Gastbeitrag von David Berghäuser

Gründen in Südostasien – ein exklusiver Erfahrensbericht

Wer eine Gründung in einem Schwellenland plant, sollte die Vor- und Nachteile gut abwägen. Am Ende bleibt es eine Bauchentscheidung, bei der auch die Frage, in welchem Land man gerne leben und arbeiten würde, eine große Rolle spielt.
Gründen in Südostasien – ein exklusiver Erfahrensbericht
Donnerstag, 16. März 2017VonTeam

Südostasien ist eine Region, die viele mit Urlaub, Stränden und fremden Kulturen verbinden. Als ich 2010 in einem Austauschsemester an der Chulalongkorn University in Bangkok studierte, sah ich vor allem eines in der Region: Die Möglichkeit, den E-Commerce Boom in der Region von Anfang an mitzuerleben. Während in Deutschland zu dieser Zeit bereits fast alle Nischen besetzt waren, stand E-Commerce in Südostasien noch absolut in den Kinderschuhen. Zwar gab es schon einige kleinere Online-Startups, aber es floss nur wenig Risikokapital und es gab erst wenige Erfolge.

Für mich war es damals klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das ändert. Bereits in 2010 war die junge Generation in Thailand mit den neuesten Smartphones ausgestattet, und war ständig online. Es fühlte sich damals so an, als könnte man in die Zukunft schauen, und schon ahnen welche Geschäftsmodelle in einigen Jahren erfolgreich sein werden.

In diesem Gastbeitrag will ich Gründern, die mit dem Gedanken spielen, fern von der Heimat eine Gründung zu wagen, Tipps und auch Einblicke in die Vor- und Nachteile geben.

Geschäftsmodell

Ende 2015 habe ich gemeinsam mit meinem Mitgründer Alexander Süß Gogoprint gegründet. Gogoprint ist eine Online Druckerei, die in Thailand, Malaysia und Singapur operiert. Kunden können ihre Druckdaten auf unserer Website hochladen, und wir drucken diese mit Hilfe von Partner-Druckereien und senden die Druckwaren an den Kunden. Die beliebtesten Produkte im Online Druck sind Visitenkarten, Flyer und Falzflyer. Mittlerweile hat das Unternehmen ca. 50 Angestellte und Büros in Bangkok und Kuala Lumpur.

Das Interessante an dem Geschäftsmodell ist, dass genau diese Produkte zwar viel nachgefragt werden, aber bei traditionellen Druckereien eher schwer zu bestellen sind. Bei traditionellen Druckereien muss oft erst ein Angebot eingeholt werden, die Überprüfung der Druckdaten ist oft ein langwieriger Prozess, und es gibt keine Versandoptionen. Zudem sind traditionelle Druckereien an kleineren Jobs wie z.B. 100 Visitenkarten oder 500 Flyern nicht besonders interessiert. Diese Aufträge können nur dann profitabel abgewickelt werden, wenn ein Unternehmen skalierbare Prozesse mit viel Automatisierung und IT-Unterstützung hat. Dies erklärt auch das rasante Wachstum und den Erfolg von deutschen Online Druckereien wie z.B. Flyeralarm, das 2015 ein Umsatz von mehr als € 300mn ausgewiesen hat.

Entstehungsgeschichte

Gogoprint ist nicht in einem “Heureka”-Moment entstanden. Stattdessen war die Wahl des Geschäftsmodells das Resultat einer Analyse, in der wir strukturiert Geschäftsmodelle miteinander verglichen haben.

In meiner Erfahrung sind die folgenden Faktoren für den Erfolg von Online-Geschäftsmodelle in Schwellenländern am wichtigsten:

Was ist die Marktgröße online? Die Frage hört sich zuerst einmal banal an. Und doch sehe ich, dass viele Startups genau hier scheitern. Es ist schlicht zu früh, Nischen-Geschäftsmodelle aufzubauen, wie z.B. ein Online Shop für Tierbedarf. Bei relativ geringer E-Commerce Awareness und wenig Suchanfragen kann ein Startup in diesen Nischen oft nicht schnell genug wachsen. Gute Anhaltspunkte sind der Google AdWords Traffic Estimator oder SimilarWeb.com, mit dem man den Traffic von Wettbewerbern analysieren kann.

