Glispa-Macher Gary Lin im Interview

“Habe früh begriffen, was Berlin zu bieten hat”

Gary Lin von Glispa blickt zurück auf die vergangenen Monate. "Es war ein Rekordjahr für uns in Bezug auf Umsatz und Gewinne. Besonders stolz sind wir darauf, dass es ein Jahr umfangreicher Re-Investitionen war, sowohl organisch als auch durch Akquisitionen", sagt er.
“Habe früh begriffen, was Berlin zu bieten hat”
Dienstag, 6. Dezember 2016VonAlexander Hüsing

2015 übernahm Market Tech die Mehrheit an Glispa, einer digitalen Marketingschmiede, die 2008 von Gary Lin gegründet wurde. Seitdem dreht das Berliner Start-up so richtig auf. Allein drei Übernahmen tätigte das junge AdTech-Unternehmen zuletzt. Die Akquisition von AvoCarrot, einer “High-Growth Supply Side Plattform (SSP)”, ließ sich das Unternehmen dabei stolze 20 Millionen Dollar kosten. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Glispa-Gründer Lin über Neuankömmlinge, Stadttouren und Facebook-Gruppen.

Bei Glispa ist in diesem Jahr sehr viel passiert. Die Zahl der Mitarbeiter etwa verdoppelte sich auf über 250. Wie schafft man es, bei einem so schnellen Wachstum alle ordentlich an Bord zu holen?
Wir haben viel Zeit und Arbeit in unseren Onboarding-Prozess investiert, damit sich unsere neuen Mitarbeiter so schnell wie möglich bei uns einleben und zurechtfinden. Ab dem Zeitpunkt des ersten Kontakts mit den potenziellen Mitarbeitern bis hin zu dem Punkt, an dem diese voll in das Team integriert sind, hat unser HR-Team einen genau abgestimmten Prozess entwickelt. Unser Team ist sehr international. Ich kann mit Stolz sagen, dass wir derzeit 45 Nationalitäten bei Glispa haben, die zusammen 32 Sprachen sprechen.

Wie unterstützt Ihr Eure Mitarbeiter konkret dabei in Berlin Fuß zu fassen?
Talente aus dem Ausland einzustellen, bringt auch ganz eigene Herausforderungen mit sich. Deshalb unterstützen unsere HR-Experten die Neuankömmlinge schon zu Beginn, sei es bei der Beantragung ihres Visums oder bei der Organisation ihres Umzugs. Zum Beispiel können an unserem Berliner Standort neue Teammitglieder zunächst in unseren firmeneigenen Apartments wohnen, so haben sie mehr Zeit, um sich einen ‘Kiez’ auszusuchen und die passende Wohnung zu finden. Weiterhin bieten wir kostenlose Sprachkurse für eine schnellere Integration an und organisieren Stadttouren für Neu-Berliner, damit sie ihre neue Heimat besser kennenlernen. Außerdem hat jeder neue Mitarbeiter durch unser sogenanntes Buddy-System immer einen konkreten Ansprechpartner in der Firma, zu dem er mit allen Fragen gehen kann.

Gibt es neben dem Onboarding noch weitere wichtige Aspekte?
Neben diesen Onboarding-Prozessen ist jedoch Transparenz der Schlüssel, um das Engagement der Mitarbeiter sicherzustellen – einer der wichtigsten Faktoren für unser erfolgreiches Wachstum in den letzten acht Jahren. Wir möchten damit gewährleisten, dass jeder Mitarbeiter nicht nur die Richtung kennt, in die sich unser Unternehmen bewegt, sondern auch darüber bewusst ist, wie seine Arbeit einen Teil dazu beträgt, um unsere Ziele zu erreichen. Mit unserer internen Kampagnen- und Wissensmanagement-Plattform können zum Beispiel alle Teammitglieder unsere täglichen und globalen Umsätze sehen. Indem wir diese Informationen für alle bei Glispa ersichtlich machen, garantieren wir, dass jeder Einzelne von Anfang an die gleichen Informationen im Unternehmen hat.

Die Glispa-Mitarbeiter sitzen verteilt auf Städte wie Berlin, Athen, Beijing, San Francisco, Tel Aviv, Sao Paulo und Singapur. Kommt da überhaupt ein Teamgeist auf?
Natürlich ist es schwierig, einen einheitlichen Teamgeist zu entwickeln, wenn es so viele Niederlassungen auf der ganzen Welt gibt. Genau deswegen legen wir großen Wert darauf, dass die internationalen Büros zur Unternehmenskultur beitragen. Im März dieses Jahres traf sich zum Beispiel das gesamte Unternehmen – zu dieser Zeit um die 180 Personen – für eine Woche im texanischen Austin auf dem South by Southwest Festival. Wir wollten damit allen eine Chance geben, Zeit miteinander zu verbringen und gleichzeitig ein Verständnis für die Ziele unseres Unternehmens zu erhalten.

