Gastbeitrag von Benjamin Schaper

Das Venture Capital-Dilemma von Konzernen

Konzerne unterliegen bei Kooperationen häufig dem Irrglauben, dass sie dauerhaft Einfluss auf Struktur, Strategie und Finanzierung des Start-ups ausüben können und das Start-up gleichzeitig für externes Kapital von Finanzinvestoren (Venture Capital Fonds) interessant bleibt.
Das Venture Capital-Dilemma von Konzernen
Donnerstag, 21. April 2016VonTeam

Konzerne stehen vor einem Dilemma. Ihre Geschäftsmodelle, die in den letzten Jahrzenten so erfolgreiche Cashflows generiert haben, werden von innovativen Start-ups mit disruptiven Technologien attackiert. Die Stärken der Konzerne (Prozesse, Strukturen, Marktdurchdringung) erweisen sich im Wettbewerb mit Start-ups zumeist als unflexibel und undynamisch. In diesem Bewusstsein werden vermehrt Venture-Programme durch Konzerne entwickelt, um Kooperationen wir z.B. Kapitalbeteiligungen oder ein Partnering mit Start-ups einzugehen. Sowohl die übergeordnete Zielsetzung für diese Venture-Programme als auch die Erwartungen der Konzerne an einzelne Kooperationen mir Start-ups sind zumeist unscharf formuliert bzw. kommuniziert. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Venture-Programme schon nach ein paar Monaten wieder eingestampft oder strategisch neu ausgerichtet werden.

Meines Erachtens ist das Scheitern von Venture-Programmen zumeist darin begründet, dass Konzerne es versäumen die folgenden Parameter für Kooperationen mit Start-ups frühzeitig für sich zu definieren:
Ziele der Kooperationen und Ressourcen zur nachhaltigen Umsetzung
Klare Abgrenzung zwischen langfristigem, strategischem und kurzfristigem, rein finanziellem Investment
Maximale Finanzierungsbereitschaft (Risikobereitschaft) in Abhängigkeit der strategischen Bedeutung des Start-ups

Doch warum ist es essentiell diese Parameter frühzeitig zu definieren? Langfristige, strategische Investments verlangen

1) nach völlig anderen Vereinbarungen mit Start-up-Gründern und
2) einem anderen “Finanzierungs-Set-up”

als reine Finanzinvestments. Bei Finanzinvestments sollte allein der Return-on-Invest im Verhältnis zum Finanzierungsrisiko das Hauptkriterium sein. Strategische Investments haben hingegen eine langfristige Zusammenarbeit und Sicherung der Wettbewerbsposition als Ziel. Nicht klar definierte Ziele und Parameter von Kooperationen erschweren somit zum einen die Zusammenarbeit mit Start-ups und führen zum anderen zu enttäuschten Erwartungen auf Seiten der Konzerne.

Erwartungen von Konzernen an strategische Investments in Start-up’s (Kapitalbeteiligung)?

Berechtigte Erwartungen
– Innovationskraft
– Geschwindigkeit
– Flexibilität
– Zugang zu neuen Technologien und Humankapital
– Strategische Interessen: Langfristige Sicherung und Weiterentwicklung des etablierten Geschäftsmodells
– Positive Abstrahleffekte für Konzern:
o Recruiting
o “Gespür für Trends”
o Beobachtung Wettbewerb
o Mitarbeiterschulung

Teilweise überhöhte Erwartungen
– Businessplangläubigkeit
– Unterschätzung Kapitalbedarf
– Hoffnung auf schnellen Return on Invest
– Übertragung medienwirksamer „Unicorn-Stories“ von digitalen Geschäftsmodellen auf eigene strategische Beteiligung
– Fehlendes Verständnis für Risiko: „Innovation kann auch scheitern“
– Einstieg von Finanzinvestoren nach Einstieg eines Konzerns i.d.R. unwahrscheinlich, wenn er strategische Rolle ausübt

Folgende Eckpfeiler sollten Konzerne bei strategischen Investments für sich überprüfen:

  • Welche Freiheiten und Anreize werden dem Gründer-Management gewährt, um ihre Motivation, Flexibilität und Dynamik nicht zu gefährden?
  • Wie werden dabei zugleich die langfristigen, strategischen Interessen der Konzerne gewahrt?
  • Wie werden Exit-Szenarien der Gründer geregelt, wenn als einziger Käufer der Konzern in Frage kommen soll?
  • Wie ist die Bereitschaft des Konzerns bei Erfüllung gewisser Milestones das Start-up auf Grund seiner strategischen Bedeutung notfalls auch alleine zu finanzieren und wie hoch ist der Finanzierungsbedarf des Start-ups?