Gibt es eine Möglichkeit, offline zu wachsen? Wenn wir uns bei Gogoprint allein die Suchanfragen und den Traffic der Wettbewerber angeschaut hätten, wäre die Firma noch in der Konzeptphase gestorben. Die zweite wichtige Frage ist daher, kann man temporär fehlenden Online-Traffic durch Offline-Aktivitäten wie z.B. einem Vertriebsteam, Offline-Advertising, etc. kompensieren? Bei vielen B2C-Modellen ist das oft nicht möglich (Beispiel: Online Shop für Tierbedarf). Im B2B-Bereich kann es aber durchaus Sinn machen, da die Bestellwerte höher sind, und Kundenbeziehungen langfristiger.

Was sind Eintrittsbarrieren? Diese Frage ist in Schwellenländern besonders wichtig. Wenn Eintrittsbarrieren gering sind, werden die Margen in einem Markt früher oder später sehr dünn werden. Zum Beispiel gibt es in Südostasien unzählige Facebook-Shops, die Klamotten, Schuhe, Kosmetik, etc. online verkaufen. Die Verkäufer sind durch die niedrigeren Einkommen in Schwellenländern natürlich bereit, für geringere Preise und Margen zu operieren als zum Beispiel in Europa. Zusätzlich bezahlen kleinere Shops oft keine Steuern oder verkaufen illegal importierte Ware.  

In dem Geschäftsmodell “Online-Druck” haben wir am Ende den besten Fit bezüglich dieser Faktoren gesehen. Die Marktgröße online war ok, um mit Suchmaschinenmarketing schnell erste Umsätze generieren zu können. Zusätzlich haben wir während der Analyse viele große Druckereien in Thailand besucht, die komplett ohne Online-Aktivitäten auskamen. Es war also klar, dass es auch Wege gibt, das Geschäft offline wachsen zu lassen. Und bezüglich der Eintrittsbarrieren war auch klar, dass der hohe Preis von Druckmaschinen langfristig kleinere Player aus dem Markt fernhalten wird.

Die Analyse-Phase war einerseits eine spannende Zeit, weil sie es ermöglicht hat, sich im Detail mit den Problemen, an denen man arbeiten möchte und den Zielen, die man erreichen will, zu beschäftigen. Andererseits ist sie auch ein langwieriger und teilweise frustrierender Prozess. Am Ende des Tages hilft auch die beste Analyse nicht viel bei der Entscheidung, ob man seine Idee umsetzt, oder nicht. Bauchgefühl ist und bleibt der entscheidende Faktor.

Vorteile

Die Vorteile an der Gründung in einem Schwellenland liegen für mich in den folgenden Punkten:

First Mover Advantage: In Südostasien ist für lange Zeit die Internet Penetration schneller angestiegen als die Anzahl von Online-Startups. Das heißt, es gibt große Lücken, die darauf warten, von jungen hungrigen Unternehmen gefüllt zu werden. Amazon gibt es in Deutschland seit 1998. Das südostasiatische Amazon-Pendant gibt es erst seit 2011. Wer sich eine Zeit lang in Südostasien aufhält, wird erkennen, dass viele Dinge, die in Deutschland einfach sind (z.B. ein Zugticket zu buchen) in Südostasien viel Zeit kosten können. Und diese Probleme und Ineffizienzen bilden zahlreiche Chancen, große und erfolgreiche Unternehmen zu gründen.

