Jan Alberti im VC-Interview

“Sind nicht auf der Suche nach ‘the next unicorn’”

"Mit einem Team von 23 Personen bestehend aus Analysten, Investment Managern, Controllern, Rechtsanwälte, Steuerberatern und Investors Relations managen wir aktuell rund 70 Beteiligungen an Startups bzw. 5 VC-Fonds mit einem Gesamtvolumen von 200 Millionen", sagt Jan Alberti von bmp.
“Sind nicht auf der Suche nach ‘the next unicorn’”
Montag, 23. Januar 2017VonAlexander Hüsing

Seit 1997 investierte der Berliner Kapitalgeber bmp in über 250 Start-ups. “Wir investieren in innovative Unternehmen mit herausragenden Managementteams, die nachhaltig profitable Unternehmen aufbauen” steht in großen Lettern auf der Startseite des Investors, der auch den den Frühphasenfonds Brandenburg und die IBG-Fonds des Landes Sachsen-Anhalt managt. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Jan Alberti, Equity Partner und seit Jahresbeginn auch bmp-Vorstand, über Skaleneffekte, Meilensteine und den Tellerrand.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Der Reiz Geld in Unternehmen zu investieren, hat zwei Aspekte: einerseits Fondsinvestoren sowie Co-Investoren bei der Investition in Startups zu beraten, andererseits das Investmentrisiko als Manager zu kontrollieren. Das steht im Einklang mit unserem Ziel, eine überdurchschnittliche Rendite und schnelle Wertentwicklung der Unternehmensbeteiligungen zu erzielen. Für junge Unternehmen ist es nach wie vor eine Challenge, Eigenkapital in ausreichender Form aufnehmen zu können. Insbesondere in Deutschland bleibt Kapital ungenutzt und kaum verzinst auf Tages- und Festgeldkonten liegen, anstatt zielgerichtet in innovative Unternehmen investiert zu werden. Für mich ist es reizvoll, dass sich die Portfolio-Unternehmen mit Venture Capital und unserem Management zielgerichtet und schnell entwickeln können. Sie haben die Möglichkeit neue Technologien zu entwickeln, diese zu vertreiben, Skaleneffekte aufzubauen und eine Marktposition schnell zu besetzen und zu verteidigen und somit einen Unternehmenswert aufzubauen.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Mit 16 Jahren wurde ich an der Börse aktiv und wollte dann BWL studieren. Während meines Studiums gründete ich mit drei Freunden eine Webagentur in Berlin, die nach kurzer Zeit auf 10 freie Mitarbeiter skalierte. Für Siemens Medical habe ich in den USA nebenbei den Markteintritt einer neuen Image Management Software begleitet und anschließend meine Diplomarbeit – CDOs von Convertible Loans – bei HSBC Trinkaus & Burkhardt geschrieben. Das Investment Banking war mir dabei zu weit vom operativen Unternehmertum weg. Deshalb entwickelte ich von 2007 bis 2013, erst durch das BMWi, dann privatwirtschaftlich finanziert, mit zwei Kollegen einen Inkubator für Spin Offs an Unis, dem Hasso Plattner-, Max Planck- und Fraunhofer Instituten in Potsdam. Parallel habe ich bis 2010 über Venture Capital, Inkubatoren und digitale Geschäftsmodelle promoviert und rund 60 Startups vornehmlich im Bereich IT beraten sowie VC, Business Angel Kapital und Fördermittel akquiriert. Signavio ist hiervon sicherlich das bekannteste. Seit 2013 bin ich bei bmp. Die Kombination aus Management, M&A, Finanzierung, Beteiligungsrecht und Produkt-/Technologieentwicklung ist dabei äußerst spannend und es vergeht kein Tag, an dem man nicht etwas dazulernt. Mittlerweile bin ich Equity Partner und Vorstand der bmp, manage die IT-Startups aus unserem Portfolio, gehe neue Beteiligungen ein und konzipiere neue Fondskonzepte.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Keineswegs – ich kann mit großen Zahlen umgehen. Mir wird tatsächlich eher mulmig dabei, wie viel Kapital „nutzlos“ ohne Rendite in Pensionskassen, Family Offices und bei vermögenden Privatpersonen auf den Tages- oder Festgeldkonten versauert. Vor allem in Deutschland haben wir alle Möglichkeiten und müssen hier noch viel mutiger werden, insbesondere in der internationalen Ausrichtung. Damit meine ich nicht noch größere Beträge in einige wenige Startups zu investieren, sondern vor allem wirklich innovative Technologien und Geschäftsmodell substanziell durchzufinanzieren. Die skadinavische und israelische Startup- und VC-Szenen sind sicherlich positive Beispiele, wie es auch anders laufen kann. Zumindest bei bmp investieren wir sehr hohe Millionenbeträge nicht „en bloc“ in ein Unternehmen, sondern definieren Meilensteine, ab denen das nächste Geld fließt. Sollten die Meilensteine stark verfehlt werden, eruieren wir die Ursachen genau, erarbeiten mit den Startups gemeinsam Lösungswege und passen die Businessplanung an.