Neben strategischen Investments haben Konzerne u.a. zwei weitere Optionen für Kooperationen mit Start-ups:

Eine Option ist eine partnerschaftliche Kooperation, in der ein Konzern Ressourcen zur Verfügung stellt. Dies erscheint zunächst schizophren. Schließlich hilft der Konzern einem potentiellen Wettbewerber sein Geschäft aufzubauen. Doch im Austausch kann der Konzern von dem Start-up lernen sowie dessen Geschäftsmodell für sich evaluieren. Der Konzern trägt kein Finanzierungsrisiko, muss dafür aber auch bereit sein ggf. zu einem späteren Zeitpunkt einen hohen Kaufpreis zu bezahlen, wenn eine strategische Übernahme als sinnvoll oder notwendig erachtet wird.

Zum anderen besteht die Option, dass sich Konzerne rein finanziell mit der Hoffnung auf einen möglichst hohen Return-on-Invest an dem Start-up beteiligen und versuchen das Risiko mit weiteren Investoren zu teilen. Konzerne erhalten durch ein reines Finanzinvestment für einen gewissen Zeitraum die Möglichkeit das Start-up kennenzulernen und die strategische Bedeutung zu evaluieren (Beobachtungsphase). Ist jedoch eine strategische Rolle identifiziert, so sollte frühzeitig die Bereitschaft bestehen eine strategische Position bei dem Start-up einzunehmen und die Bereitstellung von finanziellen Mitteln zu erhöhen. Finanzinvestments ohne „strategisches Potential“ sind in Konzernen fehl am Platz und sollten den Konzerneigentümern vorbehalten sein.

Konzerne unterliegen bei Kooperationen häufig dem Irrglauben, dass sie dauerhaft Einfluss auf Struktur, Strategie und Finanzierung des Start-ups ausüben können und das Start-up gleichzeitig für externes Kapital von Finanzinvestoren (Venture Capital Fonds) interessant bleibt. Start-ups sind jedoch nur dann für Finanzinvestoren interessant, wenn ein höchstmöglicher Return-on-Invest durch einen jederzeitigen Exit an den höchstbietenden Käufer realistisch ist und dieser durch einen Strategen nicht verhindert werden kann. Ein Exit steht aber i.d.R. im Widerspruch zu dem langfristigen, strategischen Interesse des Konzerns. Hat der Konzern eine strategische Rolle des Start-ups für sich definiert, so wird die Finanzierung auch durch Dritte schwieriger, d.h. der Konzern muss notfalls auch bereits sein alleine zu finanzieren und frühzeitig den gesamten dafür notwendigen Kapitalbedarf abschätzen können.

Die Kooperation mit Start-ups sind für Konzerne also in der Regel „entweder/oder-Szenarien“. Die „eierlegende Wollmilchsau“ (Strategisches Investment zu geringen Einstiegspreisen finanziert durch externes Kapital mit voller Flexibilität und hoher Motivation von Start-up Gründern) ist Konzern-Utopie. Es ist fortlaufend eine Abgrenzung zwischen „strategischem Investment“ und „Finanzinvestment“ zu treffen und der sich damit verändernde Finanzierungsbedarf für den Konzern im Verhältnis zu dem Risiko zu evaluieren. Dafür muss der Konzern die Kooperation für sich laufend neu bewerten und proaktiv entscheiden, welche Rolle er bei dem Start-up einnehmen möchte.

Kennen Sie schon unseren #StartupTicker? Der #StartupTicker berichtet tagtäglich blitzschnell über die deutsche Start-up-Szene. Schneller geht nicht!

Foto: luxurious meeting room in a big corporation from Shutterstock