#Gastbeitrag

Warum Startups auf persönliche Coachings setzen sollten

Wir glauben, dass jeder Mensch in der Arbeitswelt erfolgreich sein kann. Dafür braucht es die richtigen Bedingungen. Wir haben daher den Weg gewählt, unsere Mitarbeiter:innen in ihrer Entwicklung maximal zu unterstützen, indem wir ihnen ein monatliches Personal Coaching anbieten. Ein Gastbeitrag von Moritz Mann.
Warum Startups auf persönliche Coachings setzen sollten
Mittwoch, 7. April 2021VonTeam

Ich bin Moritz Mann und habe 2015 das Startup Protofy gegründet, mit der wir die Digitalisierung in Deutschland beschleunigen wollen. Wir glauben, dass unsere Gesellschaft digitaler werden muss, um zukunftsfähig zu sein. Und wir glauben: Jedes Unternehmen kann in der digitalen Welt erfolgreich sein.

Genauso glauben wir, dass jeder Mensch in der Arbeitswelt persönlich erfolgreich sein kann. Dafür braucht es die richtigen Bedingungen. Wir haben daher den Weg gewählt, unsere Mitarbeiter:innen in ihrer Entwicklung maximal zu unterstützen, indem wir ihnen ein monatliches Personal Coaching anbieten.

HR muss sich am Wohl des Menschen orientieren

Die neue Arbeitswelt erfordert von den Beschäftigten eine hohe Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit. Als wir unser Unternehmen Ende 2016 am Markt etabliert hatten, fragten wir uns: Wie können wir Mitarbeiter:innen an uns binden? Welche Strukturen benötigen wir? Wie werden wir ein guter Arbeitgeber? Wie verankert man das eigentlich in der Philosophie?

Wir wollen statt “personellen Kapazitäten” Menschen um uns haben. Denn ein Unternehmen kann nur wachsen, wenn es innere Stärke hat. Deshalb stellen wir das Thema “Mensch” bei unseren Überlegungen in den Fokus. Wir wollen dafür sorgen, dass sich unsere Mitarbeiter:innen wohl fühlen und gesund sind. Wir haben damals keine direkte Antwort darauf gefunden – insbesondere nicht im Start-up und Agenturumfeld. Daher haben wir die persönliche Weiterentwicklung im Unternehmen und das Gesundheitsmanagement neu gedacht.

Das bekannte Vorgehen in der Personalentwicklung und die Richtlinien im herkömmlichen Gesundheitsmanagement legen den Fokus auf das körperliche Wohl – nie aber auf das psychische Wohl.

Betriebliches Gesundheitsmanagement neu denken

Wir arbeiten und verbringen täglich viel Zeit miteinander. Wir glauben, dass wir als Organisation, dass jedes Startup am besten wachsen kann, wenn sich jede:r kontinuierlich weiterentwickelt – sowohl auf fachlicher als auch auf persönlicher Ebene. Denn ansonsten muss man über Themen wie Skalierung, Internationalisierung oder Branchendisruption gar nicht nachdenken.

Wir setzten uns das Ziel, allen Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, die beste Version ihrer selbst zu werden. Wir hatten als Gründerteam bereits gute Erfahrungen mit Personal Coaching gemacht – warum also nicht für alle Mitarbeiter:innen regelmäßig ein kostenloses Coaching anbieten, von dem wir bereits überzeugt waren?

Die freiwilligen Termine sind ein geschützter, vertraulicher Raum, in dem intensiv 1:1 gearbeitet wird. Die Inhalte bestimmen Mitarbeiter:in und Coaches frei und ohne unser Wissen. Es können Themen der persönlichen Weiterentwicklung, Konflikte im Job und auch Privates bearbeitet werden. Alles, was kurzfristig anliegt oder langfristige Bedeutung hat, kann besprochen werden.

