#Interview

“Es lohnt sich von Tag eins, in sehr gute Mitarbeiter zu investieren”

Qualifyze sorgt dafür, "dass Medikamente in der Apotheke verfügbar und sicher sind". Derzeit arbeiten 65 Mitarbeiter:innen für die Jungfirma, de kürzlich 14 Millionen Dollar einsammeln konnte. "Wir wollen vor allem die Entwicklung unsere Technologie und unser Hiring beschleunigen", sagt Gründer Florian Hildebrand zum Investment.
“Es lohnt sich von Tag eins, in sehr gute Mitarbeiter zu investieren”
Donnerstag, 9. Dezember 2021VonAlexander Hüsing

Das Frankfurter Unternehmen Qualifyze, früher als ChemSquare bekannt,  entstand 2017 im Rahmen einer wissenschaftlichen Promotion an der Technischen Universität Darmstadt. Die Jungfirma, die von David Schneider und Florian Hildebrand gegründet wurde, positioniert sich als “digitale Plattform, die es Firmen ermöglicht Daten zu Lieferanten und Produktionsstätten in Form von Auditberichten auszutauschen”. HV Capital, Cherry Ventures, Rheingau Founders und APX investierten zuletzt 14 Millionen US-Dollar in Qualifyze.

“Wir sind jetzt circa 65 Mitarbeiter und haben unseren Umsatz seit Beginn in 2019 jährlich verdreifacht. Ähnliches planen wir auch für die nächsten Jahre. Aktuell haben wir knapp 800 Lieferanten an die Plattform angeschlossen”, sagt Gründer Hildebrand. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Qualifyze-Macher außerdem über Lieferkettenprobleme, Rahmenbedingungen und Lernkurven.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Qualifyze erklären?
Wir sorgen dafür, dass Medikamente in der Apotheke verfügbar und sicher sind. Dafür schicken wir Experten in weltweite Fabriken, die sich vor Ort in regelmäßigen Abständen Qualitäts, Umwelts- und Arbeitsbedingungen anschauen. Aus den gesammelten Informationen können wir dann frühzeitig Probleme erkennen und verhindern.

Beim Start habt ihr euch unter dem Namen ChemSquare als Einkaufsplattform für Chemierohstoffe positioniert. Wie kam es zum jetzigen Konzept?
Qualifyze ist das Ergebnis intensiver Kundenarbeit, kritischer Industrieanalyse, digitaler Innovation und schlussendlich dem Scheitern unserer Einkaufsplattform. Wir haben früh gelernt, dass sich unsere Kunden eher für Qualitäts- und Compliance Informationen als für eine digitale Einkaufslösung interessiert haben. So haben wir Mitte 2018 damit begonnen, das Thema näher zu durchleuchten. Recht schnell ist uns dann klar geworden, dass es hier ein echtes, globales Problem zu lösen gibt und wir haben begonnen Lösungsansätze zu pilotieren. Die Fragilität der Lieferketten, vor allem in der pharmazeutischen Industrie, ist auch durch Covid19 nochmal deutlich zum Vorschein bekommen.

Wie genau funktioniert nun euer Geschäftsmodell?
Wir führen im Auftrag von Pharmaunternehmen Lieferantenaudits weltweit in Fabriken durch und sammeln hierbei eine Menge Daten. Sobald ein Audit erstellt ist, gehen die erhobenen Informationen in unsere Datenbank und können von dort dann von weiteren Unternehmen verwendet werden, etwa wenn diese ähnliche Lieferanten haben. Über unsere Plattformtechnologie sorgen wir dafür, dass der Prozess effizient und effektiv abläuft. In Zukunft wollen wir uns stärker auf das Datengeschäft fokussieren. Wir sind davon überzeugt, dass wir über die gesammelten Auditdaten zukünftig Lieferkettenprobleme vorhersagen bzw. beheben können.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Für uns waren Lockdowns und die weltweiten Reiseeinschränkungen ein Vorteil. Mit unserem umfangreichen, globalen Auditorenpool konnten wir weiterhin weltweit tätig sein. Dadurch sind wir für viele Unternehmen zur notwendigen Alternative geworden. Und auch jetzt merken wir, dass die Unternehmen meist dabei bleiben und langfristig mit uns planen.

