#Interview

“Viele Kunden in unserem Markt sind nicht mit digitalen Medien aufgewachsen”

Bei Classic Trader werden Autoenthusiasten auf jeden Fall fündig. "Classic Trader ist Europas größte Verkaufsplattform für Oldtimer, Youngtimer und Supersportwagen", sagt Gründer Christian Plagemann. "Alleine im letzten Jahr haben rund 15.000 Classic Trader-Fahrzeuge den Eigentümer gewechselt".
“Viele Kunden in unserem Markt sind nicht mit digitalen Medien aufgewachsen”
Freitag, 1. Oktober 2021VonAlexander Hüsing

Das Berliner Unternehmen Classic Trader, das von Torsten Claus und Christian Plagemann gegründet wurde, positioniert sich seit 2013 als “Marktplatz für klassische Fahrzeuge”. Inzwischen gibt es neun Länderversionen in sechs Sprachen. “Alleine im letzten Jahr haben rund 15.000 Classic Trader-Fahrzeuge den Eigentümer gewechselt. In Deutschland, Italien und zunehmend auch in England ist Classic Trader inzwischen die erste Adresse für den internationalen Verkauf von Oldtimern“, sagt Gründer Plagemann.

Mit CT Inspections brachten die Hauptstädter zudem kürzlich einen Gutachtendienst an den Start. “CT Inspections ist jedoch mehr als einfach nur eine weitere Dienstleistung für Besitzer, Käufer oder Verkäufer von Old- oder Youngtimern. Tatsächlich haben wir gemeinsam den kompletten Begutachtungsprozess, von der Beauftragung bis hin zum Versand des fertigen Gutachtens an den Kunden, End to end, digitalisiert”, führt Plagemann aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Classic Trader-Macher außerdem über Print-Magazin, Preissteigerungen und die Expansion in die USA.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Classic Trader erklären?
Classic Trader ist Europas größte Verkaufsplattform für Oldtimer, Youngtimer und Supersportwagen. Auf unserem Internetmarktplatz bringen wir private und professionelle Verkäufer mit Enthusiasten und Käufern auf der ganzen Welt zusammen. Zusätzlich bieten wir eine Reihe von verkaufsbegleitenden Dienstleistungen von einer Vorkaufbegutachtung über den Transport bis hin zu spezialisierten Versicherungsdienstleistungen für Sammlerfahrzeuge an. Unsere Kunden erhalten also zielgerichtete Unterstützung entlang des kompletten Kaufentscheidungsprozess.

Wie genau muss ich mir das vorstellen?
Hierzu ein kurzes Beispiel: “Lieschen Müller” hat in unserem Classic Trader-Magazin einen Artikel über die beliebtesten Autos der 80er Jahre gelesen und sich in einen Lancia Delta HF Integrale aus dem Jahr 1988 verliebt. Ihr Traumwagen steht jedoch leider mehr als 500 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. Sie kann weder “schrauben” noch kennt Sie einen Lancia-Experten, der sich das Fahrzeug für sie anschauen könnte. Dank Classic Trader kann Sie jedoch in nur wenigen Klicks über unseren neuen Begutachtungs-Service CT Inspections eine fachgerechte Bewertung des Wagens durchführen lassen und sich somit in Bezug auf den Zustand des Fahrzeuges absichern, deutschlandweit zum Festpreis. Unsere Sachverständigen von TÜV Rheinland / FSP und TÜV SÜD überprüfen dabei mithilfe unserer Begutachtung-App das Fahrzeug an bis zu 128 neuralgischen Punkten, nehmen den Wagen auf eine Hebebühne und machen eine Probefahrt. Zusätzlich erhalten unsere Kunden, ähnlich wie es die Schwacke im Gebrauchtwagenmarkt ermöglicht, eine detaillierte Marktwertanalyse zu dem begutachteten Modell. 

