#Gastbeitrag

Startup-Beirat: PR-Fiasko oder bewusster Tabubruch?!

Was sich der Beirat Junge Digitale Wirtschaft mit seinem Papier zur Beschneidung der Pressefreiheit geleistet hat, ist an Arroganz kaum zu überbieten. Das erinnert an populistische Kommunikations-Methoden und ist auch an Verantwortungslosigkeit kaum zu übertreffen! Der Beirat hat sich damit auf ganzer Linie unglaubwürdig gemacht. 
Startup-Beirat: PR-Fiasko oder bewusster Tabubruch?!
Mittwoch, 14. Juli 2021VonTeam

Es ist, wie es immer ist: Am Ende will es keiner gewesen sein. Eigentlich ist der Beirat Junge Digitale Wirtschaft ein Gremium, das eher selten in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eigentlich schade, finde ich. Die 29 Mitglieder des Beirats sind die erfolgreichsten und angesehensten Macher:innen, die unser Startup-Kosmos zu bieten hat. Und ganz ehrlich: Ich finde die meisten von ihnen uneingeschränkt gut, ich habe teilweise Bewunderung empfunden, ihren Pioniergeist geliebt. Bis jetzt.

Was sich der Beirat da jetzt geleistet hat, ist einfach nur falsch – siehe “Wenn der Beirat ‘Junge Digitale Wirtschaft’ die ‘Disziplinierung der Presse’ fordert“. Damit meine ich nicht nur, dass so ein Papier überhaupt seinen Weg an die Öffentlichkeit finden kann. Oder dass sich irgendjemand in dem Beirat dazu berufen gefühlt haben muss, diese Thesen ja irgendwann einmal zu diskutieren. Das allein zeugt meiner Meinung nach von einer Geisteshaltung, die in der Startup-Welt nichts zu suchen hat. Was sich die Mitglieder:innen jetzt erlauben, nachdem das Papier von der Seite des Wirtschaftsministeriums gelöscht worden ist, ist auch nicht besser.

Eine nicht finale Version? Ernsthaft?

Die beiden Vorsitzenden des Beirats, Miriam Wohlfarth und Christian Vollmann haben sich auf LinkedIn entschuldigt. “Ohne Einschränkung bekennt der Beirat sich für die Pressefreiheit. Leider ist uns hier ein Fehler passiert und es wurde eine nicht finale Arbeitsversion veröffentlicht. Wir werden das Papier umgehend austauschen.” Eine nicht finale Arbeitsversion? Ist das euer Ernst: Ihr wusstet von nichts, aber die nicht “finale Arbeitsversion” kanntet ihr dann doch? Interessante Argumentation.

Werfen wir doch noch einmal einen Blick auf die Argumentation insgesamt. In dem Papier hat der Beirat nichts anderes gefordert, als Artikel fünf des Grundgesetzes zu beschneiden, die Presse an die Leine zu nehmen und so dafür zu sorgen, dass die Startup-Welt bessere Publicity bekommt. Jetzt zu sagen, das sei eine mögliche Arbeitsthese gewesen – sorry Freunde, aber: Das ist mir zu einfach.

Das würde bedeuten, dass das Papier nichts anderes sei als eine missglückte PR-Aktion. Aber das ist schon ein bisschen mehr. Schließlich stand es ja zwei Monate öffentlich zugänglich auf der Seite des Wirtschaftsministeriums. Die Mitglieder des Beirats hätten also mehr als genug Zeit gehabt, zu bemerken, was sie da geschrieben haben. Auf mich wirkt das Ganze also eher wie ein kalkulierter Regelbruch.

Denn sie wissen, was sie tun!

Denn: Eines kann man den Mitgliedern des Startup-Beirats nicht vorwerfen: Dass sie nicht wissen, wie man die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Das sind alles kluge Leute, die ziemlich genau wissen, was sie tun. Und sie wissen auch, dass es eine ziemlich smarte Taktik ist, eine PR-Bombe zu zünden und dann zurückzurudern. Irgendwas bleibt schließlich bei irgendwem hängen.

Wir kennen solche Taktiken und es muss erlaubt sein die Frage zu stellen, ob alle Beteiligten nicht vielleicht doch wussten was sie taten. Ein bewusster Schachzug, um maximale Reichweite zu bekommen ohne “etwas dafür zu können”, weil man das ja alles nie so gesagt oder gemeint hat?

Entschuldigungen reichen nicht

Die AfD versucht gerade mit einer ähnlichen Strategie das Land umzukrempeln – das ist Populismus in Reinform. Damit kriegt man die Aufmerksamkeit, die ein Gremium wie dieses so dringend braucht. Aber leider nur für kurze Zeit. Denn sicher ist, dass Journalist:innen nun umso mehr prüfen werden, was sie schreiben. Damit habt ihr das Gegenteil dessen geschafft, was ihr eigentlich erreichen wolltet.

Ihr, der Startup- und Digital-Beirat, habt der Startup-Welt in Deutschland damit einen Bärendienst erwiesen. Ich finde, Entschuldigungen reichen da nicht. Ihr wollt mitgestalten und Verantwortung tragen? Dann solltet ihr jetzt die Konsequenzen ziehen – Leute, die antidemokratisches Gedankengut so öffentlich machen, haben in einem Kosmos, der von der Weltoffenheit lebt, nichts zu suchen. Ich finde, ihr solltet zurücktreten.

Über den Autor
Jannis Johannmeier ist Co-Founder und Geschäftsführer bei der PR-Agentur The Trailblazers mit Sitz in Bielefeld und Berlin. Jannis ist erfahrener Kommunikations-Experte, der sein journalistisches Werkzeug bei BILD gelernt hat. In den letzten Jahren hat er die Kommunikation der Startup-Schmiede Founders Foundation und der Hinterland of Things Conference aufgebaut und verantwortet. Neben seiner Tätigkeit bei den Trailblazers hat er an zwei Hochschulen Lehraufträge für strategische Kommunikation & PR sowie Unternehmensgründung. Jannis ist innerhalb der deutschen Wirtschafts- und Gründermedien bestens vernetzt und beschäftigt sich am liebsten mit Themen rund um die digitale Transformation, Startups & Mittelstand und deren Ideen & Technologien, die unsere Welt wünschenswerter machen.

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