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Zuerst einmal unser Trackrecord: bmp ist seit 1997 im Bereich Venture Capital aktiv, verantwortlich für rund 250 direkte Beteiligungen, über 80 Exits und mehr als 20 IPOs. Mit einem Team von 23 Personen bestehend aus Analysten, Investment Managern, Controllern, Rechtsanwälte, Steuerberatern und Investors Relations managen wir aktuell rund 70 Beteiligungen an Startups bzw. 5 VC-Fonds mit einem Gesamtvolumen von 200 Millionen Euro. Je nach Fonds investieren wir in ganz Deutschland oder auf eine bestimmte Region begrenzt, da wir auch Mandate der öffentlichen Hand übernehmen. So managen wir den Frühphasenfonds Brandenburg und die 3 IBG-Fonds des Landes Sachsen-Anhalt, mit denen wir Investments von 0,5 bis 10 Millionen Euro pro Unternehmen eingehen können. Hat das Team ein wirklich innovatives Geschäftsmodell oder Technologie, sind wir meistens der erste institutionelle Investor, der hilft, das Unternehmen substantiell aufzubauen und stellen hierfür auch früh hohe Beträge zur Verfügung. Wichtig: wir sind nicht zwangsläufig auf der Suche nach „the next unicorn“ und halten uns ein Stück weit aus überhypten und überteuerten Startups heraus. Unser Ziel: eine möglichst ausgewogene und gute Wertentwicklung des Gesamtportfolios ohne auf positive Ausreißer spekulieren zu müssen. Wir setzen dabei dennoch auf skalierbare Geschäftsmodelle und neuartige Technologien. Zumindest die von uns gemanagten IBG-Fonds in Sachsen-Anhalt sind ever green und haben keine Fondslaufzeit. Wir können eine Beteiligung sehr lange halten und so Technologien in der frühen Entwicklungsphase bis hin zum IPO – und darüber hinaus – in mehreren Runden finanzieren und managen. Um private Investoren an unseren Startups partizipieren zu lassen, sind wir dauerhaft auf der Suche nach Co-Investoren. Diese können sich direkt an den Startups beteiligen oder zukünftig in neue VC-Fonds, die von uns geraist werden, beteiligen.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Geld ist tatsächlich der kleinste Teil – wir bieten Branchenkenntnis sowie operative Unterstützung. Generell gilt: wir investieren ausschließlich in Cases und Märkte, die wir verstehen. Dann stehen wir den Teams für den Zeitraum unserer Beteiligung als Sparringspartner zu operativen und strategischen Fragen intensiv zur Verfügung. Die Liste unseres Supports ist lang, hängt aber natürlich auch vom Bedarf ab und ob wir als Lead- oder Co-Investor aktiv sind. Die folgenden Punkte geben einen ganz guten Einblick: Personalsuche und –auswahl, Feedback zum Produkt und Geschäftsmodell, Verhandlungen mit Dienstleistern, Aufbau von Marketing- und Vertriebsstrukturen, Feedback zum Sales Deck und Pitch vor Kunden, Akquise von zusätzlichem Venture Capital, Mezzanine Kapital oder Fremdkapital, Durchführung von Unternehmensbewertungen und Kapitalerhöhungen, Aufsetzen von Beteiligungsverträgen, Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, Verhandlungen von Termsheets und Exitverhandlungen beim Unternehmensverkauf, Aufsetzen und Management von Due Diligence Prozessen. Können wir nicht helfen, suchen wir meistens Wege, es doch zu können und das alles kostenfrei, da wir ebenso wie die Gründer selber an dem Erfolg des Unternehmens und dem Wertzuwachs beteiligt sind.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Wir sind mit allen Gründern der Beteiligungen in einem engen Austausch. Dafür nutzen wir neben den klassischen Gesellschafterversammlungen, Boardmeetings, Telefonkonferenzen, E-Mails auch alle anderen Tools, die gerade parat sind – SMS, Whatsapp, google hangout etc. Leider zu selten trifft man sich auch mal abends auf ein Bier. Die Portfolio-Firmen vernetzten wir verstärkt aktiv untereinander. Bei rund 70 Beteiligungen macht das sehr viel Sinn und kann im Bereich Entwicklung, Business Intelligence, Online Marketing, B2B-Sales etc. zu interessanten Ergebnissen führen. Einmal im Jahr veranstalten wir das Event „bmp Portfolio-Insights“, bei dem wir unsere Startups und die mittlerweile weit über 100 Co-Investoren zusammenbringen. Wir gucken natürlich auch über unser Portfolio hinaus, wen wir miteinander vernetzen können. Intros machen wir am laufenden Band.