Ridesharing-Dienste

Taxi? Nee, lieber flinc einen Lyft Uber WunderCar

Sie nehmen gerade richtig Fahrt auf gegen App-getriebene Ridesharing-Dienste: Die Taxi-Branche mit ihren Protesten und die Behörden mit Maßnahmen. Gerüchte über Verbote wechseln sich ab mit Dementis, Taxifahrer demonstrieren - Fahrer und Gäste sind verunsichert… Was ist da los?
Taxi? Nee, lieber flinc einen Lyft Uber WunderCar
Dienstag, 24. Juni 2014VonElke Fleing

Ok, Kalauermodus wieder aus – aber die Überschrift konnte ich mir einfach nicht verkneifen – die Namen der 4 verschiedenen Ridesharing-Dienste verführen dermaßen zum Rumspielen… Jetzt aber zum Thema:

Die Zeiten werden ‘internettiger’ und mit ihnen auch die Geschäftsmodelle im Individual-Transport-Gewerbe.

Früher gab es gewerbliche Taxi-Unternehmen, die mit oder ohne Anbindung an eine Funkzentrale Fahrgäste individuell gegen gesalzenes Entgelt von A nach B transportierten und die nach dem Absetzen des einen Fahrgastes vielleicht gleich den nächsten auflasen. Taxis unterliegen diversen strengen (und teuren) Reglementierungen und müssen die Funkzentralen und den sonstigen Overhead mitfinanzieren – was dann auch die gesalzenen Fahrpreise erklärt. Der einzelne Droschkenkutscher wird jedenfalls durch seinem Job nicht reich.

Dann gab es professionelle Limousinen-Mietdienste, die ihre hochwertigen Karossen mit Fahrer an gut zahlende Gäste vermieteten. Anders als Taxis fahren sie nach einer Tour erst wieder ihre Station an, bevor sie den nächsten Auftrag wahrnehmen.

Und es gab und gibt die Mitfahrzentralen, bei denen sich dem Fahrer eines Privatautos mitfahrende Personen zugesellen, die denselben Weg haben und die sich mit dem Fahrer am Ende die Fahrtkosten teilen. Obwohl bei diesem Geschäftsmodell Menschen von einem anderem in einem Fahrzeug transportiert werden, galten für Mitfahrzentralen noch nie die Sicherheitsvorschriften und anderen Reglementierungen, denen professionelle Fahrer unterliegen.

Das Internet ermöglicht dem Taxigewerbe neue Geschäftsmodelle
Heute werden die analogen Geschäftsmodelle modifiziert und zwar mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen.

Apps wie MyTaxi ersetzen die Funkzentralen der professionellen Taxifahrer. Das macht das Handling für den Fahrgast einfacher, das ‘Bodenpersonal’ der Taxi-Branche aber nicht glücklich, müssen sie doch um ihre Arbeitsplätze fürchten, falls sich solche Apps durchsetzen.

Außerdem haben alle Taxi-Apps Bewertungssysteme, von denen vor allem die Fahrgäste profitieren. Schlechte Zeiten brechen an für Umwege fahrende Taxifahrer oder solche, die muffelig und unfreundlich sind oder keine Lust hatten, ihren Wagen ordentlich durchzusaugen. Das Gewerbe wird transparenter, die Herausforderungen in Sachen Service für die fahrende Zunft damit größer. Profitieren tun die Fahrgäste – und die weißesten Schafe der Branche.

MyTaxi bekam in letzter Zeit ordentlich Gegenwind
Aber natürlich funktioniert so ein Markteintritt neuer Geschäftsmodelle selten reibungslos. MyTaxi hat in letzter Zeit ordentlich Gegenwind bekommen.

Erst wegen Datenschutz-Problemen, dann gingen die Taxifahrer selbst auf die Barrikaden, als MyTaxi plötzlich begann, die Fahrten gegen Auktion zu vermitteln und die Fahrer sich zu Dumpingpreisen genötigt fühlten.

Und letztendlich sind da all die Mitarbeiter in den Funkzentralen, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, falls die App sich durchsetzt und die nach Hebeln suchen, sich gegen die ‘neumodische’ Konkurrenz zu wehren.

Aber zunehmend bekommt auch MyTaxi mehr Mitbewerber, denn auch andere – für die Fahrgäste preiswertere – Unternehmen poppen auf.

Die neu entstehenden Unternehmen haben mit heftigen Stolpersteinen zu kämpfen.
Neben neuen Geschäftsmodellen für das klassische Taxigeschäft entstehen aber auch Unternehmen, die für den Fahrgasttransport auf Privatfahrer und deren Autos setzen. Uber und WunderCar sind die in Europa bekanntesten.

