Home-Shopping ist kein neues Shopping-Genre, eher ein neuer Marketing-Trend

Zuerst hieß es Strukturvertrieb, dann wurde Multi-Level-Marketing daraus und heute sprechen wir vom Home-Shopping oder Social Selling, wie es die deutschen Vertreter dieses Genres Juvalia&You (www.juvalia.de) und Pippa&Jean (www.pippajean.com) bezeichnen. Beide Start-ups starteten […]
Home-Shopping ist kein neues Shopping-Genre, eher ein neuer Marketing-Trend
Dienstag, 29. Mai 2012VonMalte Prien

Zuerst hieß es Strukturvertrieb, dann wurde Multi-Level-Marketing daraus und heute sprechen wir vom Home-Shopping oder Social Selling, wie es die deutschen Vertreter dieses Genres Juvalia&You (www.juvalia.de) und Pippa&Jean (www.pippajean.com) bezeichnen. Beide Start-ups starteten fast gleichzeitig und sind noch keine drei Monate am Start, weshalb heute von einem Trend gesprochen werden kann. Zumal mit Ada’s Avenue (www.adas-avenue.com) noch ein weiterer Vertreter des Genres in den Startlöchern steht. Aus den USA gesellt sich zudem Stella&Dot (www.stelladot.de) zu den deutschen Anbietern. Home-Shopping ist aber weniger ein neues Shopping-Genre, eher ein neuer Marketing-Trend.

Um das Geschäftsmodell besser kennenzulernen und zu verstehen, zerlegte und untersuchte deutsche-startups.de Juvalia&You und Pippa&Jean auf Basis der Systematik des Business Model Canvas (BMC) in neun Bausteine. Das BMC bietet sich für so eine Betrachtung an: Das es einfach und schnell ist. Mit dem BMC lassen sich Eindrücke und Fakten systematisch zuordnen und durch den Scratchbook-Charakter bietet es eine pragmatische Herangehensweise.

Das Home-Shopping-Geschäftsmodell

Bild1_k

Das Home-Sopping-Geschäftsmodell auf Basis des Business Model Canvas

Customer Segments
Die beiden betrachteten Start-ups Pippa&Jean (P&J) und Juvalia&You (J&Y) verkaufen Schmuck. Die Zielgruppe sind Frauen: z.B. Nachbarinnen, Freundinnen, Kolleginnen, Mütter, „Deine weiblichen Facebook-Freunde“.

Channels
Die Produkte werden über Online- und Offline-Kanäle vertrieben. Online wird über die Online-Shops verkauft. Offline sind die 90-minütigen Shopping Events, sogenannte Style-Parties oder Style-Shows, zu denen Frauen Ihre Freundinnen, Kolleginnen usw. einladen. Das Wohnzimmer wird zur Schaufensterdekoration und betreut wird die Kaufveranstaltung durch eine Stylistin (J&Y) oder einen Style-Coach (P&J). Ziel: Spaß haben und Schmuck kaufen, denn Frauen „lieben Shopping. Am allerliebsten mit der besten Freundin, damit man sich gegenseitig beraten kann.“

Customer Relationships
Den Schwerpunkt der Kundenbeziehungen bilden Freundschaften und Kontakte, der Frauen untereinander. Hier wird vor allem die besondere Rolle der Stylisten/Style-Coaches deutlich. Es „dreht sich alles um unsere Stylistinnen. Sie, die moderne, unabhängige und starke Frau von Heute, steht im Mittelpunkt unseres Erfolgs.“ Weshalb diese auf jeden Fall in sozialen Netzwerken präsent sein sollten, denn „das erleichtert es Dir Kontakte zu knüpfen und zu pflegen – der entscheidende Faktor beim Social Selling.“

Key Partners
Im Mittelpunkt der Zielgruppe, der Vertriebskanäle und der Kundenbeziehungen stehen zwei zentrale Frauengruppen: die Gastgeberin und die Styleberaterin. Sie sind die Schlüsselfiguren im Home-Shopping-Geschäftsmodell. Styleberaterinnen sind der Außendienst (J&Y spricht hier von „sales force“). Sie unterstützen bei der Organisation der Shopping-Events und kurbeln dort den Verkauf an.

