Gastbeitrag von Hendrik Lennarz

Growth Hacking: Schritt-für-Schritt zum Wachstum

Man sollte niemals mit Growth Hacking starten, ohne sich nicht sicher zu sein, ein ausgezeichnetes Produkt am Markt zu haben, was von den Usern auch wirklich geliebt wird. Growth Hacking beginnt somit schon bei der Produktentwicklung.
Growth Hacking: Schritt-für-Schritt zum Wachstum
Mittwoch, 20. September 2017VonTeam

Growth Hacking ist ein Prozess. Es geht um das perfekte Zusammenspiel der Produktentwicklung, über ein wachstumsorientiertes Geschäftsmodell, die richtigen Marketing-Kanäle mit validem Tracking bis hin zu einer hoch agilen Umsetzungskompetenz. Leider gibt es niemals nur diesen einen Growth Hack, der ein Startup oder ein Unternehmen durch in den Unicorn-Himmel schießen lässt.

#1 Ein exzellentes Produkt

Man sollte niemals mit Growth Hacking starten, ohne sich nicht sicher zu sein, ein ausgezeichnetes Produkt am Markt zu haben, was von den Usern auch wirklich geliebt wird. Growth Hacking beginnt somit schon bei der Produktentwicklung.

Mit welcher Produkt-Positionierung geht man in den Markt. Mit welcher Value Proposition möchte man gegenüber der Konkurrenz glänzen? Der günstigste Preis, die beste Qualität, lokale Nähe oder ein ganz besonders innovatives Features sind nur ein paar Beispiele, für den berühmten Unique Selling Point.

Nur durch das ständige Einholen von Kundenfeedbacks bekommt man tatsächlich valide heraus, welche Kundenbedürfnisse das Produkt denn wirklich bedient. Oder was die Kunden denn wirklich benötigen, was man heute vielleicht noch nicht anbieten kann. Krasser ausgedrückt, kann man auch von Kunden-Schmerzen sprechen. Welche Probleme der Zielgruppe löst mein Produkt wirklich. Welche Probleme haben meine Kunden heute und welche Probleme werden sie in 2-3 Jahren tatsächlich haben? Diese Kundenwünsche werden dann in Features oder neuen Produkten umgesetzt. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Die meisten Gründer sind (Gott sei Dank..) so von ihrer Idee überzeugt, dass sie sich für echte Validieren auf dem Markt nicht genügend Zeit nehmen, oder oftmals auch zu viel Zeit.

Die richtige User Experience (UX) – also wie ist die Nutzer Erfahrung mit meinem Produkt – hat mittlerweile einen ganz bedeutenden Einfluß auf den Erfolg eines Produkts gewonnen. Ist mein Produkt einfach zu bedienen? Erfüllt es den Zweck, den ein User damit erreichen möchte, genau so gut, wie den Zweck den ich als Betreiber mit dem Produkt verfolge? UX hat heute auch nur noch wenig mit dem früheren Web-Design zu tun. Schöne Grafiken erstellen, ist nicht mehr das was ausschlaggebend ist. UX-Designer müssen die User mittlerweile bestens in Ihrer Situation verstehen, um ein gutes User-Erlebnis zu erzeugen. Dazu gehören auch einfache Prozesse und nahtlose Übergänge zwischen verschiedenen Devices.

#2 Das Business Model

Mit dem Tool Business Model Canvas lassen sich die wichtigsten Fragen, die man früher wochenlang in einen Business Plan niedergeschrieben hat, in kürzester Zeit beantworten. Mittlerweile lieben sogar Investoren das BMC, da sie so auf einem Blick erkennen, worin die Stärken und Schwächen des Business Models liegen. Ein Business Model Canvas sollte regelmäßig geupdatet werden, um den Veränderungen der Märkte, Technologien und Konkurrenzsituation gerecht zu werden.

Den typischen Kunden für das Produkt zu finden ist gar nicht so einfach wie es aussieht. Jedoch gibt es meistens genau eine bestimmte Zielgruppe (Persona) mit der man den Großteil des Umsatz erzielen wird. Das Produkt sollte demnach, gerade in der Startphase, genau für diese “typische Zielgruppe” perfektioniert werden. Alle anderen Zielgruppen müssen hinten anstehen und können später durch Anpassungen oder Erweiterungen bedient werden.

Zum Business Model gehört natürlich auch noch die Königsdisziplin des Produktmanagements, das Pricing. Welchen Preis rufe ich auf – bin ich günstiger als die Konkurrenz, teurer oder gleich? Paketieren und Bundling sind immer Thema, weil in den meisten Fällen immer ganz entscheidend auf die Höhe der Bestellsummen. Monatliche Zahlung, Einmalzahlungen, Free-Trial oder Freemium…Alles gar nicht so einfach. Letztendlich bleibt einem nichts anderes übrig, als am Markt zu testen und die Marktsituation stets im Blick zu behalten.

#3 Die richtigen Marketing Channels

Welche Marketing-Kanäle gibt es eigentlich, mit welchen sollte ich starten und welche sind denn eigentlich die Richtigen? Die nächste riesige Herausforderung. Nur weil alle von Influencer-Marketing auf Instagram oder den geheimen Facebook Ad Hacks sprechen, heißt das nicht, dass man auf Teufel komm raus auch auf diesen Zug aufspringen sollte. Eine enorm wichtige Leitfrage des Growth Hackings ist „Wo genau hält sich meine Zielgruppe auf und wie kann ich diese dort genau ansprechen.“ Beantworten kann man diese Frage wiederum nur mit knüppelhartem Testing. Ein Knochenjob zwischen SEO, SEM, Facebook Marketing, Instagram, Affiliate-Marketing, Guest-Blogging, TV-Kampagnen, E-Mail Marketing, Content-Marketing, Vorträge, Messen, Banner-Werbung, Telefon-Akquise und Co.. Aber welcher Kanal ist der richtige? Welcher Kanal bringt wie viele Besucher zu welchen Kosten und wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Website-Besucher zu einem zahlenden Kunden wird und wie lange?