WunderCar startete mit diesem Modell: Privat-Fahrer, die Lust haben, neue Leute kennenzulernen und sich ein Taschengeld dazuzuverdienen, stellen sich als Fahrer zur Verfügung. WunderCar bekommt 20 % des Betrags als Vermittlungsprovision.

Fahrgäste lassen sich von ihnen von A nach B transportieren – wobei sie vorab gar nicht mitteilen müssen, wohin die Fahrt denn gehen soll – und zahlen am Ende der Fahrt ein ‘Trinkgeld’ ihrer Wahl. Zunächst wurde ihnen dafür ein Betrag empfohlen, der etwa der Hälfte des Taxientgelts entsprach.

Hinterher bewertet der Fahrgast Fahrt und Fahrer und – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal bei WunderCar – der Fahrer den Gast. Ein deutliches Indiz dafür, dass bei WunderCar der Community-Gedanke eine tragende Rolle spielt.

Nach dem Start in Berlin und Hamburg ging die Taxizunft auf die Barrikaden, sah sie sich doch einem unfairen und gefährlichen Wettbewerb ausgesetzt. Sie demonstrierten – und sie wendeten sich an die Behörden.

Das Konzept von WunderCar sei illegal. Sämtliche Sicherheitsvorschriften würden umgangen, denen gewerbliche Fahrer unterliegen. Und da die Einnahmen der Fahrer die reinen Fahrtkosten deutlich übersteigen, seien die WunderCar-Fahrer eindeutig gewerbliche Fahrer. Außerdem unterstütze das Konzept Schwarzarbeit, weil nicht sichergestellt ist, dass die Fahrer ihre Einnahmen auch versteuern.

Und die Behörden machten Druck. Richtig Druck. Sie drohten mit hohen Strafen – in den Medien war sogar immer wieder davon die Rede, die Wirtschaftsbehörde Hamburg hätte WunderCar verboten. Letzteres ist so grundsätzlich nicht richtig.

Nicht WunderCar an sich wurde verboten, sondern: “Die Wirtschaftsbehörde hat Wundercar per Brief verboten, Fahrten anzubieten, deren Entgelt die Betriebskosten übersteigt. Sollte Wundercar das Verbot ignorieren, drohen laut einer Sprecherin hohe Strafen. Der Taxi-Rivale habe für einen Widerspruch einen Monat Zeit. Im nächsten Schritt gebe es für Wundercar die Möglichkeit, sich vor dem Verwaltungsgericht gegen das Verbot zu wehren.” (Zitat aus Taxi-Rivale ignoriert Verbot)

Diesem massiven Druck hat sich WunderCar nun gebeugt. Sie haben ihr Geschäftsmodell modifiziert und rangieren jetzt in Sachen Fahrpreis-Empfehlung auf dem Level einer Mitfahrzentrale. Statt wie bisher den Fahrgästen anzuzeigen, wie viel andere im Schnitt für diese Strecke zahlten – die Beträge lagen in der Regel bei etwa der Hälfte der Kosten für ein Taxi – wird nun nur noch die Höhe der Betriebskosten des Autos in Höhe von 35 Eurocent pro Kilometer empfohlen. Wobei es nach wie vor dem Fahrgast völlig frei überlassen bleibt, ob und wie viel er tatsächlich bezahlt.

WunderCar-Gründer Gunnar Froh dazu gestern: “Auf WunderCar werden keine gewerblichen Fahrten vermittelt. Die Behörde in Hamburg hat mehrfach klargestellt, dass es uns lediglich erlaubt ist, unentgeltliche Fahrten zu vermitteln oder Fahrten, bei denen das Entgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Wir befinden uns in Abstimmung mit der Behörde über die zulässigen Höchstgrenzen für Betriebskosten für verschiedene Fahrzeugklassen. Da geht es jetzt um letzte Details.

Da wir auf alle Forderungen der Behörde in Hamburg eingehen, hoffen wir, dass sie uns gegenüber nun auch öffentlich bald wieder versöhnlichere Töne anschlagen wird.”

Ausführlicher nimmt WunderCar selbst in dem PDF Rechtslage für WunderCar-Fahrer Stellung.

WunderCar steht jetzt vor mindestens 3 Problemen
Abgesehen von all dem Ärger steht WunderCar jetzt vor zwei Herausforderungen, für die Lösungen gefunden werden müssen.

1. Geld verdienen fällt als Motivation für WunderCar-Fahrer jetzt aus
Die meisten Mitfahrer werden sich beim Bezahlen an den Empfehlungen der App orientieren und die sind netzt deutlich niedriger geworden. Zu verdienen für die fahrer gibt’s da jetzt praktisch gar nichts mehr.