Gastgeberinnen sind die Freundinnen, Kolleginnen, Nachbarinnen usw. die Freundinnen, Kolleginnen, Nachbarinnen usw. zur Kaufparty einladen. Um das Planen „nicht so aufwendig, wie z.B. die Vorbereitung einer Hochzeit“, sondern möglichst einfach und komfortabel zu gestalten, werden die Gastgeberinnen bei der Vorbereitung zur Style Show umfangreich unterstützt. Als Anreiz winken der Gastgeberin „neben einem unvergesslichen Shoppingerlebnis viele tolle Überraschungen und Vorteile“.

Key Activities
Die Anbieter von Home-Shopping bzw. Social Selling konzentrieren sich erstens auf die Ausbildung der Styleberaterinnen, denen Sie auf Ihrem Weg zu einer „erfolgreichen Entrepreneurin mit Rat und Tat und einem professionellen Training zur Seite“ stehen. Zweitens um den „Rest – vom Design und Einkauf, über die Lagerhaltung und die Abrechung bis hin zur Lieferung.

Key Ressources
Das zentrale Asset im Home-Shopping sind die Kontakte der -innen. Sie bilden Dreh- und Angelpunkt für alle weiteren acht Bausteine des Home-Shopping-Geschäftsmodells. Ohne diese Kundenkontakte keine Key Activities, keine Key Partner, keine Customer Segments etc. und auch kein echter Kundenvorteil.

Value Proposition
Und dieser Vorteil kommt nur echt rüber, wenn Freundinnen Freundinnen etwas anbieten. P&J bringt es auf die einfache Formel: Schmuck + Freundinnen = Party.

Revenue Streams
Für die Umsätze sind offline die Styleberaterinnen als Vertriebsaußendienst verantwortlich. Zusätzlich werden online Umsätze über die markeneigenen Online-Shops als auch die personalisierten Online-Shops der Styleberaterinnen generiert. Zusätzlich sind die Styleberaterinnen selbst Kundinnen. Um Styleberaterin zu werden, müssen zu Beginn wenigstens 199 Euro in ein Starterkit investiert werden.

Cost Structures
Die Kostenstruktur ist vergleichbar mit jedem E-Commerce-Ansatz, denn im Grunde ist Home-Shopping keine Neuheit. Das besondere hier ist, dass der zusätzliche Offline-Kanal der Kaufparties kaum signifikante Kosten verursacht. Die „Ladenfläche“ stellt die Gastgeberin und die Styleberaterinnen arbeiten komplett auf Provisionsbasis.

Home-Shopping-Trend ist eher eine Strategie als ein neues Geschäftsmodell
Das Home-Shopping-Prinzip ist einfach: Es ist das Tupperware-Prinzip. Nicht so verstaubt und viel moderner, wie es Steffi, 32, aus Hannover empfindet. Tupperware ist eben funktional und effizient. Home-Shopping, wie hier vorgestellt, ist Life-Style. Diese zwei Eigenschaften, Funktionalität und Life-Style, können als Gegensätze interpretiert werden. Als weitere Gegensätze bieten sich die Vertriebskanäle an: Online und Offline.

Daraus lässt sich ein Koordinatensystem ableiten. Es besteht aus den Dimensionen Funktionalität-Life-Style und Online-Offline und bildet damit vier Quadranten. Tupperware wird nur offline vertrieben und ist klar auf Funktionalität ausgerichtet. Der Vertriebskanal von Dildoparties, wie z.B. PepperParties (www.pepperparties.de), ist ebenfalls nur offline. Die Sex Toys gehören eher in die Life Style-Ecke. Die neuen Home-Shopper Juvalia&Co sind auch dem Life-Style zuzuordnen, sind aber im Vergleich sowohl offline als auch online positioniert.

bild2_k

Koordinatensystem Home-Shopping und Home-Shopping-Strategie

Daraus ergibt sich vor dem Hintergrund der Geschäftsmodellbetrachtung eine logische Folgerung für die Home-Shopping-Strategie: Das neue Home-Shopping hat zum Ziel die Life-Style-orientierte Offline-Welt in eine Life-Style-orientierte Online-Kundschaft zu konvertieren. Im Ergebnis ist Home-Shopping damit nichts anders als Online-Shopping. Es ist ein intelligenter Marketing-Trick.