Gastbeitrag von Johannes Becher

5 Dinge, die die Allianz von Rocket Internet lernen kann

Die Allianz kooperiert nun mit der Startup-­Fabrik Rocket Internet. Was erhofft sich der traditionsreiche Versicherungskonzern von dieser Verbindung? Die Mühlen großer Konzerne mahlen langsam. Kommunikations­ und Entscheidungswege sind oft zu lang für die Online­-Welt.
5 Dinge, die die Allianz von Rocket Internet lernen kann
Freitag, 26. August 2016VonTeam

InsurTech­-Start-ups digitalisieren die Welt der Versicherungen im Rekordtempo und setzen etablierte Versicherungsunternehmen unter Zugzwang. Die Allianz reagiert und kündigt eine Zusammenarbeit mit dem Company Builder Rocket Internet an. Johannes Becher, ehemaliger Rocket­-Manager und InsurTech-­Gründer, erklärt: Diese 5 Dinge kann die Allianz von Rocket Internet lernen.

 Lektion 1: Digitalisierung mit Rocket­Speed
Die Mühlen großer Konzerne mahlen langsam. Kommunikations­ und Entscheidungswege sind oft zu lang für die Online­-Welt, in der sich Rahmenbedingungen schnell ändern können und Kursänderungen erforderlich machen. Nicht nur Rocket’s Gründungen profitieren von ihrer übersichtlichen Größe und können als kleine Teams deutlich agiler arbeiten als große Unternehmen. Dabei ziehen sie ihre Schnelligkeit vor allem aus ihrer schlanken Organisation: Zusammenarbeit im gleichen Büroraum, wenige Meetings sowie eine direkte Kommunikation zwischen Business und Produktentwicklung. Digitale Helfer wie das Chat­Tool Slack oder die Projektmanagementsoftware Trello machen Abläufe transparent, vereinfachen die Kommunikation und beschleunigen Entscheidungsprozesse.

Lektion 2: Der Kunde als Mitarbeiter
Versicherungen haben sich als streng regulierte Unternehmen viel zu lange auf sich selbst konzentriert und den Kundenkontakt an Vertriebsgesellschaften und selbstständige Versicherungsmakler ausgelagert. Diese haben nun massive Schwierigkeiten, komplexe Versicherungsprodukte einer jungen Zielgruppe zu erklären, die daran gewöhnt ist, Informationen aus dem Internet zu beziehen. Mit FinTech­Startups wie Lendico und Spotcap hat Rocket Internet bereits einige Erfahrung darin, Kunden online auch für komplexe Produkte zu begeistern. Denn eines steht fest: In Zukunft wird ein immer größerer Anteil aller Versicherungsverträge im Internet geschlossen. Dafür braucht es leicht zu bedienende Apps und kompromisslos einfache Materialien in verschiedenen Formaten.

Lektion 3: Mit den Besten gewinnen
Wer digital erfolgreich sein will, muss die besten Talente für sich gewinnen. Konnten Konzerne früher noch mit überdurchschnittlichen Gehältern und sicheren Jobs überzeugen, stehen heute andere Faktoren höher im Ansehen der Bewerber. Startups begeistern High Potentials mit einer klaren Mission, viel Verantwortung und der Möglichkeit, sich in fachlich gemischten Teams schnell weiter zu entwickeln. Mit seiner internationalen Ausrichtung und der Arbeitssprache Englisch gelingt es Rocket Internet, auch ausländische Softwarespezialisten für sich zu gewinnen und in seine Teams zu integrieren. Im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter geraten Versicherungskonzerne mit rigiden Karrierewegen, traditioneller Arbeitskultur und einem unausgeglichenen Geschlechterverhältnis zunehmend ins Hintertreffen. Im Vertrieb besteht mit einem Durchschnittsalter von über 50 Jahren bereits ein bedrohliches Nachwuchsproblem.

Lektion 4: Work hard, play hard
Mit der in großen Unternehmen vorherrschenden Angestelltenmentalität lassen sich große Visionen nur schwer umsetzen. Ist der Feierabend heilig, bleibt neben dem Tagesgeschäft kaum noch Raum für neue Ideen. Wird es im Startup mal etwas später, sitzt man selten ganz allein im Büro oder löst nach 20 Uhr versehentlich die Alarmanlage aus. Und sobald man den Laptop zuklappt, findet man stets jemanden, mit dem man ein spätes Feierabendbier genießen kann. Ein großer Unterschied zu Konzernen, in denen sich durch Hierarchien und Abteilungen schnell Distanzen zwischen denjenigen aufbauen, die eigentlich eng zusammenarbeiten müssten.

Lektion 5: Software im Fokus
In großen Konzernen hat Software bei den Mitarbeitern häufig einen schlechten Stand. Man fühlt sich mehrjährigen Software­-Rollouts und sperrigen Lösungen aus grauer Vorzeit ausgeliefert. Nicht selten wird Software auch als Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz angesehen. In Startups dagegen wachsen Kundenzahlen und Umsätze häufig schneller als Prozesse automatisiert werden. Neue Features werden sehnlichst erwartet und können nicht schnell genug veröffentlicht werden. Deswegen werden sie in Startups in kurzen Zyklen entwickelt. Websites und Apps stehen auch deswegen im Mittelpunkt des Interesses, weil sie wertvolle Daten liefern, um Produkt und Marketing noch besser auf die Interessen der Kunden abzustimmen.

Zur Person
Johannes Becher ist Gründer des InsurTech­-Start-ups Getsurance, das seinen Kunden mithilfe digitaler Algorithmen zu Versicherungsfragen berät und die besten Tarife vorschlägt. Zuvor war Johannes als Global Venture Development Director bei Rocket Internet für Aufbau und Internationalisierung mehrerer schnell wachsender Startups verantwortlich.

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Foto (oben): Shutterstock