#Interview

“Wir haben bereits sehr vielen Menschen geholfen, ihre Gesundheit wieder in den Griff zu bekommen”

Die Jungfirma Biomes analysiert die Darmflora seiner Nutzer:innen und gibt daraufhin Tipps in Sachen Ernährung. Für das Jungunternehmen arbeiten derzeit 72 Mitarbeiter:innen. In diesem Jahr peilt das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 3 Millionen Euro an.
“Wir haben bereits sehr vielen Menschen geholfen, ihre Gesundheit wieder in den Griff zu bekommen”
Mittwoch, 17. November 2021VonAlexander Hüsing

Bei Biomes dreht sich alles um Mikrobiom-Analysen und personalisierte Ernährung. “Unser erstes Produkt ist eine Darm-Mikrobiom-Analyse, die es unseren Kundinnen und Kunden ermöglicht, ihre Darmbakterien kennenzulernen und mit personalisierten Ernährungs­empfehlungen persönliche Schwachstellen auszugleichen. Dabei handelt es sich um einen Test, den jeder ganz einfach zu Hause selbst durchführen und in unser Labor senden kann”, sagt Gründer Paul Hammer.

Für das Jungunternehmen, das 2017 aus der Technischen Hochschule Wildau ausgegründet wurde, arbeiten derzeit 72 Mitarbeiter:innen. “Wir haben bisher mehr als 30.000 Endkunden aus über 25 Ländern glücklich gemacht, mehrere Revenue-Streams aus verschiedenen Use-Cases etabliert und machen dieses Jahr bereits circa 3 Millionen Euro Umsatz. Nachdem wir sehr viel in Produkt, Labor und Software Infrastruktur investiert haben, wollen wir nächstes Jahr in die richtige Wachstumsphase durchstarten”, führt der Biomes-Macher aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Biomes-Gründer Hammer außerdem über DNA, Diversität und Corporates.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Biomes erklären?
Wir bei Biomes möchten Menschen dabei helfen, ein gesünderes Leben zu führen und begleiten sie auf ihrem Weg zu mehr Wohlbefinden. Unser erstes Produkt ist eine Darm-Mikrobiom-Analyse, die es unseren Kundinnen und Kunden ermöglicht, ihre Darmbakterien kennenzulernen und mit personalisierten Ernährungs­empfehlungen persönliche Schwachstellen auszugleichen. Dabei handelt es sich um einen Test, den jeder ganz einfach zu Hause selbst durchführen und in unser Labor senden kann. Wir analysieren die Probe dann mithilfe von komplexen Hochtechnologien und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir haben unser Startup nach mehrjähriger Forschungsarbeit im Jahr 2017 mit einem EXIST Gründer-Stipendium aus der Technischen Hochschule Wildau ausgegründet. Wir sind also Wissenschaftler und DNA-Spezialisten. DNA ist der genetische Code jeglichen Erdenlebens, das heißt sie sagt etwas über den Gesundheitszustand eines jeden Lebewesens aus. DNA zu analysieren ist sehr aufwändig und teuer, deshalb ist es umso sensationeller, dass wir technologischer Weltmarktführer mit unserem Test sind und ihn gleichzeitig für einen geringen Preis anbieten können. Wir ermöglichen es somit, komplexe wissenschaftliche Erkenntnisse über den eigenen Gesundheitszustand für jeden Menschen verfügbar und verständlich zu machen. Unsere Technologie-Plattform ist außerdem in der Lage, jegliche DNA auf unserem Planeten zu analysieren. Daher möchten wir in Zukunft noch viele weitere Produkte entwickeln, die dem Menschen und der Umwelt nützlich sein werden.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Während der Corona-Krise haben wir bewiesen, wie agil wir arbeiten und wie flexibel unsere Technologie-Plattform ist, denn wir haben unsere Laborprozesse innerhalb kürzester Zeit auf den Nachweis von Corona-Viren umgestellt und zudem die Corona-Mutanten-Genomsequenzierung für Brandenburg etabliert. Darauf sind wir wirklich stolz. Nichtsdestotrotz bleibt das Mikrobiom unser Kerngeschäft.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Es gab einige Branchen, die in der Krise enormen Aufschwung erlebt haben, wie beispielsweise der Online Handel mit Gebrauchsgütern oder Baumaterialien. Wir haben mit unserem Test jedoch denselben sogenannten “Demand-Shock” erlebt, wie viele andere Branchen und Unternehmen. Das heißt, unsere Umsätze gingen zunächst nach unten. Daher war es wichtig für uns, unsere Laborprozesse umzustellen und ein zusätzliches Business zu etablieren, was wir mit dem Nachweis von Corona mittels qPCR und der Corona-Mutanten Genomsequenzierung geleistet haben. Seit März diesen Jahres konnten wir unsere Umsätze im Mikrobiom-Kerngeschäft dennoch wieder signifikant steigern und können uns nun wieder voll darauf fokussieren.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Unser Geschäftsmodell basiert auf drei Säulen. Unser erste und wichtigste Säule ist unsere weltweit führende und vollautomatisierte Laboranalyse des Mikrobioms durch den Verkauf unseres ersten Endkunden-Tests INTEST.pro. Hier werden wir weitere Analysen für andere Körperbereiche (Haut), Tiere (Hund) und auch Branchen (Landwirtschaft) auf dem Markt bringen. Die zweite Säule beinhaltet den Verkauf von gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen, die kundenspezifisch und personalisiert auf die Testergebnisse der INTEST.pro Analyse ausgerichtet sind. Dazu gehören weitergehende Beratungen im Bereich der personalisierten Ernährung, Analytik-basierte probiotische Nahrungsergänzungsmittel und andere passende Produkte von Drittanbietern. Die dritte Säule unseres Geschäftsmodells basiert auf dem stetig wachsenden Datenpool, den wir dank anonymisierter und freiwilliger Spenden unserer Kundinnen und Kunden aufbauen konnten. In diesen Datensätzen stecken wertvolle neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die unter anderem dabei helfen können, eine Prädisposition für bestimmte Krankheiten frühzeitig zu erkennen oder neue Therapieansätze hervorzubringen. Zusätzlich zu diesen Datenanalysen bieten wir auch Auftragsforschung im Bereich der Genomik an.