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Unsere Vision hat sich kaum geändert unser Geschäftsmodell jedoch sukzessive erweitert. In den ersten Jahren haben wir uns auf die Skalierung unserer Plattform und den Aufbau unserer Marke konzentriert bevor wir mit der Entwicklung und integration weiterer Dienstleistungen begonnen haben. Dies erlaubt es uns heute neue Dienstleistungen wie CT Inspections deutlich schneller und gezielter zu etablieren und internationalisieren. So gehen wir im Oktober mit CT Inspections bereits in Österreich an den Start. CT Inspections ist jedoch mehr als einfach nur eine weitere Dienstleistung für Besitzer, Käufer oder Verkäufer von Old- oder Youngtimern. Tatsächlich haben wir gemeinsam mit unseren Partnern aus der Sachverständigen- und der Versicherungs-Industrie den kompletten Begutachtungsprozess, von der Beauftragung bis hin zum Versand des fertigen Gutachtens an den Kunden, End to end, digitalisiert. Unsere CT Inspections App macht die Begutachtung für Oldtimer-Sachverständige nicht nur einfacher, sondern vor allem deutlich wirtschaftlicher. 

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Der Marktplatz ist ein klassischen Classifieds Modell. Verkäufer zahlen eine Gebühr für die Präsentation ihrer Fahrzeuge auf Classic Trader und wir kümmern uns um die internationale Vermarktung selbiger. Anders als auf anderen Kleinanzeigen-Portalen, finden Interessenten auf Classic Trader ausschließlich Anzeigen von validierten Verkäufern. Fahrzeugbestände werden regelmäßig aktualisiert, so dass angebotene Fahrzeuge auch stets tatsächlich noch zu Verkauf stehen. Ergänzt um unser Dienstleistungsspektrum wird Classic Trader somit zum “Safe Place” für den Onlinekauf von Old- oder Youngtimern. Mit CT Inspections habt ihr nun auch einen Gutachtendienst an den Start gebracht. Was ist der Hintergedanke bei diesem Ableger? Der Zustand eines Fahrzeuges ist einer der Dreh- und Angelpunkte rund um eine sichere Kaufentscheidung. Es gibt keine schlechten Fahrzeuge, durchaus aber schlecht beschriebene Fahrzeuge. Eine detaillierte und vor allem standardisierte Vorkaufbegutachtung, wie wir sie nun mit CT Inspections anbieten, ermöglicht es Verkäufern ihre Preisvorstellung zu untermauern und Käufern maximale Transparenz über den Zustand eines Fahrzeuges zu erlangen. Auf Grund des hohen Standardisierungsgrades des Begutachtungsprozesses mit CT Inspections entsteht ein detailreiches und nachvollziehbares Bewertungsergebnis – das sorgt für mehr Sicherheit beim Kauf und dementsprechend integraler Bestandteil unserer Vision. Bei der Gründung von Classic Trader  hatten wir die Hoffnung hier auf bestehende Produkte aufsatteln zu können, mussten jedoch feststellen, dass es bisher an organisationsübergreifenden Standards in der Begutachtung fehlte. Der Großteil der Oldtimer Sachverständigen arbeitet auch heute noch immer mit Stift, Zettel und einer 2 Megapixel Digitalkamera. So haben wir die Chance gesehen einen echten Unterschied zu machen, und mit Hilfe einer digitalen Begutachtungs App einen Länder- und Organisationsübergreifenden Standard zu setzen, den kompletten Begutachtungsprozess zu digitalisieren und somit deutlich effizienter zu gestalten und unseren Kunden zeitgleich die gewünschte Expertise in immer gleicher Qualität an die Seite zu stellen. 

Sind neben CT Inspections weitere Ableger geplant?
Tatsächlich arbeiten wir mit Hochdruck an der Anbindung weiterer internationaler Partner für CT Inspections, auch außerhalb des deutschsprachigen Raums. Zum Anderen werden wir in den nächsten Monaten mit CT Warranty eine neuartige Reparaturkostenversicherung für Old- und Youngtimer auf den Markt bringen. Im Kern kann man sich das wie eine Gebrauchtwagengarantie für Liebhaberfahrzeuge vorstellen. 

