#Interview

“Wer nicht kommuniziert, existiert nicht”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Wenn ich nicht im 'Flow' starte, wird meistens der Rest des Tages auch schwierig. Daher habe ich eine Morgenroutine entwickelt, die für mich sehr gut funktioniert", sagt Valerie Krämer, Gründerin von Remi.
“Wer nicht kommuniziert, existiert nicht”
Freitag, 25. März 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Valerie Krämer, Gründerin von Remi. Das Berliner Startup möchte Remote Teams helfen, Kontakte zueinander aufzubauen.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Für mich ist der Start in den Tag die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen, produktiven Tag. Wenn ich nicht im “Flow” starte, wird meistens der Rest des Tages auch schwierig. Daher habe ich eine Morgenroutine entwickelt, die für mich sehr gut funktioniert: 6:30 bis 7:00 Uhr Aufstehen, Glas Wasser trinken, Zähne putzen, dann Sport: Yoga oder Laufen gehen. Wenn wenig Zeit ist, zumindest 10min Meditieren und gedanklich auf den Tag vorbereiten, dann heiß und kalt im Wechsel duschen – kleine Überwindung aber wirkt Wunder! Egal wie müde ich bin, das macht wach und schenkt Energie. Im besten Fall verbringe ich die ersten 2h des Arbeitstages dann ohne Meetings und mache Deepwork, das geht aber leider nicht immer.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Schwierig! Was mir hilft ist Laptop zuklappen, Raum/Ort wechseln – wir arbeiten fully remote und ich von zu Hause aus -, im besten Fall kurz spazieren gehen oder am liebsten: mit Freunden treffen und auch das Thema wechseln. Abends versuche ich dann zu lesen zum Einschlafen und 30min vor dem Schlafen gehen, das Handy weg zu legen, damit ich etwas runterkomme und nicht die ganze Nacht noch weiter auf den Ereignissen des Tages rum denke und Kreise drehe. Ich mache in letzter Zeit auch gerne eine Schlaf Meditation – einmal umdrehen danach und ich bin weg.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich habe zum Glück bereits zuvor in einem Early Stage Startup gearbeitet, weshalb ich die stressigen Zeiten, die Ungewissheit sowie das Springen von A nach B schon gut kannte. Was mir tatsächlich nicht klar war, ist, wie ungewiss alles wirklich ist und was es für einen Unterschied macht, sein eigenes Geld reinzustecken. Es gibt keinen auf den man die “Schuld” oder die Entscheidungen “abwälzen” kann – du selbst bist für alles verantwortlich. Es ist mental die größte Herausforderung, sich immer wieder selbst Ziele zu setzen, sich auch trotz des 200. “Nein” nicht aufhalten zu lassen und immer wieder sich selbst und das eigene Team zu motivieren, egal welche Setbacks es gibt. Es ist ein Energy-Game, und je besser du langfristig mit deiner eigenen Energie haushalten kannst, desto besser für dich selbst, dein Team und für das Business.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Das Witzige ist, das egal, wieviel Erfahrung du im Job bereits gesammelt hast – außer du hast schonmal gegründet -, du wirst die ersten Monate und auch später, jeden Monat etwas machen, dass du noch nie gemacht hast und musst einen Weg finden, es zu lernen. Kurse, Mentoren, Sparring mit anderen in gleicher Situation. Je schneller du wirst im Schwächen erkennen und lernen oder smartere Leute dazu holen, desto besser! Es ist eine Kunst, irgendwann zu wissen, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, und die Ruhe zu bewahren. Für mich war also vor Gründung vor Allem das ständige Fragen “Ziehe ich es jetzt wirklich durch?” oder “Bewerbe ich mich doch irgendwo für mehr Sicherheit”, “Ich kann das nicht, wie soll ich das Schaffen?” ein ständiger Kampf mit mir selbst, bis wir dann offiziell gegründet haben und immer mehr positives Feedback von potentiellen Kunden bekommen haben. Aber mit einem Blatt Papier und einer Idee loszulaufen und erstmal um jeden einzelnen Supporter zu kämpfen, ist hart.