#Gastbeitrag

Tipps von Picus Capital: Wie sich in Krisenzeiten Geld einsammeln lässt

Die Vorgehensweise bei der Bewertung der Attraktivität von Geschäftsmodellen hat sich seit der Pandemie erst mal nicht grundlegend geändert. Allerdings haben sich Entwicklungen in einigen Branchen durch Covid-19 deutlich beschleunigt, andere dagegen wurden ausgebremst.
Tipps von Picus Capital: Wie sich in Krisenzeiten Geld einsammeln lässt
Donnerstag, 17. Dezember 2020VonTeam

Die Covid-19-Pandemie hat für weite Teile der Weltwirtschaft schwerwiegende Folgen. Auch für Start-ups ist die Pandemie eine schwere Zeit. Nur gut die Hälfte von Unternehmen in Investoren-Portfolios bleibt von negativen Auswirkungen verschont oder kann von ihnen profitieren. Demgegenüber haben fast 40 % der Unternehmen ernste Probleme, die Krise zu bewältigen. Venture-Capital-Unternehmen haben daher ihre Investitions-Geschwindigkeit deutlich gesenkt – auf 71 % laut einer Umfrage von Stanford, Harvard & Chicago Profs. Auch nach der Krise wird diese nur bei gut 80 Prozent liegen.

Gleichzeitig ist die Krise aber auch Katalysator für Veränderungen. Die Geschwindigkeit von Innovationen ist derzeit vor allem in kritischen Bereichen höher denn je. Am eindrucksvollsten sind die Auswirkungen der Pandemie im Bereich der Medizin, die schlagartig digitaler werden muss, aber auch im Bereich Arbeit, bei der sich ein klarer Wandel Richtung remote work vollzieht. Das gleiche gilt für Themen wie digitale Bildung, E-Commerce oder die Effizienz von Lieferketten. Insbesondere in diesen Bereichen bieten sich derzeit große Chancen für GründerInnen.

Relevanz zählt für Wagniskapitalgeber mehr denn je

Die Vorgehensweise bei der Bewertung der Attraktivität von Geschäftsmodellen hat sich seit der Pandemie erst mal nicht grundlegend geändert. Allerdings haben sich Entwicklungen in einigen Branchen durch Covid-19 deutlich beschleunigt, andere dagegen wurden ausgebremst – wie etwa der weltweite Tourismus. Wichtig ist, dass sich GründerInnen den Konsequenzen bewusst sind und sie die Erkenntnisse bei der Beurteilung ihrer Geschäftsmodelle berücksichtigen. Um als Start-up für Investoren auch heute attraktiv zu sein, gilt es daher mehr denn je auf folgende Punkte zu achten:

  1. Besonders in Krisenzeiten müssen kritische Probleme identifiziert und darauf aufbauend Lösungen entwickelt werden. Wem das gelingt, dere hat die Aufmerksamkeit von Investoren sicher. Exemplarisch stehen dafür PeopleFlow oder Zoom. In einer Welt, in der Home Office und remote Arbeit zur neuen Normalität gehören, ermöglicht PeopleFlow durch weltweite Employment-Lösungen den Wandel zu remote Arbeit und Zugang zu globalen Talent-Pools. Zoom hingegen erlaubt eine effiziente Zusammenarbeit der global verteilten MitarbeiterInnen. Und mit Limehome und Airbnb haben gleich zwei Anbieter Gegenentwürfe zu klassischen, kontakt-intensiven Hotelkonzepten. Wer dagegen Produkte und Services anbietet, die kein relevantes Problem lösen, hat es momentan schwer.
  2. Auch die Zufriedenheit der KundInnen und deren Bedürfnisse sollten in Krisenzeiten für Start-ups im Mittelpunkt stehen. Der Fokus sollte klar auf strategisch wichtigen Kundengruppen liegen und auf der Ambition, den KundInnen einen relevanten Mehrwert zu liefern. Ausgaben für die Weiterentwicklung des Produkts sind in diesem Zusammenhang deutlich sinnvoller als kurzfristige Marketing-Kampagnen.
  3. Schnelles Wachstum ist für Start-ups erfolgsentscheidend. Krisensituationen und die Unsicherheiten, die damit einhergehen, können jedoch dazu führen, dass Unternehmen ihren Cash-Burn reduzieren müssen, um die Krise finanziell zu überstehen. Start-ups sollten deshalb in der Lage sein, ihren Burn durch das vorübergehende Verlangsamen ihres Wachstums unter Kontrolle zu halten. Der Burn sollte im direkten Zusammenhang mit dem Wachstum stehen und aktiv steuerbar sein.
  4. GründerInnen sollten sowohl die langfristigen Auswirkungen von Covid auf ihr Geschäftsmodell erkennen, als auch kurzfristig notwendige Anpassungen vornehmen können. Dafür müssen Unternehmer zwei grundsätzliche Fragen gegeneinander abwägen. Auf der einen Seite: Welche kurzfristigen Maßnahmen sind nötig, um die Krise zu überstehen, um danach mit dem ursprünglichen Geschäftsmodell weiter erfolgreich zu sein? Auf der anderen Seite: Inwiefern muss ich mein Geschäftsmodell grundsätzlich ändern, um langfristig relevant zu bleiben?