Damit ist man dann auch schon beim Web-(User-)Tracking angelangt, genauer gesagt beim Customer Lifecycle Tracking. Vom Marketing-Kanal X kommen die Besucher auf die Website. Dort konvertieren sie bestenfalls, zum Beispiel mit einer Anmeldung zu einem Free-Trial für das Produkt. Hier entsteht somit auch schon die erste Konversionsrate. Eine Konversions-Optimierung des Anmelde- oder Bestellprozesses gehört demnach natürlich auch zur Kernkompetenz eines guten Growth Hackers.

Anschließend folgt in der Regel eine Double-Optin Mail. Die Öffnungs- und Klickraten müssen unbedingt getrackt werden. In der Regel klicken nur 74% der User erfolgreich durch die Double-Optin Mail. Bedeutet, 26% sind immer verloren…

Nach der DOI folgt die Aktivierungsphase des Users. Wie einfach kann er sich einloggen. Wie einfach gelingen ihm die ersten Schritte im Produkt. Man nennt diese Phase auch häufig Produkt Onboarding.

Nach dem Onboarding folgt die Retention-Phase, also die Wiederkehrphase. Die User müssen möglichst häufig wiederkommen und das Produkt nutzen. Das tun sie natürlich nur, wenn sie auch wirklich einen Nutzen verspüren. Mit Trigger-Mails, Reminder-Mails und Push-Notifications kann die Retention in der Regel gepusht werden.

Ist ein User ein regelmäßiger und zufriedener User, kann man beginnen ihn zu einem Upgrade oder Folgekäufen zu bewegen. Auch hier gilt, das Business Model muss klar verständlich sein. Was muss ich wann wofür und wie bezahlen? Genauso verständlich wie die User Experience. Nicht zum falschen Zeitpunkt um ein Upgrade bitten. Oder die bevorzugten Bezahlmethoden der Hauptzielgruppe nicht anbieten. Zwei exemplarische Growth Hacking No-Gos.

Zu guter letzt gibt es noch die Referal-Phase. Zufriedene Kunden können immer Freunde oder Kollegen einladen. Bestenfalls mit einem kleinen aber feinen Incentive. Dies muss nicht immer Geld sein, sondern können auch Belohnungsbadges oder zum Beispiel ein Freimonat sein. Mit einer gut positionierten und incentivierten Referal-Funktion ist Dropbox beispielsweise ziemlich geworden, wie wir alle wissen.

Umsetzung

Nach der ganzen Strategie, Planung und Analyse muss es auch natürlich in die Umsetzung gehen. Welche Leute mit welcher Erfahrung sind gefragt? Schlechten Nachrichten: Sowohl Startups als auch die Corporates, die mit der Digitalisierungs-Challenge zu tun haben, kämpfen um die sogenannten digitalen Einhörner. Die T-Shapes, die bei allen digitalen Disziplinen wie beispielsweise Coding, agilem Projektmanagement, User Experience, Business Modelling, Data, Analytics, Design, Online-Marketing und Leadership mitreden können, aber auch mindesten in einer dieser Disziplinen Vollprofis sind.

Diese Experten werden in der Regel in agilen Produkt- oder Growth Teams organisiert. Agilität ist hier auch das oberste Gebot Denn ein gut auf Agilität eingespieltes Growth Team kann in punkto Geschwindigkeit in der Umsetzung tatsächlich den Unterschied ausmachen.

Agilität bezogen auf Growth Hacking heißt also, so viele Experimente durchführen zu können wie möglich. Ob es bei einem Experiment um die Entwicklung eines neuen Produktes oder Features geht, die Ausführung eines einfachen AB-Tests auf der  Landingpage, einer richtig gutem E-Mail Marketing Kampagne oder eine User-Befragung ist dabei irrelevant. Hauptsache im Sinne der Kunden und in Abstimmung mit der Wachstums-Strategie des Unternehmens. Alle Mann und alle Maßnahmen in die gleiche Richtung, zum Wachstum. Das ist das Ziel, wie auch Star Growth Hacker Sean Ellis in seiner persönlichen Growth Hacker Definition betont: „A Growth Hacker is a person, whose true North is Growth.“

Das Lean-Startup Prinzip von Eric Ries gilt dabei stets als Basis-Framework. Agile Growth Teams lieben die Entwicklung von MVPs, Beta-Phasen oder Pre-Launch Kampagnen.

Aber selbstverständlich gehören Führungsqualitäten natürlich heute auch zu den enorm wichtigen Growth Hacker Skills. Flache Hierarchien, extrem kurze Entscheidungswege, selbstorganisierte Scrum- oder Kanban-Teams und natürlich ein hochmotiviertes und optimal synchronisiertes Team passieren niemals von selbst. Demnach muss ein guter  Growth Manager auch ein sehr sehr emphatischer und motivierender Leader sein.

Infografik

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Zum Autor
Hendrik Lennarz, Autor des Buchs “Growth Hacking mit Strategie“, ist seit mehr als 10 Jahren im Online-Business als Digital Product Manager und Growth Hacker unterwegs. Ein Großteil seiner Erfahrung basiert auf seiner Tätigkeit als Executive Director Product & Technology beim E-Commerce Dienstleister Trusted Shops. Hier verantworte Lennarz über Jahre das gesamte Produktportfolio, den IT-Stack und baute sieben agile Growth Teams mit insgesamt über 50 Personen auf.

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Foto (oben): Shutterstock