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Es gibt Dinge, die ich extrem schnell entscheiden kann. Und dann gibt es Dinge, wo ich mir unsicher bin und ggf. noch nicht genug Erfahrungswerte gesammelt habe, keine klare Datenlage oder mit anderen dazu gesprochen habe. Ich habe im Nachhinein das Gefühl, ich hätte viele Entscheidungen früher treffen können – am Ende ist es besser dabei schnell zu sein. Denn je früher wird man auch rausfinden, ob es wirklich ein Fehler war. Das schlimmste, was passieren kann, ist sich monatelang mit einer Entscheidung zu quälen (was ja sehr viel Energie kostet und in manchen Fällen auch Geld) und am Ende ist es doch die falsche gewesen. Der größte Fehler bisher, aus Not, jemanden anzustellen, der fachlich top war aber im Endeffekt die Motivation und Begeisterung für die Idee fehlte. Egal wie verzweifelt du bist, Attitude over Skills.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Das größte Problem, ist immer ein kleiner Fisch in einem großen Haifischbecken zu sein. Keiner kennt dich – wer nicht wirbt, stirbt. Wer nicht kommuniziert, existiert nicht. Wir haben sehr früh angefangen, über unseren Gründer-Reise zu sprechen nach dem Motto “Build in Public” und haben sehr früh angefangen, viel zu kommunizieren und unsere Marke aufzubauen: über Linkedin, über Twitter, Podcast Interviews, Gastartikel. Auf die Art und Weise, haben wir schon früh viele Inbound Anfragen bekommen von Talenten aus aller Welt. Ansonsten fahren wir am besten mit Direct Outreach über Linkedin und Twitter und dann gezielt in Slack oder Facebook Gruppen posten oder andere im Netzwerk ansprechen, ob sie unser Gesuch teilen können. Von Headhuntern würde ich zu Beginn der Reise abraten, denn keiner kann deine Idee neuen Talenten so gut verkaufen, wie du selbst.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Sei ehrlich mit dir selbst: Kenne deine Stärken. Kenne deine Schwächen. Konzentriere dich auf deine Stärken. Und dann stell’ Leute ein, die besser sind als du und dich ergänzen. Für alles andere: Hol dir Berater oder Mentoren und sprich mit Leuten, die schon zwei Schritte weiter sind, um dich weiterzuentwickeln und deine Lernkurve zu reduzieren.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Wir sind komplett remote, haben kein Office und sitzen überall verteilt in Europa. Daher müssen wir alternative Wege finden, wie wir den Team Spirit hoch halten. Wie wir das schaffen? Eine große Vision und das “Warum” vor Augen zu haben, ist immer gut, denn das motiviert und treibt das Team intrinsisch an. Wir wollen remote work menschlicher machen und Remote Teams dabei helfen, sich auch über die Distanz hinweg nah und wie ein Team zu fühlen. Je präsenter diese Vision für das Team ist, desto besser. Außerdem nutzen wir unser eigenes Tool Remi, um für für gute Stimmung im Team zu sorgen: wir haben verschiedene asynchrone tägliche und wöchentliche Team-Building Rituale für uns aufgesetzt. Dazu zählen unter anderem. ein täglicher Mood Check, mit dem wir offen teilen wie es uns geht oder wo der Schuh ggf. drückt, um Probleme anzusprechen. Durch unsere Team Questions, unser Hobby Matching und unser Share your World Ritual, bringen wir die lustigen, informellen Gespräche in unser Team, was sehr viel Freude macht. Freitags haben wir außerdem ein Ritual im Team, wo wir über unsere Highlights / Lowlights of the Week sprechen – das hilft besonders dabei, die Woche zu reflektieren, Schwierigkeiten zu besprechen und auch die “Wins” zusammen zu feiern. Einmal im Monat machen wir außerdem ein virtuelles Team Event sowie regelmäßige In-Person Team Retreats.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Letztes Jahr als First-Time Female Founder den ersten Fundraising Prozess meines Lebens zu bestreiten – das war eine riesige Gefühls-Achterbahnfahrt!

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Remi