Grenzen verschieben

Die steigende Komplexität des Berufslebens führt laut Bundesgesundheitsministerium u.a. zu einer stetigen Erhöhung des Stress-Levels. Ohne präventive Maßnahmen wird die Zahl seelischer Erkrankungen weiter steigen und Unternehmen durch die entstehenden Kosten gefährden. Wir investieren heute zwei Prozent unseres Umsatzes in Coaching-Maßnahmen, die dem entgegenwirken.

Bei Präventionsmaßnahmen im Rahmen seelischer Gesundheit liegt der Fokus normalerweise auf Risikogruppen wie zum Beispiel Kindern von psychisch kranken Eltern, Kindern aus Scheidungsfamilien, Heimkindern, misshandelten Kindern und aus Kindern aus Kriegsgebieten. Psychische Erkrankungen werden in der Gesellschaft noch immer stigmatisiert. In einer repräsentativen Umfrage gaben 37 Prozent der Befragten an, psychisch Kranke stellten eine Gefahr für andere dar, fast zwei Drittel waren der Überzeugung, die Erkrankten seien unberechenbar. Die Zahlen haben sich seither kaum geändert („Bayerisches Ärzteblatt, 2018“). Insbesondere in Zeiten des anhaltenden Lockdowns, Homeoffice und stark reduzierten sozialen Kontakten rückt das Thema seelische Gesundheit in den Fokus.

Auch bei uns gab es zu Beginn Skepsis bei unseren Mitarbeiter:innen, als wir das Coaching angeboten haben: “Müssen jetzt alle zum Psychiater? Werden wir jetzt gebrainwashed?”

Mein Tipp ist: Das Angebot muss (!) freiwillig sein und ihr solltet vorher Kennenlern-Sessions anbieten. Inzwischen nehmen 97 Prozent unser Mitarbeiter:innen am Personal Coaching teil. Die Coaches agieren als vertrauensvolle Verbündete der Mitarbeiter:innen.

Prototyp für die Gesellschaft

Neben dem gestärkten Wohlbefinden zeigen sich messbare Effekte, die wir ursprünglich gar nicht bedacht hatten. Die Anzahl der Fehltage liegt bei uns bei 42 Prozent unter dem Durchschnitt, wenn man sie mit den Daten des statistischen Bundesamtes vergleicht: Unsere Mitarbeiter:innen fehlen 4,6 Arbeitstage weniger pro Jahr. Insbesondere für Start-ups könnten solche Zahlen Faszination und Anspruch zugleich sein.

Unsere Angestellten werben sogar eigenständig für die Maßnahme und unser Unternehmen – sowohl innerhalb des Teams als auch gegenüber Außenstehenden. Unser Plan, dass alle am Ende ihrer Karriere zurückblicken und feststellen: “In der Zeit bei Protofy habe ich mich persönlich am krassesten weiterentwickelt”, könnte aufgehen.

Wir möchten das Thema nicht als Wettbewerbsvorteil, sondern ein Vorbild für alle Unternehmen sein. Wir möchten mit unserer Idee Aufmerksamkeit erregen und andere Unternehmen inspirieren. Statt seelische Gesundheit zum Tabu zu machen, setzen wir auf persönliche Weiterentwicklung und begleitete Problem- und Konfliktlösung.

Über den Autor
Moritz Mann ist Gründer der beiden Hamburger Unternehmen Stadtsalat und Protofy, bei dem er Geschäftsführer ist. Der Digital-Enthusiast stieg er direkt nach seinem Master in „International Business“ als Intrapreneur bei PokerStrategy.com ein. Für Moritz gehört Scheitern zum Leben, das hat ihn sowohl der Leistungssport als auch sein erstes Unternehmen Feelgood gelehrt. 2015 nutze er die strategischen Learnings daraus und gründete Protofy. Damit macht er die Essenz aus der Arbeitsweise erfolgreicher Start-ups für den Mittelstand nutzbar, um ihn zu digitalisieren. Moritz beschäftigt sich viel mit Ideen, die unsere Gesellschaft innovativer und unser Leben lebenswerter werden lassen.

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Foto (oben): Shutterstock