Wenig lokaler Wettbewerb: Die Startup-Welle hat die meisten Schwellenländer noch nicht erreicht. Lokale talentierte Universitätsabsolventen präferieren meistens die Arbeit in einem großen reputierten Unternehmen. Ausländische Unternehmer haben es in Ländern, die kulturell unterschiedlich sind und in denen nur wenig Englisch gesprochen wird, oft schwer. Das resultiert darin, dass es nur wenig Wettbewerb gibt.< Persönliches Wachstum: Ein weiterer Vorteil ist, dass die Arbeit bzw. Gründung in einem anderen Kulturkreis die persönliche Sichtweise auf viele Dinge stark verändert. Natürlich wird in Asien ganz anders gearbeitet als z.B. in Deutschland. Wer es schafft, die Vorteile der verschiedenen Kulturen zu erkennen und zu kombinieren, wird daran stark wachsen!

Nachteile

Ein Unternehmen zu gründen und zum Erfolg zu führen ist überall auf der Welt harte Arbeit. Wer denkt, dass es in einem Schwellenland einfacher ist, denkt falsch. In einem fremden Land kommen viele Schwierigkeiten hinzu:

Bürokratische Hürden: Gerade in Südostasien gibt es viele Länder wie z.B. Thailand oder Indonesien, die es ausländischen Investoren nur in Ausnahmefällen erlauben, 100% Anteile an lokalen Unternehmen zu halten. In der Praxis gibt es Wege, dies zu umgehen. Trotzdem ist der Set-up der Firma, Arbeitserlaubnis für Direktoren, etc. sehr kompliziert, gerade wenn die Amtssprache nicht Englisch ist. Zudem ändern sich Regulationen ständig, und oft ist die Auslegung willkürlich.

Lokale Arbeitskultur: Startups leben davon, dass der Status Quo hinterfragt wird, und kleine agile Teams von Grund auf alles in Frage stellen und kein “Nein” als Antwort akzeptieren. Gerade in Asien ist das kein Vorgehen, welches in der Schule vermittelt wird. Die Suche nach Mitarbeitern, die keine Angst davor haben, das Unternehmen oder auch die Entscheidungen zu kritisieren (was als Startup absolut lebenswichtig ist), erweist sich als langwierig. Glücklicherweise gibt es mittlerweile in vielen Schwellenländern eine junge Generation, die bereits in einem internationalen Umfeld gearbeitet oder studiert hat. Oft stellen diese Mitarbeiter das Bindeglied zwischen der lokalen Arbeitsweise und der westlichen Startup-Kultur her.

Ökosystem in den Kinderschuhen: Der Vorteil des geringeren Wettbewerbs hat auch eine Kehrseite. Es gibt recht wenig erfolgreiche Online-Unternehmer, mit denen man sich austauschen kann. Mittlerweile gibt es zwar viele Events und Meetups, aber der Austausch zwischen den Startups, die bereits etwas größer sind, ist vergleichsweise mit Deutschland eher gering.

Nächste Schritte

Wer eine Gründung in einem Schwellenland plant, sollte die Vor- und Nachteile gut abwägen. Am Ende bleibt es eine Bauchentscheidung, bei der auch die Frage, in welchem Land man gerne leben und arbeiten würde, eine große Rolle spielt.

Gogoprints Reise wird in den kommenden Monaten und Jahren weitergehen. In 2017 werden wir in unseren Kernmärkten Thailand, Malaysia, und Singapur stark wachsen und unser Produktportfolio deutlich erweitern. Zudem planen wir in 2017 die Expansion in einen vierten Markt. Dies bedeutet zum einen zusätzliche kulturelle, wirtschaftliche, und rechtliche Komplexität. Gleichzeitig ist es aber auch eine große Chance, wenn ein Unternehmen parallel in vier Märkten lernen und Erfahrungen sammeln kann!

Zum Autor
David Berghäuser ist Managing Director und Co-Founder von Gogoprint. Er ist seit dem Abschluss seines Studiums an der Universität Mannheim im Jahr 2011 unternehmerisch in Südostasien tätig, u.a. als Managing Director von Zalora Thailand.