Wie vernetzen sich die Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit?
Darüber hinaus nutzen wir verschiedene digitale Kanäle, die unsere Unternehmenskultur unterstützen, wie unsere interne Facebook-Gruppe, die als Pinnwand für Alltägliches genutzt wird, und unsere regelmäßigen Gruppentelefonate, „Power Calls“ genannt, die wir entwickelt haben, um teamübergreifende Überschneidungen und Synergien zu entdecken. Wir fliegen auch regelmäßig Mitglieder der internationalen Büros ins Berliner Headquarter für abteilungsspezifische Summits ein, um unser über alle Kontinente verteiltes Team auf den neuesten Stand zu bringen. Zudem erleichtern wir den Austausch, indem Mitarbeiter für ein paar Monate ihre Büros tauschen.

Mit den Akquisitionen von Avocarrot, Mobils, MoneyTap standen in den vergangenen Monaten zudem drei Übernahmen auf der Glispa-Agenda. Habt Ihr Euch gezielt für Wachstum durch Übernahmen entschieden oder war die Gelegenheit einfach zu gut bei diesen Firmen?
Wir haben diese Firmen speziell aufgrund ihres Nutzens, den sie für Glispa bringen können und aufgrund der guten Anpassung an unsere strategische Vision und Unternehmenskultur erworben. Unser Ziel war zum Teil die Expansion in den Ad-Tech-Bereich voranzutreiben. Wir wollten Publishern eine Native Monetization Plattform anbieten, die ihnen Performance mit vollständiger Kontrolle und Transparenz bietet. So haben wir zuerst MoneyTap erworben, die wir in unsere native Monetarierungsplattform Ampiri integriert haben. Dem folgte AvoCarrot, um zusätzlich zur Netzwerk-Nachfrage von Ampiri Native Programmatic Demand anbieten zu können. Gleichzeitig wollten wir unsere Präsenz in einigen wichtigen aufstrebenden Märkten festigen, weshalb wir im Mai die brasilianische Mobile-Marketing-Firma MOBILS erworben haben. Wir waren dort bereits seit 2008 auf dem Markt aktiv, wollten aber auch einen lokalen Standort aufbauen. Das Profil von Mobils war perfekt, da sie bereits eine starke Präsenz in Brasilien und Lateinamerika hatten. Die Integration in die Systeme und Teams von Glispa gelang schnell, da ihr Ansatz und ihre Kompetenz mit unseren sehr gut überein stimmten.

Mit Voltu habt Ihr dann noch ein eigenes Social Influencer-Netzwerk gegründet. Wie passt das Thema überhaupt zu Euch?
Die Verbindung ist viel offensichtlicher als man zunächst vielleicht vermuten könnte. Anstelle von großflächigen Branding-Kampagnen bieten wir Social-Influencer-Marketing auf Performance-Basis, was nur sehr wenige Unternehmen auf dem Markt anbieten. Wir bieten seit acht Jahren eine Plattform für Performance-Marketing an, was Voltu zu einer natürlichen Erweiterung unseres ursprünglichen Geschäftsmodells macht. Das bedeutete auch, dass wir die Voltu-Plattform innerhalb von drei Monaten selbst entwickeln konnten. Für uns sind Social Influencer ein weiterer Kanal, qualitativ hochwertige Nutzer zum Download von Apps zu motivieren – etwas, was wir seit Jahren im Portfolio haben.

Und wie lief es 2016 wirtschaftlich für Glispa? Ihr sprecht immerhin von einem “Rekordgewinn”…
Es war ein Rekordjahr für uns in Bezug auf Umsatz und Gewinne. Besonders stolz sind wir darauf, dass es ein Jahr umfangreicher Re-Investitionen war, sowohl organisch als auch durch Akquisitionen. Wir haben es geschafft unsere Produktpalette erheblich zu erweitern, nicht nur im Bereich Advertiser und Publisher, sondern auch über Produktlinien und Märkte hinweg.

Schade, dass Ihr keine konkreten Zahlen nennt. Wie geht es 2017 mit Glispa weiter?
Wir wollen unsere globale Diversifizierung auch im kommenden Jahr fortsetzen. Dabei werden wir unsere wichtigsten Märkte stärken: USA, EU, China, Indien, Brasilien, Südkorea und Indonesien. Aus operativer Sicht werden wir auch weiterhin in unsere firmeneigene Technologie investieren, um unsere Business-Aktivitäten zu unterstützen, während wir weiter wachsen. Darüber hinaus werden wir unser Technologieangebot für unsere Kunden sowohl auf der Demand-, als auch Supply-Side weiter ausbauen, damit wir auch in Zukunft den Erwartungen unserer Kunden gerecht werden und ihnen erstklassige Lösungen und Dienstleistungen anbieten können. Außerdem werden wir auch weiterhin am Standort Berlin unseren Hauptsitz erhalten. Ich habe früh begriffen, was Berlin zu bieten hat. Deshalb habe ich mich bereits 2008 als einer der ersten nichtdeutschen Startup-Gründer für Berlin entschieden. Als lebendige, multikulturelle Stadt bietet Berlin so viel für diejenigen, die im Tech-Bereich arbeiten, zumal die Sprachbarriere zunehmend kein Problem mehr darstellt.

Hausbesuch bei Glispa

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ds-Haus- und Hoffotograf Andreas Lukoschek durfte sich im Sommer 2015 bei Glispa einmal ganz genau umsehen – er fand unter anderem einen tollen Indianerkopfschmuck. Einige Eindrücke gibt es in unserer kleinen, aber feinen Fotogalerie.

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Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.