Ihr bringt auch ein Print-Magazin heraus. Wie passt und euer Digitalansatz zusammen?
Viele Kunden in unserem Markt sind nicht mit digitalen Medien aufgewachsen und informieren sich noch immer primär über klassische Print-Publikationen. Für viele dieser Kunden macht das Print-Magazin die Vielfalt und Auswahl bei Classic Trader überhaupt erst anfassbar. So sind abstrakte Zahlen wie mehr als 14.000 Fahrzeugangebote für Viele nicht greifbar – das Durchblättern von 144 Seiten mit rund 1.400 unterschiedlichen Fahrzeugangeboten jedoch schon. Jede Kleinanzeige in unserem Magazin verweist auf eine Anzeige im Internet und auch unsere redaktionellen Einstiege werden durch zusätzliche Online Inhalt ergänzt, so dass wir mit dem Print-Magazin sehr erfolgreich eine Brücke von Off- zu Online Inhalten schlagen und Kunden den Einstieg in unsere digitale Welt erleichtern. Hinzu kommt der Werbeeffekt durch die Präsenz am Kiosk aber auch bei Kunden auf den Schreib- und Wohnzimmertischen zu Hause oder im Betrieb. 

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Da gab es sicherlich Licht und Schatten, auch bei uns. Nach einer anfänglichen Schockstarre, die glaube ich in allen Bereichen merkbar war, durften wir uns tatsächlich über Traffic-Peaks und deutliche mehr time-on-site freuen. Für viele Verkäufer war insbesondere die zweite Jahreshälfte 2020 recht erfolgreich, denn tatsächlich hat die Corona-Pandemie die Flucht in Realwerte noch einmal deutlich verstärkt, so dass insbesondere seit Ende des Vorjahres sogar wieder leichte Preissteigerungen im Markt zu beobachten sind. Ähnliche Entwicklungen konnte man auch bei Uhren, Kunst oder Münzen beobachten. Schmerzhaft waren die Auswirkungen zwischenzeitlich auf der klassischen Advertising Seite. Viele unsere Werbekunden haben einen direkten Bezug zur Automobil- oder der Veranstaltungsbranche die ja mit einer Reihe von Herausforderungen zu kämpfen hatten. Inzwischen hat sich die Situation jedoch wieder ein wenig entspannt und wir merken eine latente vorsichtige Zuversicht für die kommenden 12 Monate. 

Wie ist überhaupt die Idee zu Classic Trader entstanden?
Die Liebe zum Automobil teile ich mit meinem Co-Founder Torsten bereits seit Kindheitstagen. Schon immer haben wir uns für so ziemlich alles, was zwei oder vier Räder hat und irgendwie besonders ist, begeistern können. Aus einer Kindergartenbekanntschaft ist so über die Jahre ein tolle Freundschaft und inzwischen eben auch eine Geschäftspartnerschaft entstanden. Als wir uns selber mit Anfang 30 erstmals mit dem Thema Oldtimer-Kauf auseinandergesetzt haben, waren wir von der Struktur und vor allem dem fehlenden Digitalisierungsgrad dieses Marktes überrascht. So haben wir damit begonnen uns intensiv mit den internationalen Märkten und Herausforderungen auseinanderzusetzen und die Chance gesehen Schritt für Schritt einen ganzheitliche Infrastruktur für die Abwicklung von komplexen Transaktionen, wie beispielsweise dem Kauf eines Oldtimers im Ausland, zu schaffen. Der klassische Marktplatz war für uns das zielführendste Inkubationsinstrument für dieses Vorhaben. 

