Nina Ehrenberg von Kaufhof im Interview

“Multichannel ist die Kernstrategie unseres Geschäftsmodells”

"Das Potenzial von Kaufhof ist gigantisch. Wir kommen von einem geringen Niveau im Vergleich zu amazon, zalando oder Otto. Alleine aufgrund unserer Kundenbasis bieten sich im Online-Business enorme Wachstumsmöglichkeiten", sagt Nina Ehrenberg von Galeria Kaufhof im Interview.
“Multichannel  ist die Kernstrategie unseres Geschäftsmodells”
Montag, 3. November 2014VonAlexander Hüsing

Die großen Konsumtempel, die einstigen Platzhirsche in vielen Innenstädten, stecken massiv in der Krise, sie wurden vom Internet-Zeitalter überrollt. Zudem haben Unternehmen wie Media Markt, Karstadt und Kaufhof das Thema E-Commerce zu lange verschlafen oder einfach ignoriert. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Nina Ehrenberg, Leiterin E-Commerce und Multichannel bei Galeria Kaufhof, über innovative Kräfte, agile Methoden und enorme Lernkurven.

Die FAZ schrieb kürzlich: “Kaufhäuser wie Karstadt und Kaufhof werden immer unbeliebter”. Hat die Marke Kaufhof im Netz überhaupt noch eine Zukunft?
Zugegeben, Galeria Kaufhof ist relativ spät ins Online-Geschäft gestartet, aber die Relevanz von Multi-Channel-Retailer-Services (MCR) und Überlegenheit gegenüber pure Online-Services aus Kundensicht ist unbestritten. Wir haben den Anspruch, immer profitabel zu arbeiten. Das erfordert eine klare Vision und entsprechende Fähigkeit. Dafür stellen wir uns im Online-Geschäft gerade auf.

Wie wichtig ist bei Kaufhof das Thema Multichannel?
Es ist die Kernstrategie unseres Geschäftsmodells. Wir arbeiten fieberhaft an der Entwicklung kundenorientierter Services, die uns nicht nur einen USP bringen, sondern noch Erlösquellen und als Umsatztreiber dienen.

Gibt es international Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?
Im Bezug auf die Infrastruktur und die Organisation der Software und Service-Entwicklung orientieren wir uns an amazon USA und Benchmarks wie Google. Auch im Bezug auf MCR-Services sind amerikanische oder britische Unternehmen eine genaue Beobachtung wert.

Welchen technischen Herausforderungen muss sich Kaufhof dabei stellen: Ein stationärer Händler kann noch lange kein E-Commerce?
Das ist richtig! Das Verständnis für benutzerfreundliche Online-Services mit gutem Content, einer zuverlässigen, kosteneffizienten Logistik sowie adäquatem Customer Care durch unser Call Center ist gestiegen. Mit dem Aufbau eines agilen Product Managements, eigenen, top ausgebildeten Entwicklern sowie einer neuen flexiblen sowie hoch skalierbaren Infrastruktur schaffen wir zudem die strukturellen Voraussetzungen.

Welchen Weg schlägt Kaufhof generell in Sachen Nutzung von Technologien hier ein?
Wir glauben, dass Technologie zwei Funktionen haben: Sie helfen, neue Business-Potenziale zu erschließen oder bestehende besser auszuschöpfen, zum Beispiel durch bessere Datenbanktechnologien schnellere Ladezeiten oder aktuellere Daten im Online-Shop zu erreichen. Sie ziehen aber auch begabte und hochmotivierte Talente an. Aus diesen Gründen haben wir uns entschieden auf neueste Technologien zu setzen, auch wenn die damit verbundenen Lernkurven natürlich auch Kosten mit sich bringen.

Sind bei Kaufhof auch schon Themen wie Scrum, Confluence und Jira angekommen?
Natürlich. Diese Tools und Methoden sind mittlerweile gesetzt, wobei sie in Reinform nur begrenztes Potenzial bieten. Sowohl die agilen Methoden, als auch die Tools müssen auf eine Organisation und ihre Kultur angepasst werden, um den vollen Nutzen zu erbringen. Zur Erreichung einer viel besseren und wettbewerbsüberlegenen time-to-market sind vor allem auch Instrumente, Tools und Software des Platform Engineerings notwendig. Unsere im Aufbau befindlichen Continious Delivery Prozesse alleine erfordern circa 20 verschiedene Tools.

Konzerne wie Kaufhof gelten als schwerfällig. Warum sollten junge, dynamische Menschen, die etwas bewegen wollen, dennoch bei Ihnen anheuern?
Das Wachstumspotenzial und der vorliegende Weg bieten persönliche Erfolgschancen und enormen Lernkurven, die es in der Größenordnung in kleinen Start-ups schlichtweg nicht gibt. Zudem gibt es in großen, etablierten Unternehmen durchaus eine Menge Leistungen, die insbesondere Junge Menschen interessieren, die gegebenenfalls Jahre lang für wenig Geld in Nachtschichten bei wenig erfolgreichen Start-ups unterwegs waren.

Eine Aufbruchstimmung, oder gar eine dynamische Gründerkultur in einem großen Unternehmen zu etablieren, ist schwierig. Wie soll dies bei Kaufhof funktionieren?
Das Potenzial von Kaufhof ist gigantisch. Wir kommen von einem relativ geringen Niveau im Vergleich zu amazon, zalando oder Otto. Alleine aufgrund unserer Kundenbasis bieten sich im Pure Online-Business enorme Wachstumsmöglichkeiten. Hinzu kommen die Zusatzumsätze durch Multichannel-Umsätze in unseren Filialen. Wenn wir ehrlich sind, gibt es kaum einen Stationärhändler in Deutschland, der MCR durchgängig kundenorientiert lebt. Wir wollen das und der Kunde auch.

Wie etabliert man eine Gründerkultur in den Köpfen der Mitarbeiter?
Wir schaffen mit dem Aufbau des Product Managements einen Nukleus für Innovationen. Alleine in der Geschwindigkeit, mit der wir Software produzieren beindruckt die Mitarbeiter, die nicht direkt beteiligt sind und macht sie neugierig. Langsam wächst dann das Interesse mitzumachen bzw. im eigenen Bereich Arbeits- und Denkweisen zu adaptieren. Innovative Kräfte hat es schon immer im Unternehmen gegeben. Diese gilt es, jetzt auf die MCR-Strategie auszurichten und alle Mitarbeiter von diesem Ansatz zu beseelen.

Wo steht Kaufhof in einem Jahr?
Kaufhof wir auf Basis einer neuen Online-Plattform Kunden begeistern und Konkurrenten überraschen. Dann werden wir so agil wahrgenommen wie Teile der Gründerszene in Deutschland.

Zur Person
Nina Ehrenberg ist Leiterin E-Commerce und Multichannel bei Galeria Kaufhof.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.