Term-Sheet-Verhandlung 4

Liquidation Preference: Erlösverteilung beim Exit

Wie laufen Verhandlungen zwischen Start-ups und Investoren ab und was sind ihre Inhalte? Extrem praxisnah vermittelt diese Serie Know-How dazu – basierend auf der Verhandlung eines fiktiven Term-Sheets, die ein 'Start-up' mit einem 'Investor' führt, begleitet jeweils durch ihre Anwälte.
Liquidation Preference: Erlösverteilung beim Exit
Dienstag, 24. März 2015VonElke Fleing

Dies ist der fünfte Beitrag einer Beitragsreihe über Term-Sheets und deren Verhandlung. Die Autoren gehen in dieser Beitragsreihe insbesondere die Unternehmenswert-Ermittlung bei Start-Ups und auf Probleme hinsichtlich des geistigen Eigentumsrechts sowie auf konkrete Regelungen eines Term-Sheets ein.

Außerdem geben sie Gründern wertvolle Hinweise, wie sie sich auf eine Term-Sheet Verhandlung vorbereiten und was bei dieser beachten sollten.

Die ‘Liquidation Preference’ regelt die Verteilung des Erlöses im Falle des Exits. Investoren fordern unter dieser Überschrift grundsätzlich, dass sie bei der Erlösverteilung im Vergleich zu den Gründern bevorzugt befriedigt werden. Konkret fordern Investoren, dass sie überproportional am Kaufpreis partizipieren.

Beweggrund des Investors ist dabei, dass dieser seinen investierten Betrag mehrfach verdient haben möchte. Wie hoch die Vorabbefriedigung der Investoren ausfällt, ist zwar grundsätzlich Verhandlungssache.

Insbesondere Venture Capital Investoren lassen sich hier allerdings regelmäßig nur wenig von ihren Vorstellungen abbringen. Die Liquidation Preference sei für sie die Vergütung des Risikos, das sie tragen.

Die Ausgestaltungen der Liquidation Preference variieren teilweise erheblich voneinander:

Während sich ein Investor die Vorabbefriedigung ‘nur’ in Höhe seines Investmentbetrages versprechen lässt, verlangen andere Investoren ihren Investmentbetrag mehrfach als Vorabbefriedigung und möchten anschließend noch im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile, pro rata, an der Verteilung des übrigen Erlöses teilnehmen (‘participating preferred’).

Nimmt der Investor nicht an der späteren Verteilung des übrigen Kaufpreises teil, wird die Liquidation Preference als ‘pure preferred’ bezeichnet.

Im Folgenden wieder sinngemäße Auszüge aus einer fiktiven Term-Sheet-Verhandlung plus hochkarätige Tipps , die zur Gänze in diesem Video mitgeschnitten wurde:

Investor (I): So, jetzt wird es spannend. Es geht um Ziffer 7 des Term-Sheets, die Liquidation Preference, also die Verteilung der Exit-Erlöse.

Start-up (S): Ich lese hier unter Ziffer 7, dass ihr X-Mal Euren Investmentbetrag erhalten möchtet und noch zusätzlich an der Verteilung des übrigen Kaufpreises pro rata teilnehmen wollt?

I: So ist es. Irgendwann soll das Unternehmen ja verkauft und der Wert realisiert werden, den wir gemeinsam aufgebaut haben. Uns ist wichtig, dass wir auf jeden Fall die Rendite erwirtschaften, die wir erwirtschaften mussten, um unsere Kapitalgeber im Fonds glücklich zu machen. Unter einer Liquidation Preference unter drei Mal werden wir hier nicht weit kommen. Vergleicht dazu mal den Markt, das ist absolut üblich.

HINWEIS: ‘Vergleicht mal den Markt, das ist absolut üblich.’ Und ähnliche Verweise auf Marktüblichkeiten sind meist bloße Floskeln und sollten sofort entkräftet werden.

Auch wenn bestimmte Regelungen in einem Term-Sheet gängig sind, ist der konkrete Inhalt der Regelung immer individuell abhängig von dem Start-Up.

S: Das heißt, wenn unser Start-Up unerwartet relativ früh und für einen kleinen Betrag verkauft wird, etwa für 1,5 Millionen Euro, dann erhalten wir vom Kaufpreis ja gar nichts, wenn euer Investment 500.000 Euro beträgt?!

I: Ja. Aber ganz ehrlich, das wäre auch kein gutes Geschäft für uns!

S: Doch, das wäre ein gutes Geschäft für euch gewesen.

I: Naja, ihr müsst mal überlegen, wie viele Risiken für uns bei einer Beteiligung an euch bestehen: Der Markenname kann nicht genutzt werden, das Open-Source-Thema ist nicht geklärt – ganz zu schweigen von der unsicheren Situation hinsichtlich der Nutzungsrechte von den Freelancern. Wir können bei all diesen Themen froh sein, wenn euer Start-Up überhaupt überlebt.

Für euch wird es erst in zweiter Linie darum gehen, ob und wieviel Geld ihr mit eurem Start-Up verdient.

HINWEIS: Hier werden die Gründer von ihrer Schludrigkeit eingeholt. Der Investor macht sich die Fehler der Gründer zunutze. Das Schlimme daran ist, dass die Gründer diese Fehler ohne großen Aufwand hätten vermeiden können, etwa indem sie vor der Term-Sheet Verhandlung den Markennamen und die Open Source-Thematik geprüft und sich die Nutzungsrechte von den Arbeitnehmern und Freelancern eingeräumt hätten.