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Bei bmp setzen wir auf schnell wachsende Technologieunternehmen, die in kurzer Zeit einen hohen Wert erreichen können und die wir gemeinsam mit den Gründern mit hoher Rendite in 3-8 Jahren verkaufen können. Für eine Investmententscheidung prüfen wir in der Due Diligence genau. Ein erfahrenes Gründerteam, das sich untereinander gut ergänzt, ist sicherlich der wichtigste Faktor. Hierbei liegt unser Fokus auf dem technischen Know-How, Vertriebsaufbau und den Branchenzugang. Außerdem sollte der gut adressierbare, möglichst unregulierte Markt groß genug sein und wachsen. Wichtig ist, dass sich das Produkt und die Technologie, als auch der Vertrieb skalieren lassen und nicht für jeden einzelnen Kunden neue Features entwickeln werden müssen, um ihn zum Kauf zu bewegen. Die Unternehmensplanung – was soll bis wann entwickelt werden, wie ist der Sales Cycle und das Buying Center des Kunden strukturiert und wie finanziert man sich zukünftig aus dem Umsatz, Venture Capital, Fördermitteln etc. – sollte realistisch und nicht phantastisch sein. Für ein Investment sind auch die Mitgesellschafter und Co-Investoren und die bereits vorhandenen Verträge und Finanzierungen entscheidend. Die Unternehmensbewertung und die Gesamtfinanzierung sind weitere wesentliche Punkte. Außerdem sollte das Produkt oder die Dienstleistung ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, dass sich nicht ohne großen Aufwand kopieren lässt. Die Themen dürfen dabei ruhig hoch innovativ sein. Bei bmp bilden wir verschiedene Technologiebereiche ab. Wir fühlen uns im Bereich Biotech, Med-Tech, Cleantech und IT zu Hause. Ich selber mache fast ausschließlich Startups aus den Bereichen Internet, Mobile, Mobility, Marktplätze und SaaS. Mit einigen Ausflügen im Bereich Biotech und Hardware kann ich aber auch über den Tellerrand gucken.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Um ganz ehrlich zu sein, läuft kein Startup ganz rund oder so wie geplant oder es kommt unerwartet zu Problemen. Wichtig ist es dabei, konsequent die richtigen Entscheidungen zu treffen, um mit den neuen Begebenheiten zu Recht zu kommen. Hierbei bauen wir gemeinsam mit den Gründern Lösungen, die das Startup wieder in die richtige Bahn bringt.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Wenn ein Geschäftsmodell nicht aufgeht und auch ein Pivot nicht greift, die Technologie und das Produkt einfach nicht performant und wettbewerbsfähig aufgestellt werden kann oder der Markt sich in eine ganz andere Richtung gedreht hat, so muss geprüft werden, ob die weitere Finanzierung des Unternehmens noch Sinn macht oder ob die ersten Umsätze und die weitere Finanzierung ausreichen das Unternehmen profitabel weiterzuführen. Sollte man sich gegen die Weiterführung entscheiden, kann ein Firesale an einen Konkurrenten, Kunden oder die Gründer Sinn machen, um wenigstens das Produkt in einem anderen Kontext aufgehen zu lassen. Im schlimmsten Fall muss die Liquidation oder Insolvenz durchgeführt werden.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
bmp selber gehört zu den am längsten aktiven VCs in Deutschland und so haben wir in der Vergangenheit auch die ganz großen auf dem Tisch gehabt. Der Open Business Club – alias Xing – in der frühen Phase und facebook – als Secondary – und Zynga in einer für uns schon zu späten Phase, gehörten sicherlich zu den bekanntesten. In der jüngsten Vergangenheit hat sicherlich der Nichteinstieg bei brillen.de zu den größten Schmerzen geführt. Damals konnten wir leider nur mit dem Frühphasenfonds investieren und brillen.de war schon etwas zu weit dafür. Ein weiteres interessantes Startup, das gut zu uns gepasst hätte, war babbel. Die Schnittmenge aus E-Learning und mobile passte wie die Faust aufs Auge zu uns. Auch hier lag es an den Konditionen. Aus meiner vorherigen Inkubator-Zeit habe ich intensiv mit Signavio zusammengearbeitet und bin mit den Gründern nach wie vor gut befreundet. Ein VC-Investment hätte auch hier durchaus Spaß gemacht. Als VC sollte man sich aber nie über verpasste Opportunitäten sondern ausschließlich über die intensive Zusammenarbeit mit den Beteiligungen und die neuen Opportunitäten Gedanken machen. Aktuell sehen wir viele spannende Startups, die wir teilweise mit unseren aktuell aktiven Fonds nicht bedienen können. Hierfür suchen wir Lösungswege, um unser zukünftiges Anti-Portfolio klein zu halten.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.