Gastbeitrag von Thomas Keup

Ohne Fleiß kein Preis – oder kann das jetzt weg?

Um die Zukunft zu gestalten, macht es Sinn, die Geschichte zu kennen. Meine Großmutter appellierte in jungen Jahren immer an meinen Fleiß, um erfolgreich zu sein. Als 25-Jähriger habe ich ebenso darüber geschmunzelt, wie heutige Jung-Manager in Berliner Startups.
Ohne Fleiß kein Preis – oder kann das jetzt weg?
Montag, 13. Oktober 2014VonTeam

Eine Aktie, die seit ihrem Start um 10,- € abgestürzt ist. Ein Prospekt, der für die erfolgreichsten Bereiche fast 60% Verluste ausweist. Ein Börsengang, der alles andere als fundiert wirkte. Rocket Internet hat bei mir neue Fragen aufgeworfen: Sind Startup-Modelle mit “Quick Wins” durch “Proven Winners” wirklich sinnvoll? Oder erledigen sich die “Durchlauferhitzer” schon bald von selbst?

Was bekannte Company Builder, Inkubatoren und fondfinanzierte VCs auf die Beine stellen, hat oft nichts mit Erfolg durch Fleiß zu tun. Stattdessen werden häufig auf dem Rücken von Praktikanten, Junior Managern und Beta-Testern Terrains abgesteckt, Märkte aufgebläht und Millionenbeträge verbrannt. Ich selbst musste mich schon über den Service von Lieferheld, Home24 und Wimdu ärgern.

Ich behaupte: Es kommt nicht von ungefair, das VCs vornehmlich “Proven Winners” kopieren und auf vermeintliche “High Flyer” setzen. Als verantwortlicher Fondverantwortlicher würde ich selbstverliebten iPad-Nutzern in London, Paris und Berlin für ihre “Burn Rate” auch die Hölle heiß machen. Aber wie sieht die Alternative für Gründer und Mitarbeiter aus? Und wie können Entrepreneure gute Ideen trotzdem funden?

Muss ich als Gründer Fantasiezahlen abliefern, die nicht die Mühe wert sind, mit der sie in Nachtschichten “zusammengepinselt” wurden? Müssen Startups “quick & dirty” hochgeprügelt werden, oder gibt es neues Business auch fundiert und vertrauenswürdig? Ich sage: Es geht auch solide, wenn man es solide machen will. Dazu gehört jedoch eine andere Sicht der Dinge, als sie in Valendar oder Oestrich-Winkel gelehrt wird.

Um die Zukunft zu gestalten, macht es Sinn, die Geschichte zu kennen. Meine Großmutter appellierte in jungen Jahren an meinen Fleiß, um erfolgreich zu sein. Als 25-Jähriger habe ich ebenso darüber geschmunzelt, wie heutige Jung-Manager in Berliner Startups. Doch mit dem 2. Rausschmiss durch Personalabbau wünscht sich auch heute der freundlichste Berufseinsteiger – Zitat – “ein bisschen mehr Kontinuität”.

Ist es “neu” oder “sicher”?

Natürlich ist nicht jeder Startupjob ein Schleudersitz. Eine ganze Reihe innovativer Startups beweisen, dass man mit VC-Investitionen auch sinnvolle und längerfristig erfolgreiche Geschäfte aufbauen kann. Die Schlüsselfrage lautet für mich: Ist es “neu” oder ist es “sicher”? Oliver Samwer ist Meister im Aufbau von Copycats. Diese sind für deutsche, schwedische oder russische Investoren vor allem sicher, nicht jedoch neu.

Ich glaube, dass vor allem neue, innovative Geschäftsmodelle eine Chance auf nachhaltiges Wachstum und langfristigen Erfolg haben – und damit eine solide Grundlage für institutionelle wie private Anleger. Bestes Beispiel ist für mich das iPhone, dass 2007 die Bedienung per Touchdisplay eingeführte – und dem Platzhirsch Blackberry den Todesstoß verpasste. Das iPhone war kein sicheres Produkt wie der Blackberry – es war ein neues.

Neben der Frage, ob ich auf Sicherheit oder Innovation setze, sollten wir in der Startup-Szene unseren Blick auf die Kunden nicht vergessen. Was will der Kunde wirklich, wenn es kein Neukundengutschein ist? Vor allem zwei Dinge: 1. Bequemlichkeit und 2. Erwartungsgewissheit. Zalando und Home24 bieten mir als Kunden Bequemlichkeit, sprich vom Sofa aus Schuhe und Schuhschrank kaufen zu können – und nicht an den “Arsch der Welt” fahren zu müssen.