Wie ist überhaupt die Idee zu Biomes entstanden?
Ich war schon immer getrieben von dem Wunsch, die Welt zu erforschen, aber gleichzeitig etwas zu tun, was vielen Menschen helfen kann. Dann lernte ich vor einigen Jahren, als ich den DNA-Nobelpreisträger James Watson in Cold Spring Harbor traf, die Technologie kennen, auf der unser Test basiert. Ich wusste sofort, dass das etwas Revolutionäres ist, das ich weiterverfolgen muss. Mit der sogenannten Next-Generation-Sequencing Methode ist es uns erstmal möglich gewesen, komplexe Genome in kurzer Zeit kosteneffizient zu analysieren. Dieser Fortschritt der modernen Biotechnologie gibt uns endlich die Möglichkeit, DNA so günstig und so tief wie nie zuvor zu analysieren und die Anwendungsmöglichkeiten sind scheinbar unbegrenzt.
Da klingt es vielleicht banal, dass unser erstes Produkt INTEST.pro eine Darmflora-Analyse ist. Doch das Darm-Mikrobiom als Analyseziel ist eine sehr starke erste Anwendung im Vergleich zum humanen Genom, weil das Mikrobiom im Gegensatz zur menschlichen DNA durch z.B. personalisierte Ernährung optimierbar ist. Zudem hat es einen sehr großen Einfluss auf unsere Gesundheit und Wohlbefinden. Durch die Erfassung und Quantifizierung der Gesamtheit aller Bakterien können wir also das Leben vieler Menschen verbessern, denn bisher ist der Einfluss unserer mikrobiellen Mitbewohner auf die Gesundheit des Menschen ein zu stark unterschätzter Faktor.

Wie hat sich Biomes seit der Gründung entwickelt?
Biomes hat sich in den knapp vier Jahren seit Gründung im November 2017 sehr positiv entwickelt. Wir haben mittlerweile unser eigenes nagelneues Headquarter in der Halle 21 direkt neben der TH Wildau, dem RKI und Fraunhofer-Institut bezogen, wir haben hohe politische Besuche – unter anderem Olaf Scholz – empfangen, wir haben eine einzigartige und offene Firmenkultur mit einer hohen Diversität an Talenten aus der ganzen Welt, wir haben unsere bestehenden Lösungen vielfach verbessert und mit neuen Produkten und Analysen erweitert und wir haben internationale große Geschäftspartner gewinnen können. Aber vor allem haben wir bereits sehr vielen Menschen geholfen, ihre Gesundheit wieder in den Griff zu bekommen.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Biomes inzwischen?
Wir sind mittlerweile 72 Mitarbeitende bei Biomes, haben 6 Millionen Euro Kapital eingeworben und mehr als 1 Millionen Euro Zuschüsse bewilligt bekommen. Zudem haben wir mehr als 30.000 Endkunden aus über 25 Ländern glücklich gemacht, mehrere Revenue-Streams aus verschiedenen Use-Cases etabliert und machen dieses Jahr bereits circa 3 Millionen Euro Umsatz. Nachdem wir sehr viel in Produkt, Labor und Software Infrastruktur investiert haben, wollen wir nächstes Jahr in die richtige Wachstumsphase durchstarten.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wie sicherlich jedes Startup haben auch wir einige Fails zu verbuchen. Zum Beispiel haben wir in Mexiko eine Vertriebseinheit im Jahr 2018 gegründet und warten noch immer auf die Import-Zulassung unserer Produkte. Durch Corona wurden alle Antragsbearbeitungen in den dortigen Behörden niedergelegt. Ein anderer Fail lief mit einem sehr großen Pharma-Unternehmen aus Europa. Wir hatten die Lösung nach 12 Monaten enger Zusammenarbeit komplett fertig und die Verträge waren unterschriftsreif. Jedoch wurde das Top-Management des Corporates ausgetauscht und alle Projekte wurden sofort auf hold gesetzt und unseres dann letztendlich eingestellt.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir leben unsere Werte und sind sehr stolz auf den Biomes-Spirit. Unser Team geht mit uns durch dick und dünn. Dass wir hier viel richtig machen, merken wir nicht nur an unserer Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch an der Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden, die wir als obersten Richtwert definieren. Unser Net Promoter Score – ein Standardmaß in der Marktforschung zur Messung der Kundenzufriedenheit, das zwischen -100 und +100 liegen kann – liegt stetig bei über 70. Im Vergleich erreichen die wenigsten Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen die 50er-Grenze.

Wo steht Biomes in einem Jahr?
Wir werden in einem Jahr der europäische Marktführer im Bereich der Mikrobiom-Analyse sowie im Bereich personalisierter Ernährung sein. Mit stetig steigender Kundenzahl und global agieren Geschäftspartnern werden wir die Marke Biomes im Bereich der Gesundheitsvorsorge internationalisieren.

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Foto (oben): Biomes

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.