#Interview

“Meine Missgeschicke sind ohne größere Folgen geblieben”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Mein Learning für das Recruiting: Lieber länger auf den richtigen Mitarbeiter warten, als sich vorschnell mit der erstbesten Lösung zufrieden zugeben", resümiert Luwam Tecle-Debesay, Gründerin von Die Backhelden.
“Meine Missgeschicke sind ohne größere Folgen geblieben”
Freitag, 6. Mai 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Luwam Tecle-Debesay, Gründerin von Die Backhelden. Das Frankfurter Startup bezeichnet sich selbst als “Hellofresh für Backen”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mit zwei kleinen Kindern definitiv nicht ruhig. Um 6:30 Uhr sind bei uns alle wach. Den Großteil der Morgenschicht übernimmt mein Mann. In der Regel setz ich mich um 8.00 Uhr an den Schreibtisch – manchmal auch früher. Je nachdem wie der Morgen es erlaubt. Die ersten 30 Minuten eines Arbeitstages nutze ich meist, um meine Ziele für den Tag zu definieren und mir einen Überblick über alle anstehenden Aufgaben und Termine zu verschaffen. Anschließend geht es direkt los. Dabei versuche ich mir die erste Tageshälfte meetingfrei zu gestalten, so dass ich wirklich fokussiert arbeiten kann. Gerade wenn es darum geht kreativ zu arbeiten wie zum Beispiel bei der Gestaltung von Creatives oder Content brauche ich Ruhe. Was mir hierbei hilft, ist der Fokusmode auf meinem iPhone. Dort lassen sich bequem alle Benachrichtigungen steuern bzw. blockieren. Meetings mit Kollegen und Partnern sind dann meist am Nachmittag dran. Pausen werden gemacht, wenn es dann gerade mal reinpasst. Um 15:30 Uhr ist dann erstmal Schluss. Ich hole die Kinder von der Kita ab. Es wird gespielt, gehaushaltet und Abendbrot gegessen. Gegen 19:30 Uhr sind die Kinder im Bett. Ab 19:30 Uhr setze ich mich dann meistens nochmal für zwei bis drei Stunden an den Schreibtisch.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Um ehrlich zu sein, ist das bis heute meine größte Herausforderung. Es gibt immer was zu tun und ich muss mich tatsächlich zwingen komplett abzuschalten. Klappt mal gut, mal nicht so gut. Wenn ich es aber schaffe, dann meist mit einem guten Podcast oder Youtube. Ich gehe auch sehr gerne spazieren, um den Kopf freizukriegen. 

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Das es ein ständiges Auf und Ab der Gefühle sein kann und man davon unbeeindruckt fokussiert an seinen Zielen arbeiten muss. Die Balance zwischen Beharrlichkeit und dynamisch auf neue Gegebenheiten zu reagieren ist auch etwas was ich lernen musste. Auch hätte ich nicht gedacht, dass der bürokratische Aufwand dann doch nicht ganz zu unterschätzen ist. 

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Definitiv, Kinder und die Gründung zusammen unter einen Hut zu bringen. Die Idee zur Gründung kam mir ja während der Elternzeit meines zweiten Kindes. Das heißt es war gerade in der Anfangszeit ohne richtiges Team und Strukturen – ein riesengroßer Kraftakt. Jede Schlafpause meines Jüngsten habe ich genutzt um mich gefühlt in tausend Themen einzuarbeiten. Ich bin meiner Familie echt dankbar, dass sie mir in dieser Zeit den Rücken gestärkt hat. Ansonsten ist das Gründen ein ständiges Überspringen von Hürden auf dem Weg zum Ziel.  

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich muss gestehen, dass ich von Buchhaltung am Anfang wenig Ahnung hatte, auch hatten wir keinen Steuerberater. Dementsprechend lief am Anfang in der  Buchhaltung einiges schief. Außerdem habe ich das Lagermonitoring auch eher stiefmütterlich behandelt, sodass wir mehrmals Out of Stock gegangen sind.  Ärgerlich, aber man lernt draus. Mittlerweile haben wir richtig gute Leute im Team, die um Finanzen und Logistik etc.  kümmern. Unsere Finanzen und Operations haben wir seither super im Griff. Meine Missgeschicke sind glücklicherweise ohne größere Folgen geblieben.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
In der Anfangszeit haben wir einige Mitarbeiter aus dem Bekannten- und Freundeskreis rekrutieren können. Vorteil: Man kennt sich und kann die Person sehr gut einschätzen. Nachteil: Es ist ein gewisser Balanceakt zwischen Freundschaft und Arbeit. In der zweiten Phase haben wir mit den klassischen Jobportalen, aber auch über Linkedin gute Erfahrungen gemacht. Recruiting ist einer der Dinge, die wir zu Beginn unterschätzt haben. Unser Glück war einfach das große Netzwerk meines Bruders. Mein Learning für das Recruiting: Lieber länger auf den richtigen Mitarbeiter warten, als sich vorschnell mit der erstbesten Lösung zufrieden zugeben. 

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen? 
Man macht schon sehr vieles richtig, wenn man überhaupt erstmal anfängt. Bei mir war er so, dass ich lange Zeit mit dem Gedanken gespielt habe zu gründen und mir bereits alles ausgemalt habe. Aber träumen ist eben nicht gründen. Das Machen kann durch nichts ersetzt werden. Ansonsten sei proaktiv und suche dir ein Netzwerk, tausch dich mit anderen Gründern aus und teilt euer Wissen. Du hast niemanden in deiner Nähe? Dann empfehle ich dir Twitter und Podcasts. Hier konnte ich unheimlich viel lernen. Also leg los und grübel nicht zu lange. Wie heißt es doch so schön: “Start small, think big”. Achte zudem darauf, dich auf das Verkaufen deines Produktes bzw. deinen Kunden zu fokussieren und herauszufinden, ob ein Product-Market Fit gegeben ist. 

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Es werden täglich mehr Tools. Aber im Ernst. Tools, die täglich zum Einsatz kommen sind vor allem Kollaborationstools wie Slack, Google Suite, Asana und Canva. Auf der operativen Seite gehört Xentral zu unserem täglich Brot. Ohne ein stabiles ERP-System würde nichts funktionieren!

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Gute Frage. Gerade in Remote-Zeit ist es sehr viel schwieriger geworden, den persönlichen Kontakt aufrecht zu erhalten. Umso wichtiger ist es uns, dass wir als Team immer wieder persönlich zusammenkommen und auch gemeinsam an einem Ort arbeiten. Wir organisieren zudem regelmäßig Teamevents, denn Spaß auf der Arbeit und mit den Kollegen ist ein Must für uns. Das Fundament bleibt allerdings ein respektvoller und authentischer  Austausch auf Augenhöhe. Unsere Mitarbeiter sind unser Schatz und so behandeln wir sie auch.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Rückblickend war es ein verrücktes Erlebnis mit meinen beiden Brüdern beim Notar zu sitzen und die Backhelden GmbH ins Leben zu rufen. Mit meiner Familie ein Unternehmen zu führen? Das hätte ich mir niemals erträumen können. Nach einer Testphase, die zeigen soll, ob wir überhaupt zusammen arbeiten können, haben wir uns für diesen Weg entschieden. Wir ergänzen uns perfekt!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Die Backhelden