Der Anreiz, als WunderCar-Fahrer zur Verfügung zu stehen, kann jetzt eigentlich nur noch in kommunikativen Beweggründen bestehen. Spannende Menschen unter den Fahrgästen kennenzulernen und Teil der Community zu werden – es etablieren sich schon ‘WunderCar-Partner-Cafés’, in denen sich die Community trifft und man miteinander plaudert.

Und dann gibt es natürlich noch diejenigen, die einfach gern herumcruisen – ein Auto muss schließlich bewegt werden ;-).

2. Die Provisions-Erlöse für Wundercar werden erheblich niedriger
Da WunderCar an Provisionen verdient, die sie von den ‘Trinkgeldern’ der Mitfahrer einbehalten und diese jetzt deutlich niedriger sein werden als zuvor, ist der Erlös pro Fahrt für den App-Betreiber natürlich auch erheblich niedriger.

Ob diese Defizite durch die Masse der Fahrten ausgeglichen werden kann, bleibt abzuwarten. Einfach wird das sicher nicht. Zumal ja diejenigen als Fahrer ausfallen werden, die sich ein Zubrot verdienen wollten.

Andererseits bringen all die Unbilden WunderCar und Co. auch Vorteile: Sie bekommen durch die Medienaufmerksamkeit eine Reichweite und Bekanntheit, für die andere Unternehmen viel, viel Geld ausgeben müssen.

Beispiel Uber in London: Taxi-Aufstand verschafft Uber Nutzer-Rekorde

Und auch bei WunderCar laufen die Server heiß: “Die Kritik an Wundercar hat ein mediales Echo ausgelöst, das für das 2013 in der Hansestadt gegründete Unternehmen eine große Werbung ist. ‘Normalerweise melden sich 100 neue Leute pro Tag an, derzeit sind es bis zu 50 neue Nutzer pro Minute’, berichtet Froh.”, steht im bereits angeführten Artikel bei Zeit online zu lesen.

3. Nicht nur die klassische Taxi-Zunft, auch die App-Konkurrenz macht Uber und WunderCar das Leben schwer
Dass alte und neue Geschäftswelt aufeinanderrasseln, ist üblich und bekannt. Aber auch die ‘Neuen’ halten nicht brüderlich zusammen: Bei MyTaxi zieht man gegen Uber und WunderCar teilweise tüchtig vom Leder.

Aus einer Pressemitteilung von MyTaxi: “Fakt ist, dass es in Deutschland Regeln und Gesetze gibt, die festlegen, dass nicht jeder mit einem Führerschein und einem Auto entgeltlich Personen befördern kann“, heißt es in einer Mitteilung. “Wir sind der Ansicht, dass das Personenbeförderungsgesetz auch für die Services von Uber und WunderCar gilt.” Fahrer müssten über einen Personenbeförderungsschein (P-Schein) verfügen.”

Oder: Mytaxi-Chef Külper: “Was Uber macht, ist nicht legal”

Ein Schelm, wer bei solchen moralisch erhobenen Zeigefingern denkt, man wolle bei MyTaxi damit von sich selbst ablenken oder einen Mitbewerber bashen…

Behörden und Taxizunft sollten auch umdenken
Es wäre sehr schade, wenn dem Druck der Taxifahrer spannende neue Geschäftsmodelle wirklich zum Opfer fielen.

Man kann die Taxifahrer verstehen, die um ihre Einnahmen fürchten, weil sie – vor allem durch die teuren Reglementierungen, denen sie unterliegen – gegen die Preise der neuen Anbieter keine Chance haben. Das ist ein unfairer Wettbewerb – was es auch aus Sicht der Behörden sinnvoll erscheinen lässt, dem einen Riegel vorzuschieben.

Aber man könnte auch einen anderen Ansatz fahren, als den, die preisgünstigeren Wettbewerber vom Markt fegen und das Rad der Zeit anhalten zu wollen: Man könnte die Reglementierungen für die professionellen Taxifahrer massiv entschärfen, den Overhead verschlanken und es ihnen dadurch ermöglich, deutlich günstigere Preise anzubieten.

Qualitätssicherung, die ja durch die Regeln auch geschaffen werden soll? Kein Problem, die Community macht das schon – und zwar viel besser und feiner granuliert als allgemeine Gesetze und Vorschriften: Denn die Bewertungen jeder einzelnen Fahrt, jedes einzelnen Fahrers und sein Autos filtern schwarze oder dunkelgraue Schafe ziemlich schnell heraus.

Bild oben: Shutterstock Taxi

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.