Jochen Schweizer im Interview #dhdl

“Ich will jungen Entrepreneuren Mut machen”

„Es ist keine zehn Jahre her, da musste ich andere Menschen von meiner Idee überzeugen. Diese hatten zwei Dinge, die ich nicht hatte: Zeit und Geld. Heute sitze ich auf der anderen Seite und möchte einen Teil meines Erfolgs und meiner Erfahrung einbringen“, sagt Jochen Schweizer.
“Ich will jungen Entrepreneuren Mut machen”
Freitag, 19. September 2014VonAlexander Hüsing

In der “Die Höhle der Löwen” präsentierte sich der ehemalige Stuntman Jochen Schweizer als bissiger Löwe einem Millionenpublikum. Mit Jochen Schweizer Ventures investiert der Unternehmer auch abseits der TV-Öffentlichkeit in junge Unternehmen.

Vorrangig in Unternehmen aus den Bereichen Freizeit, Tourismus, Gutscheine, Geschenke, Social Network und Payment. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Schweizer über Gründerkompetenz, Schranken und Standortdiskussionen.

Über Jochen Schweizer Ventures investieren Sie in junge Unternehmen. Was reizt Sie daran, in fremde Ideen zu investieren?
Es ist noch keine zehn Jahre her, da musste ich als Gründer meines Erlebnisgeschenkeportals jochen-schweizer.de andere Menschen von meiner Idee überzeugen. Diese hatten zwei Dinge, die ich nicht hatte: erstens Zeit und zweitens Geld. Heute sitze ich auf der anderen Seite des Tisches und möchte einen Teil meines Erfolgs und meiner Erfahrung einbringen, damit andere ebenso Erfolg haben können. Ich will jungen Entrepreneuren Mut machen und sie unterstützen, eine Idee zu entwickeln und darauf zu setzen.

Juckt es Sie nicht, selbst noch einmal ein Unternehmen aufzubauen?
Nein, das heißt aber nicht, dass ich meinen Gründergeist verloren habe. Zu meiner Unternehmensgruppe gehören mittlerweile 17 Unternehmen. Zwei davon habe ich erst 2013 gegründet. Auch die Jochen Schweizer Ventures ist noch recht jung und  seit Ende 2012 Teil der Gruppe. Ich gründe sozusagen immer noch regelmäßig, aber mehr mit dem Ziel, strategisch wichtige Elemente meiner Gruppe in einem Unternehmen aufgehen zu lassen und diesem den Entwicklungsraum zu geben den es benötigt und verdient.

Wie wichtig ist für Sie bei einem Investment das Team hinter einer Idee?
Das Team hinter der Idee steht für mich immer an erster Stelle. Mich müssen die Menschen überzeugen. Es geht vor allem darum, dass die Gründer für ihre Idee brennen und mich von ihrem Einsatzwillen und ihrer Gründerkompetenz überzeugen. An zweiter Stelle kommen dann die potentielle Größe des Markts sowie die Qualität des Produkts und des Geschäftskonzepts.

In ihrem Portfolio sind bisher unter anderem miBaby und Spontacts. Was waren Ihre Beweggründe in diese Start-ups zu investieren?
Jeder Investitionsfall ist einzigartig, aber trotzdem sind es am Ende immer die gleichen Gründe, warum mein Team und ich uns entscheiden zu investieren. Die Gründer sowie ihr Geschäftsmodell haben überzeugt und wir sehen gute Chancen für eine sehr positive Marktentwicklung. Bei Spontacts kam noch hinzu, dass wir das Mitmachportal als strategisches Investment für die Jochen Schweizer Gruppe sehen.

In welche Konzepte würden Sie auf gar keinen Fall investieren?
Wir stellen bewusst keine Schranken auf. Nur wenn eine Idee sich als offensichtlich sittenwidrig oder unmoralisch darstellt gibt es für uns keine Einstiegsoption. Hinzu kommt, dass wir vordergründig in Unternehmern in den Bereichen Freizeit und Tourismus, Gutscheine und Geschenke sowie Social Network und Payment investieren.

Was muss sich in Deutschland ändern, damit hierzulande ein Gigant wie Facebook entstehen kann?
Deutschland braucht eine vielfältige Gründerszene und es muss sich landesweit eine Kultur der Entwicklungsfinanzierung etablieren, um die Innovationskraft zu erhalten. Deshalb sind die regelmäßig aufkommenden Standortdiskussionen zwischen München und Berlin oder auch anderen Städten nicht zielführend. Es muss ein Strategie für Gesamtdeutschland geben und nicht nur für einzelne Städte.