Promiss less – Deliver over

Bei der Erwartungsgewissheit punkten aus meiner Sicht vor allem internationale Unternehmen wie Amazon, Ikea oder H&M. Der Grund: Diese Unternehmen haben verstanden, dass ein kulanter Kundendienst neue Umsätze und hohe Erlöse bringt – fernab von Gutscheinen und dem Versuch, Kunden teuer zurückzukaufen. Das Mittel: Begeisterung durch “Promiss less – Deliver over.” Womit wir wieder bei der “Burn Rate” vom Beginn des Beitrags wären.

Was kann ein Gründer tun, um nicht in die verführerische Falle vom vermeintlich schnellen Investment zu geraten? Ich finde, zwei Aspekte sollte jeder Jungunternehmer in den Mittelpunkt stellen, unabhängig von Online- oder Offline-Geschäftsmodell: Zum Einen geht es für mich um Weitblick bzw. Visionen. Nein, dass hat nichts mit sicheren sondern mit neuen Geschäftsmodellen zu tun.

Zum Anderen sollten Gründer vor allem ihrer Leidenschaft folgen. Das ist etwas Anderes, als gelernte Theorien von WHU oder EBS. Nur wenn ein Unternehmer Kunden begeistert, werden Kunden dem Unternehmen auch folgen, wenns mal hakt. Steve Jobs, das iPhone und Antennagate, Mapsgate oder Bendgate sind der Beweis. Alle anderen Kunden sind zuvor von MBAlern mit Gutscheinen, Rabatten und Cashback “verdorben” worden.

Business gleich Relations

Als langjähriger Kommunikationsspezialist im IT-, Telecom- und Tech-Startup-Umfeld behaupte ich: Echtes Business gibt es nur noch mit Relations. Das heißt nichts Anderes als die berühmte “Costumer Journey” als Vertrauensbildungsprozess aufzubauen. Dazu gehören neben Marketing und Kommunikation auch kulanter Kundendienst. Im Social Business heißt das Social Media Marketing, Social Media Relations und Social Media Support. Social Media Manager sollten vor allem die Relations nicht vergessen.

Wer den Kunden in Zeiten sozial-vernetzter Kommunikation als “Beta-User” missbraucht, wer meint, mit ausgelagertem Billig-Support in Portugal Business zu generieren, kann auch keine geringere “Burn Rate” liefern als die eingangs zitierten 60%. Ich habe nicht umsonst eine lange Kaufhistorie bei Amazon, und nicht bei Zalando. Als Kunde will ich sicher sein, nicht “verschaukelt” zu werden. Und ich will einen Glücksmoment erleben – und keine hoffnungslos überforderten Support-Agenten.

Womit ich wieder am Anfang meiner kleinen Reise bin. Als Co-Founder der pitchfreunde habe ich über ein Jahr viele Startups bei uns pitchen sehen – vor allem “sichere” Ideen, wie Eventapps oder Freundesfinder. Wir haben mit den pitchfreunden auch aufgehört, weil eben kaum neue, innovative Ideen unterwegs waren. Und weil wir keine Lust hatten, als “Durchlauferhitzer” einer von dutzenden Pitchevents zu sein.

Ich würde mir sehr wünschen, das Gründer Ideen verfolgen, für die sie brennen, und die nicht aus den USA “abgekupfert” sind. Ich würde mir wünschen, dass Jungunternehmer frühzeitig Produkte für Branchen entwickeln und z. B. von Corporate Inkubatoren fördern lassen. Ich würde mir wünschen, nicht die 399. Freunde-finden-Freunde-App auf Deutsche Startups lesen zu müssen. Und ich wünsche mir, das Gründer zu echten Unternehmern werden.

ds-Thomas-Keup

Zur Person
Thomas Keup ist langjähriger Kommunikationsexperte in Berlin. Als Pressesprecher verantwortete er die Kommunikation für den Neubau des Berliner Hauptbahnhofs der Deutschen Bahn. Als Leiter Unternehmenskommunikation und Marketing begleitete der Mecklenburger die SOLON AG an die Börse. Als langjähriger Pressesprecher des IT-Branchenverbandes SIBB e. V. vertrat er die regionale IT-Industrie mit fast 4.000 Unternehmen und mehr als 50.000 Mitarbeitern. Thomas Keup arbeitet für IT-Unternehmen und Tech-Startups in Berlin. Der Spezialist begleitet Unternehmen bei Ausrichtung und Konzeption ihrer Kommunikation, plant und realisiert Investoren-, Markt-, Kunden-, Medien- und Mitarbeiterkommunikation in Wachstum und Veränderung. Zu den Schwerpunkten des Co-Founders von pitchfreunde und SPREEFACTORY gehören Content Management, Social Business Strategien und Krisenkommunikation.

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