#Interview

“Als die Bundesregierung die Corona-Maßnahmen beschloss, schlug unsere Stunde”

sensalytics analysiert - insbesondere im Einzelhandel - Besucherströme. "Neben mir und meinen Co-Founder sind derzeit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die sich um rund 360 Kunden kümmern", sagt Gründer Omar Tello.
“Als die Bundesregierung die Corona-Maßnahmen beschloss, schlug unsere Stunde”
Montag, 5. Juli 2021VonAlexander Hüsing

Das Stuttgarter Startup sensalytics analysiert, visualisiert und prognostiziert Besucherströme – etwa für Aldi Süd, die Messe Frankfurt oder den Münchner Flughafen. “Wir betreuen inzwischen 360 Kunden. Denn speziell nach Corona müssen Konzepte im Handel neu überdacht werden. Die Digitalisierung hat in diesem Bereich einen enormen Schritt gemacht. Auch die Themen Raumgestaltung und Flächennutzung werden zunehmend wichtiger”, sagt Gründer Omar Tello. Das junge Unternehmen beschäftigt derzeit 15 Mitarbeiter:innen.

Am Anfang setzt das sensalytics-Team aber auf das falsche Pferd! “Zu Beginn haben wir uns zu sehr auf die reine Frequenzmessung, also das Zählen von Personen, fokussiert. Diese Fokussierung war in einem starken Wettbewerber-Markt nicht rentabel, weshalb wir uns breiter aufstellen mussten. Und wir haben mit der Zeit gemerkt, dass der Einzelhandel viel mehr braucht als nur Informationen über die Anzahl an Besucher:innen”, sagt Tello.

Im Interview im deutsche-startups.de spricht der sensalytics-Macher außerdem über Kundenerlebnisse, Gegenwartsanalysen und Bewegungen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter sensalytics erklären?
Wahrscheinlich würde ich sie fragen, ob sie in letzter Zeit unangenehme Einkaufserlebnisse hatte. Ob sie vielleicht irgendwo sehr lange anstehen musste, der Supermarkt einfach überfüllt war oder sie Hilfe vom Personal gebraucht hätte, aber weit und breit niemand zu finden war. Anschließend würde ich ihr erklären, dass wir mit sensalytics dem Handel dabei helfen, solche Probleme zu vermeiden. Die ganzen technischen Aspekte würde ich genauso vereinfacht darstellen, wie wir es für unsere Kunden tun: Wir zeichnen alle Bewegungen von Personen auf, visualisieren diese anschaulich und geben Händlern damit die Möglichkeit, Entscheidungen für Optimierungen abzuleiten und sogar mit Blick in die Zukunft zu optimieren.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Ja, unser Konzept hat sich ein Stück weit verändert. Ganz am Anfang war sensalytics ausschließlich auf Frequenzmessung fokussiert. Mittlerweile sind die Anwendungsgebiete viel breiter gefächert. Durch moderne Messungen können Laufwege, Umsatz- und Besucherdaten sowie Besucherströme genau analysiert werden. Und: Wir setzen nicht mehr nur auf Gegenwartsanalyse, sondern prognostizieren Besucherströme. Das hätte es vor einigen Jahren noch nicht gegeben.

Wie genau funktioniert Euer Geschäftsmodell?
Wir bieten unseren Kunden sowohl Hardware in Form von Sensoren als auch die sensalytics-Software an, mit der sie die gesammelten Daten visualisieren können. Je nach Räumlichkeit müssen unterschiedliche Sensoren in unterschiedlicher Menge eingesetzt werden. Wir bieten ein breites Portfolio an, um immer das optimale Ergebnis zu erzielen. Die Sensoren werden für einen einmaligen Preis erworben und installiert. Die sensalytics-Software lizenzieren wir mit einer monatlichen Gebühr. Die Mindestlaufzeit beträgt je nach Aufwand zwei bis fünf Jahre.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt Ihr die Auswirkungen gespürt?
Natürlich war vom ersten Tag der Pandemie unser wichtigster Markt, der Einzelhandel, betroffen. Doch spätestens als die Bundesregierung die Corona-Maßnahmen beschloss, dass im Einzelhandel eine maximale Personenanzahl auf der Fläche sein durfte, schlug unsere Stunde: Für Aldi Süd entwickelten wir ein digitales Ampelsystem, welches die Eingangs- und Ausgangstüren vollautomatisch öffnen und schließen konnte. Grundlage dafür war natürlich unsere People Counting Technologie. Neben Aldi Süd haben viele unserer Kunden die coronabedingten Schließungen dafür genutzt, noch mehr Tracking-Sensoren in ihren Stores zu verbauen.