HV Capital und Altinvestoren wie Cherry Ventures, Rheingau Founders und APX investierten gerade 14 Millionen US-Dollar in Qualifyze. Wofür braucht ihr gerade jetzt so viel Geld?
Wir wollen vor allem die Entwicklung unsere Technologie und unser Hiring beschleunigen. Je mehr Daten wir erheben, umso höher die Transparenz und somit Mehrwert für die Stakeholder, daher werden wir auch verstärkt in das Data Play investieren.

Euer Firmensitz ist Frankfurt am Main. Ist das jetzt ein Vorteil oder ein Nachteil?
Das ist schwierig zu beantworten. Die richtige Antwort wäre wohl weder noch. Wir haben es geschafft tolle und erfahrene Talente nach Frankfurt zu locken und hier ein gutes Öko-System für uns zu schaffen. Gleichzeitig haben wir mit Barcelona einen Standort von globaler Attraktivität. Wir haben durch Corona gelernt, noch globaler zu arbeiten und zu denken. Wichtig ist, dass das Team in regelmäßigen Abständen zusammenkommt. Dafür haben wir die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen.

Zudem seid ihr auch in Barcelona vertreten. Was sind die Gründe dafür?
Barcelona ist nicht nur als Stadt sehr attraktiv, es gibt dort auch einen sehr großen Talentpool. Mittlerweile arbeiten in Barcelona sogar mehr Mitarbeiter als in Frankfurt und wir gehen davon aus, dass sich dies so fortsetzen wird. Barcelona ist für unsere Skalierung sehr wichtig, daher planen wir unsere Bürokapazität hier deutlich auszubauen.

Wie hat sich Qualifyze seit der Gründung entwickelt bzw. wie groß ist euer Startup inzwischen?
Wir sind jetzt circa 65 Mitarbeiter und haben unseren Umsatz seit Beginn in 2019 jährlich verdreifacht. Ähnliches planen wir auch für die nächsten Jahre. Aktuell haben wir knapp 800 Lieferanten an die Plattform angeschlossen.

Blickt bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir haben zu Anfang die Wichtigkeit des Recruitings unterschätzt, insb. was das Sourcing von Top Talents angeht. Die Qualität der Leute macht einen riesigen Unterschied und es lohnt sich von Tag eins, in sehr gute Mitarbeiter zu investieren. Dieser Mindset Shift hat inzwischen Teamübergreifend stattgefunden und ist Teil unserer Kultur.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
ls Gründer haben wir von Anfang in unsere Lernkurve investiert und waren stets offen für neue Impulse und Feedback. Dadurch konnten wir uns schnell weiterentwickeln und an die Anforderungen einer stark wachsenden Organisation anpassen. Auch in schwierigen Situationen sind wir immer drangeblieben, haben Problem proaktiv und offen adressiert und waren uns nie zu Schade, eigene Fehler zu thematisieren. Diese Haltung tragen wir täglich ins Team.

Wo steht Qualifyze in einem Jahr?
Unsere Kunden werden in der Lage sein, sich mit Hilfe der gesammelten und ausgewerteten Daten ein viel umfassenderes Bild über die Qualität ihrer Lieferkette zu machen – das geht weit über die Erfüllung von Compliance Anforderungen durch Auditberichte hinaus. Um das zu erreichen, müssen wir unser Team signifikant aufbauen und die Strukturen entsprechend anpassen. n. Das Ziel sind circa 100 Leute in den nächsten 12 Monaten. Uns ist es wichtig, dass wir trotz Wachstum unsere Werte und Kultur aufrecht erhalten.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Qualifyze

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.