Den passenden Investor finden

Wenn GründerInnen und deren Unternehmen die oben beschriebenen Punkte beachten, ist ein breites Investoreninteresse sehr wahrscheinlich. Im Wesentlichen sind beim Finanzierungsprozess eines Unternehmens zwei Parteien relevant – GründerInnen und Investoren. Beide Parteien müssen letztlich die Entscheidung treffen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Die Wahl des richtigen Investors ist entscheidend für den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Im Kern sollte sich die Wahl daher um die Frage drehen, welchen Mehrwert der Investor einem Unternehmen zusätzlich zum Kapital bringt. Folgende Faktoren sind besonders relevant:

Industrie-Expertise: Das Know How seitens des Investors kann wichtiger als die Investition selbst sein. Die Portfoliounternehmen eines Investors geben einen Einblick, in welchen Branchen ein Investor besonders aktiv ist.

B2B-Netzwerk: Gute Kontakte zu Führungspersonen aus der Wirtschaft können relevante strategische Partnerschaften ermöglichen und die Kundengewinnung erleichtern.

Investorennetzwerk: Die Reputation eines Investors in seiner Industrie und der Zugang zu seinem Investorennetzwerk kann das Fundraising in Folge-Runden deutlich vereinfachen.

Key Positionen: Insbesondere in frühen Phasen eines Unternehmens kann der Investor enormen Mehrwert leisten, indem er bei der Besetzung wichtiger Schlüsselpositionen unterstützt. Das Netzwerk hilft bei der Suche nach Talenten und die Reputation beim Einstellen geeigneter Kandidaten.

Fremdkapitalfinanzierung: Abseits des eigentlichen Equity-Investment kann es für kapitalintensive Geschäftsmodelle außerdem von großem Mehrwert sein, über den Investor Zugang zu anderen Formen von Fremdkapitalfinanzierung zu erhalten.

Die Zusammenarbeit zwischen Investoren und GründerInnen sollte partnerschaftlich und auf Augenhöhe stattfinden. Den besten Einblick in die Arbeitsweise eines Investors erhalten GründerInnen bei Gesprächen mit Unternehmen des bestehenden Portfolios der Investmentfirma. Bevor die Entscheidung für einen Investor gefällt wird, empfiehlt es sich, eine Referenz einzuholen.

Early-Stage Startups aktuell im Vorteil

Early-Stage Startups haben in der aktuellen Situation einen Vorteil, wenn es um das Interesse von Investoren geht: Sie fokussieren sich oft auf Entwicklungen, die durch die Covid-19-Krise beschleunigt oder erst initiiert wurden. Zudem sind Unternehmen im frühen Stadium deutlich flexibler und können auf makroökonomische Entwicklungen schneller reagieren. Wer aktuell also eine Gründung anstrebt oder als Early-Stage Start-up Investoren sucht, könnte derzeit mit Blick auf das Investoreninteresse die Nase vorn haben.

Über den Autor
Robin Godenrath ist Mitgründer und Managing Director des Early Stage Investors Picus Capital. Der Münchner Kapitalgeber investierte als erster Investor unter anderem in Startups wie Personio oder Enpal.

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Foto (oben): Shutterstock