Wie hat sich Classic Trader seit der Gründung entwickelt?
Marktplatz-Modelle leben ja immer von der Balance zwischen Angebot und Nachfrage, so haben wir uns den Angebotsmarkt in den ersten Jahren mit Hilfe von kostenlosen Testphasen erkauft und sind erst relativ spät, mit deutlich mehr Traffic und Nachfrage in die Monetarisierung Phase gestartet. Heute sind solche Testphasen zum Glück nicht mehr notwendig. Alleine im letzten Jahr haben rund 15.000 Classic Trader-Fahrzeuge den Eigentümer gewechselt. In Deutschland, Italien und zunehmend auch in England ist Classic Trader inzwischen die erste Adresse für den internationalen Verkauf von Oldtimern. Damit ist die Internationalisierung jedoch noch nicht abgeschlossen. So werden wir uns in den kommenden 12 Monaten vor allem auch auf die restlichen Europäischen Märkte, wie Spanien und Frankreich konzentrieren um unseren Kunden ein noch vielfältigeres Angebot unterbreiten zu können. 

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Classic Trader inzwischen?
Wir sind 13 Mitarbeiter und arbeiten mit einem externen Vertriebsteam in Großbritannien. Im Jahr 2020 sind Fahrzeuge im Wert von über einer Milliarde Euro gehandelt worden. Wir bedienen heute Kunden in 36 Ländern in sechs Sprachen. In den kommenden 18 Monaten werden wir mit unseren Service-Portfolio unseren Umsatz noch einmal deutlich diversifizieren und steigern, um mit einem sehr ganzheitlichen Angebotsportfolio in den amerikanischen Markt Fuß zu fassen. 

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir sollten gemeinsam mit einem italienischen Messepartner Fahrzeuge für eine Auktion in Italien akquirieren. Da der zeitliche Vorlauf relativ knapp bemessen war, haben wir schnell und ohne echte Vertragsgrundlage Vollgas gegeben, Content produziert und Verkaufsfahrzeuge akquiriert. Leider wurden sich Auktionshaus und Messe bis kurz vor der Veranstaltung nicht einig, so dass die Auktion gut eine Woche vor dem geplanten Termin abgesagt wurde. Für uns und unsere Verkäufer war dies natürlich eine Katastrophe, da bereits erste Fahrzeuge auf den Weg nach Italien waren, Katalogfotos produziert wurden und eine Menge Aufwand entstanden ist. Wie so oft, ist am Ende des Tages aber dennoch etwas Gutes bei der Aktion herausgekommen, denn gemeinsam mit einigen unserer Einlieferer haben wir uns in der Folge dazu entschlossen eine eigene Veranstaltung, in Form eines temporären Pop-Up Stores umzusetzen, der mit mehreren hundert verkauften Fahrzeugen schlussendlich zu einem großen Erfolg wurde. 

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Das Thema Vertrauen spielt bei einem derart emotionalen Thema wie Old- und Youngtimer eine extrem wichtige Rolle. Unserer konsequenten Ausrichtung auf den Kunden und das damit verbundene Service- und Betreuungs-Level haben uns dabei geholfen in einem von individualisten geprägten Marktumfeld schnell eine Marke aufzubauen, die wir nun in einem nächsten Schritt deutlich breiter Aufstellen können. Eine zweite richtige, wenngleich nicht ohne externe Hilfe umsetzbare richtige Entscheidung war der frühzeitige Fokus auf unsere länderspezifischen SEO longtail, für den wir vor ein paar Jahren auch mit dem European Search Award ausgezeichnet wurden. 

Wo steht Classic Trader in einem Jahr?
Schon jetzt haben wir die mit Abstand beste Plattform für Young- und Oldtimerenthusiasten. Gemeinsam mit unserem Team, für das wir übrigens händeringend Verstärkung suchen, werden wir das Dienstleistungsangebot deutlich ausbauen und CT Inspections in allen zentraleuropäischen Märkten anbieten. Ergänzt um unser neues  Reparaturkostenversicherungsprodukt werden wir so Käufern eine “Neuwagen-like”, sorgenfreie Kauferfahrung anbieten können und einen vollständig digital abzuwickelnden Kaufprozess schaffen. Wir werden somit den Oldtimerkauf genauso leicht und sicher machen wie den Erwerb eines Neuwagens. 

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Foto (oben): Classic Trader

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.