Was fehlt eher in Deutschland: Gute Ideen oder das große Geld, um Ideen voranzubringen?
Ich bin überzeugt, dass es in Deutschland beides gibt. Aber, und ich wiederhole mich hier: Deutschland braucht eine Kultur der Entwicklungsfinanzierung, die eine vielfältige Gründerszene tragen kann. Ergänzend muss sich in der Gesellschaft etwas verändern. Heute herrscht häufig eine große Angst vor der Selbstständigkeit. Denn, wenn jemand gründet und dabei auf die Nase fällt, heißt es oft: „Siehst du, hättest du es mal nicht gemacht, dann wäre das nicht passiert.“ Wenn es aber funktioniert und er ein erfolgreiches Unternehmen gründet, wird ihm in den seltensten Fällen applaudiert. Deshalb wollen in Deutschland gerade einmal 15 % der Menschen in die Selbständigkeit. Im angelsächsischen Raum erleben Gründer einen ganz anderen Zuspruch, hier will jeder zweite Mensch in die Selbstständigkeit. Meiner Meinung nach verdient jeder, der etwas bewegen will und den Mut aufbringt, das auch zu tun, Applaus. Egal ob es klappt, oder nicht. Wer etwas riskiert kann verlieren, aber wer nicht riskiert, der verliert garantiert.

In der Vox-Show “Die Höhle der Löwen” haben Sie viele Gründer und deren Konzepte kennengelernt: Was haben Sie dabei gelernt?
Während des Drehs zu „Die Höhle der Löwen“ haben über 100 Jungunternehmer den anderen Löwen und mir ihre Ideen vorgestellt. Für mich war es spannend zu sehen, dass es wirklich viele interessante und motivierte Gründer mit guten Ideen oder Geschäftsansätzen in Deutschland gibt. Zwar haben diese nicht immer Investitionspotential für mich gehabt, aber allein die Anzahl hat mir gezeigt, wie viel Gründerpotential in Deutschland steckt.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die Geldgeber bei “Die Höhle der Löwen” nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind? Viele Szenebeobachter finden die angebotenen Deals gierig, dreist oder total abwegig.
Bei den in der Show gezeigten Start-ups handelt es sich zum Großteil um Unternehmen oder Ideen, die sich noch in einer sehr frühen Phase befinden. Das heißt es besteht oft nur die Idee ohne Vertriebs- und Betriebsstruktur, teilweise sind nicht einmal die Produkte ausgereift. Auf dieser Basis müssen ich und die anderen Löwen dann in ungefähr 60 Minuten eine Bewertung des Unternehmens vornehmen. Hinzu kommt, dass die antretenden Entrepreneure ein bestimmtes Angebot auf Basis ihrer eigenen Bewertung schon vordefiniert haben. Stimmen die Bewertungen der Löwen und der Entrepreneure nicht überein, bleibt den Löwen also nur die Möglichkeit, die Anteile zu erhöhen, um die geforderte Summe noch anbieten zu können. Deshalb kann ich verstehen, wenn für Außenstehende manchmal der Eindruck entsteht, dass die Löwen gierig wären. Meiner Meinung nach ist der größte Vorteil für einen Investor, ein motivierter, hart arbeitender Gründer, der seine Idee mit aller Kraft nach Vorne bringen will. Einen motivierten Gründer bekomme ich aber nur dann, wenn ich ihm einen Anteil an seinem Unternehmen lasse, mit dem er sich identifizieren kann. Bei für mich interessanten Start-ups war ich deshalb immer bestrebt ein Angebot zu machen, das für beide Seiten eine Win-Win-Situation darstellt.

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Zur Person
Jochen Schweizer war Stuntman und ein Wegbereiter des Bungeesports in Deutschland. 1985 gründete er die Werbeagentur Kajak Sports Productions, aus der sich die Jochen Schweizer GmbH und im Jahr 2004 das Erlebnisgeschenkportal entwickelte.

Die Höhle der Löwen – Die Deals der Vox-Show

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In der Vox-Show “Die Höhle der Löwen” suchen Gründer Geld. In dieser fotografischen Übersicht gibt es noch einmal alle Deals der Show im Schnelldurchlauf.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.