekte super laufen, darf man sich nicht in die eigene Hypothese „verlieben“. Selbst im fortgeschrittenen Status der Lösung muss man sich immer wieder selbstkritisch mit den Grundsätzen auseinandersetzen.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Steinlechner: Zu Beginn haben wir super Erfahrungen damit gemacht, über unser bestehendes Netzwerk Leute zu finden. Bei denen wussten wir, dass es menschlich passt. Es ist enorm wichtig, dass die Person gut ins Team passt. Außerdem muss sie eine hohe Motivation für das große Ganze mitbringen, bei uns muss sie also die Rohstoffbranche revolutionieren und damit etwas wirklich Gutes für die Welt bewirken wollen. Wo oder als was jemand vorher gearbeitet hat, sollte dagegen nicht an oberster Stelle stehen. Ich bin überzeugt, dass der persönliche Drive die fehlende Berufs- oder Branchenerfahrung kompensieren wird, umgekehrt funktioniert das nicht.

Welchen Tipp habt Ihr für andere Gründer:innen?
Noske: Gründet nicht, um Gründer zu sein. Gründet, wenn Ihr überzeugt seid, dass Ihr mit Eurer Unternehmensgründung echte Veränderung und/oder echten Mehrwert schaffen könnt.

Steinlechner: Und genießt Eure Erfolge – auch die kleinen! Viele Gründer:innen neigen beim Aufbau ihres Startups dazu, von Meilenstein zu Meilenstein zu hasten und kaum innezuhalten. Das laugt aus. Nach einem erfolgreichen Projekt oder einem schönen Ereignis sollte man das bewusst feiern und sich selber sagen: Das haben wir richtig gut gemacht! Das bringt auch das Team noch mehr zusammen.

Ohne welches externe Tool würde Euer Startup quasi nicht mehr existieren?
Noske: Aktuell noch, traurig aber wahr, Geld. Außerdem möchten wir auf diese digitalen „Helferchen“ nicht verzichten: Asana, Google Cloud und Applications, Microsoft Teams und Slack.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Steinlechner: Jeder im Team darf ein Kunststück mit Büro-Hund Nala vorführen und der Gewinner bekommt den nächsten Kaffee frei Haus. Oder man schreibt einen lustigen Satz in den Google Translator und lässt es von der Robo-Stimme vorlesen.

Was war Euer bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Noske: Dass wir trotz Einreisestopp im Oktober 2021 tatsächlich mit einer exklusiv vom Konsulat ausgestellten “National Interest Exception” in die USA einreisen durften. Wir und unsere Sache wurden als so wichtig angesehen. Das ist wirklich mega und eine tolle Bestätigung.

Steinlechner: Ich muss dabei auch an unseren USA-Aufenthalt denken und zwar an den Moment, als wir mitten im Hinterland in einer Rohstoffe-Mine standen und gezeigt bekamen, wie hier jedes Jahr hunderttausende (!) Tonnen abgebaut werden. Beeindruckend aber auch irgendwie etwas beängstigend.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): pektogram