Diesen Themen sind auch Gegenstand der Artikel zum Recht am geistigen Eigentum und zur Due Diligence.

S: Das mag alles sein. Trotzdem möchten wir auch schon bei einem geringen Kaufpreis beteiligt sein. Schließlich haben wir die Idee gehabt und sie entwickelt. Es sollte eine ganz normale Aufteilung des Kaufpreises pro rata erfolgen, ohne eure Vorabbefriedigung.

I: Das könnte man so machen, wenn ihr ein Familienunternehmen wärt und uns nicht bräuchtet. Ihr braucht aber Investoren, so ist es nun einmal.

Und ich kann euch versichern – kein Investor wird auf eine solche Liquidation Preference, wie von uns vorgeschlagen, verzichten.

Außerdem habt ihr uns ja erzählt, dass ihr mit 50 Millionen Nutzern rechnet und jeder Nutzer 5 Euro wert ist. Da haben wir ja dann schon ein 250 Millionen Exit. Die 1,5 Millionen, die euch durch die dreimalige Vorabbefriedigung unseres Investmentbetrages in Höhe von 500.000 Euro dann fehlen, sind doch dann wirklich egal.

S: Und trotzdem habe ich Bedenken. Folgender Vorschlag: Wenn wir auf einen Verkaufserlös in Höhe von 2 Millionen Euro kommen, dann sollten nicht die ersten 1,5 Millionen Euro an Euch fließen und nicht nur der danach noch verbleibende Betrag pro rata aufgeteilt werden.

Bei einem Verkaufserlös in Höhe von 2 Millionen Euro sollten wir den gesamten Kaufpreis pro rata aufteilen. Außerdem muss die Reihenfolge der Verteilung anders sein. Jetzt mal unabhängig davon, dass ihr den Investmentbetrag mit dem Faktor 3 berechnet – wir sehen es nicht ein, dass ihr vorab befriedigt werdet.

HINWEIS: Es ist immer gut, wenn Gründer von sich aus andere Vorschläge zur Regelung anbieten und nicht nur die des Investors ablehnen.

Da die Regelungen bisweilen sehr kompliziert sein können, sollten sich Gründer bereits vor der Term-Sheet Verhandlung alternative Lösungsvorschläge zu denjenigen Regelungen überlegen, die sie ablehnen.

Dabei sollten auch die möglichen Auswirkungen des Vorschlages zu einer Regelung auf die anderen Regelungen des Term-Sheets bedacht werden. Schließlich stehen die einzelnen Regelungen miteinander im Zusammenhang und können Wechselwirkungen entfalten.

I: Wir wollen es hier ja nun auch nicht unnötig verkomplizieren: Wir könnten auch mit einem Zweifachen des Investmentbetrages leben.

S: Das genügt uns nicht.

I: Ok, ich merke, dass das ein emotionales Thema für euch ist.

S: Ja, für euch offensichtlich auch.

HINWEIS: Wenn die Verhandlungen drohen festzufahren, ist es bisweilen ratsam, den strittigen Punkt zunächst nicht weiter und erst am Ende abschließend zu diskutieren.

Zum einen besteht die Möglichkeit, dass sich bis dahin noch ein weiterer Punkt findet, bei dem eine Einigung erzielt werden muss. Die Parteien können dann gegenseitig nachgeben.

Außerdem zeigen sich Parteien zum Ende von Verhandlungen regelmäßig vergleichsbereiter, es kommt also eher zu einer Einigung.

S: Trotz erheblicher Bedenken nehme ich dein Angebot an: Ihr erhaltet beim Exit zweimal euern Investmentbetrag. Der übrige Kaufpreis wird pro rata verteilt. Dafür musst Du mir bei unserem nächsten Streitpunkt aber entgegenkommen.

HINWEIS: Wenn man in der Verhandlung eines Punktes nachgibt, sollte man dies auch ausdrücklich so festhalten und schon zu diesem Zeitpunkt fordern, dass der Investor bei einem anderen Punkt nachgeben muss.

Die bisherigen Beiträge dieser Serie:

Start-ups und geistiges Eigentum

Unternehmensbewertung und Meilensteine

Due Diligence: Was Gründer alles wissen müssen

Welche Garantien wollen Investoren von Start-ups?

Im nächsten Beitrag beschäftigen sich die Autoren mit Mitverkaufspflichten und -rechten (drag-along-rights und tag-along-rights) sowie dem Vorkaufsecht.

Zu den Personen:

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Caroline Schimpeler ist Rechtsanwältin bei der global tätigen Anwaltskanzlei Norton Rose Fulbright für die Bereiche Corporate, M&A und Venture Capital. Sie berät unter anderem Start-ups in allen Lebenslagen – von der Gründung über die Beteiligung von Investoren bis zum vollständigen Verkauf. Zur Zeit der Term-Sheet-Verhandlung war sie noch als Rechtsanwältin in demselben Bereich bei der Anwaltskanzlei Bird & Bird LLP tätig.

Dr. Bahne Sievers berät als Rechtsanwalt bei Bird & Bird LLP, Hamburg seit Jahren vor allem nationale und internationale Medienunternehmen sowie Startups im Bereich IP und Commercial. Einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildet insbesondere die Beratung von digitalem Content-Vertrieb, Apps, Online-Auftritten und Social Media.

Foto oben: Mit freundlicher Genehmigung von Hamburg Startups

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.