Wie ist überhaupt die Idee zu sensalytics entstanden?
Mein Mitgründer Dominik Laubach und ich lernten uns 2014 im Rahmen eines gemeinsamen Projekts kennen. Wir beide teilten von Anfang an die Begeisterung für E-Commerce, waren aber auch immer von den Vorteilen des stationären Handels überzeugt. Deshalb suchten wir nach einer Möglichkeit, das Beste aus beiden Welten zu verbinden, um die USPs des stationären Handels – Kundenerlebnisse und qualitativen Service – zu stärken. Wir stellten fest, dass man mittels Besucherstromanalyse diese USPs optimieren kann, also ähnlich wie Google Analytics für den E-Commerce. 2015 gründeten wir dann sensalytics.

Wie hat sich sensalytics seit der Gründung entwickelt?
sensalytics hat sich seit der Gründung gut entwickelt. Wir betreuen inzwischen 360 Kunden, Tendenz steigend. Denn speziell nach Corona müssen Konzepte im Handel neu überdacht werden. Die Digitalisierung hat in diesem Bereich einen enormen Schritt gemacht. Auch die Themen Raumgestaltung und Flächennutzung werden zunehmend wichtiger. Mit all dem beschäftigen wir uns bei sensalytics und schaffen es mit unseren Technologien, die Herausforderungen und Probleme unserer Kunden zu lösen.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist sensalytics inzwischen?
Neben mir und meinen Co-Founder sind derzeit 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die sich um rund 360 Kunden kümmern. Etwa ein Drittel der Kunden stammen aus dem Retail-Bereich, wir bedienen aber auch rund 50 Kunden aus dem Public Sector – Bibliotheken, Museen etc. – und weitere Kunden aus diversen anderen Branchen. Die meisten Sensoren haben wir in der Outletcity Metzingen verbaut. Es gibt uns in jedem Bundesland, aber auch im Ausland bieten wir unseren Service an, etwa in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Bulgarien oder den USA.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Zu Beginn haben wir uns zu sehr auf die reine Frequenzmessung, also das Zählen von Personen, fokussiert. Diese Fokussierung war in einem starken Wettbewerber-Markt nicht rentabel, weshalb wir uns breiter aufstellen mussten. Und wir haben mit der Zeit gemerkt, dass der Einzelhandel viel mehr braucht als nur Informationen über die Anzahl an Besucher:innen. Übergeordnete Lösungen mussten her, weshalb wir unser Portfolio an Dienstleistungen erweiterten. Inzwischen können wir nahezu alles abdecken, was gewünscht ist.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben rechtzeitig den Wechsel von reiner Frequenzmessung hin zu wirklich datenbasierter Analyse und Prognose von Besucherströmen geschafft. Wir konnten eine Lösung entwickeln, die einen wirklichen Mehrwert für unsere Kunden bringt und diese auch einfach vermittelbar an den Mann oder die Frau bringen. Auch in der Pandemie haben wir stets engen Kontakt zu unseren Kunden gepflegt und immer die Langfristigkeit der Partnerschaft im Auge behalten. Außerdem schauen wir stets darauf, dass es dem Team gut geht, denn wenn es intern nicht richtig läuft, läuft auch nach außen hin wenig richtig.

Wo steht dein sensalytics in einem Jahr?
Wir wollen weiterhin unseren Wachstumskurs fahren und unseren Kundenstamm ausbauen. Gerade jetzt ist es höchste Zeit, dass sich der stationäre Handel digitalisiert und sein volles Potential ausschöpft. Dabei wollen wir den Händlern und Händlerinnen partnerschaftlich zur Seite stehen. Wir arbeiten außerdem mit vollem Einsatz dafür, unsere Produkte und Dienstleistungen weiterhin zu optimieren, um das bestmögliche Angebot auf dem Markt zu haben. Langfristig möchten wir mit sensalytics die erste Adresse zur Messung und Vorhersage von Besucherströmen werden.”

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): sensalytics

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.