#Gastbeitrag

7 Gebote für Gründer im Exit-Prozess

Es ist elementar, dass die Gesellschafter des Startups einig über den zu erzielenden Preis und die Zukunftsvision der Firma sind. Können die Gründer zum Beispiel damit leben, dass nur die Technologie erworben wird, aber die Mitarbeiter über kurz oder lang alle entlassen werden?
7 Gebote für Gründer im Exit-Prozess
Freitag, 1. März 2019VonTeam

Die deutsche Startup-Szene boomt. Noch nie zuvor konnten aufstrebende Digital-Unternehmen so viel Geld durch Investoren, durch Börsengänge oder auch Krypto-Investments einnehmen. 4,8 Milliarden Euro waren es laut Start-up Barometer im Jahr 2018, sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor. Geld und Interesse an innovativen Startups ist also zur Genüge vorhanden. Wie gelingt ein Deal zwischen Digital-Unternehmern und größeren Käufern am besten? Wer bei einem Übernahmeangebot ungeschickt agiert, vertut nicht nur seine Chance auf ein hohes Investment, sondern kann sich sogar mit seinem Team überwerfen und schlimmstenfalls am Ende ohne Firma dastehen. Hier die 7 Gebote für Gründer im Verkaufsprozess.

#1 Interne Einigkeit sichern
Es ist elementar, dass die Gesellschafter des Startups einig über den zu erzielenden Preis und die Zukunftsvision der Firma sind. Können die Gründer zum Beispiel damit leben, dass nur die Technologie erworben wird, aber die Mitarbeiter über kurz oder lang alle entlassen werden? Soll das Unternehmen in eine neue, vielleicht viel steifere Firmenkultur übergeben werden? Wer muss ab jetzt bei Entscheidungen gefragt werden? Diese und andere Fragen sollten geklärt sein, bevor Anfragen von Interessenten überhaupt beantwortet werden

#2 Earn out definieren
Weil die meisten Corporates gerade händeringend auf der Suche nach patenten Digital-Unternehmern sind, wird das Management-Team vermutlich für einen Zeitraum zwischen ein und fünf Jahren entweder bei der Firma bleiben oder beim Käufer Aufgaben übernehmen – und wahrscheinlich nicht sofort Ferrari fahren. Für die Motivation sollte das Gründer-Team eine angemessene sechs-bis siebenstellige Cash-Zahlung sofort nach dem Deal vereinbaren und den Rest später an Boni koppeln. So fühlen sich die Verkäufer nicht geknebelt und die Käufer incentivieren das Gründer-Team, engagiert noch eine Weile an Bord zu bleiben.

#3 Nicht alle Eier in einen Korb legen
Verkaufen, wenn man nicht verkaufen muss, ist die beste Situation. Also: solides Finanzpolster schaffen, um souveräner in Verkaufsverhandlungen gehen zu können. Daher sollte der Firma wenig Cash entzogen werden oder aber mit der Bank über die Aufnahme eines Kredits für Working Capital verhandelt werden. Zudem sollten in einem Verkaufsprozess immer mindestens zwei Käufer gegeneinander antreten. Startups können sich zum Beispiel zusätzlich bei eigenen Kunden als Kaufobjekt ins Spiel bringen, die kennen das Unternehmen und sind bereits Fans.

#4 Den Käufer verstehen
Schon vor Aufnahme der Verhandlungen sollten die Gründer versuchen, das Unternehmen und vor allem die direkt am Deal beteiligten Personen und deren Motivation ganz genau zu verstehen. Genaues Nachfragen, auch bei externen Marktpartnern hilft, um im Verkaufsprozess besser verhandeln zu können.

#5 Kosten einkalkulieren
Eine der wichtigsten Fragen noch vor dem Verkaufsprozess lautet: Können wir uns einen Verkauf überhaupt leisten? Ein M&A Prozess dauert meistens insgesamt neun bis 18 Monate. Schnell kann eine operative Schieflage entstehen, denn es kommen hohe Kosten für Steuerberater, Reisen, nicht operativ nutzbare Zeit und IT-Systeme hinzu. Das ist weder für die Verhandlungsposition noch – im Nicht-Verkaufsfall – fürs Unternehmen gut. Ein Budget für die Verkaufskosten und eine Zeitschiene aufstellen und einhalten, sind elementar. Außerdem darf das Management-Team die operative Arbeit nicht vernachlässigen. Der Erfolg bei Verkaufsprozessen liegt bei unter fünf Prozent. Lieber zwei Personen gezielt für diesen Prozess aussuchen und abschirmen, sonst gibt es Unruhe im Team.

#6 Operativ durchsaugen
Gibt es mit allen Kunden schriftliche Verträge? Haben die Freelancer ihre NDA’s unterschrieben? Ist die Technologie ausreichend dokumentiert? Wie lange laufen die Mietverträge? Jeden dieser Punkte wird ein geschickter Käufer zum Drücken des Verkaufspreises nutzen. Lieber mit Sauberkeit glänzen, denn jede Angriffsfläche kann teuer werden.

#7 Erst ganz am Ende feiern
M&A-Transaktionen zerbrechen mit schöner Regelmäßigkeit in der Nacht vor dem Notartermin. Eine in den USA bekannte, bei uns sicherlich unübliche Verhandlungstaktik ist, die Gründer nachts anzurufen und zu sagen: “wir machen gern den Deal, aber der Kaufpreis ist nur noch 50 Prozent der vereinbarten Summe”. In so einem Fall muss man sich verabschieden können und auf andere Interessenten (siehe Tipp 3) zurückgreifen. Nichts schmeckt so schal wie zu früh geöffneter Champagner.

Über den Autor
Nils Seebach, 36, ist Geschäftsführer der Wald & Wiese Holding und CFO der Digital-Beratung Etribes. Seit 2011 hat Seebach zahlreiche Unternehmen gegründet und skaliert (unter anderem Spryker Systems, Factor-A). Als Investment-, Technologie und Commerce-Experte beschäftigt sich Seebach intensiv mit der betriebswirtschaftlichen Analyse und Einschätzung von digitalen Geschäftsmodellen und betreibt zu diesen Themen den Blog Digitalkaufmann.de. Zusätzlich ist Seebach als Ratgeber und Aufsichtsrat in Familien-Unternehmen aktiv.

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Foto (oben): Shutterstock